Brunner ist unzufrieden. Knapp drei Monate nach dem Schulterschluss mit der FDP und der CVP zieht in einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag» eine schlechte Bilanz. «Ich habe inzwischen das Vertrauen verloren, dass es den zwei Mitte-Parteien wirklich ernst ist, einschneidende Massnahmen für den Standort Schweiz konsequent umzusetzen. So ist dieser Pakt Makulatur», sagt Brunner. CVP und zunehmend auch die FDP würden zum Problem, «weil sie nicht mehr zuverlässig stimmen».
Brunner kritisiert insbesondere seine Amtskollegen von CVP und FDP. Offenbar würden andere Präsidenten Papiere unterzeichnen, die sie intern nicht abstützen können. «Ich spreche in erster Linie von CVP-Präsident Christoph Darbellay. Aber auch von FDP-Präsident Philipp Müller.»
Das sind aber nicht die einzigen, denen Brunners Rundumschlag gilt: «Die CVP taumelt orientierungslos», sagt der SVP-Präsident. «Sie wird im Herbst daran zu beissen haben, als Partei überhaupt noch die 10-Prozent-Grenze zu überschreiten.» Das verschulde sie selbst, etwa mit ihrer Bundesrätin: «Ich sehe nur noch einen Unterschied zwischen Doris Leuthard und ihrem Vorgänger Moritz Leuenberger», sagt Brunner: «Die zweite Gotthard-Röhre.» Er wirft der CVP vor, ihr seien Jux, Halleluja und Selfies wichtiger als Inhalte.
Während sich die CVP weiter nach links bewege, sei es den FDP-Sektionen egal, ob SP oder SVP gewinnen würden. «Deshalb müssen wir unseren eigenen Weg gehen», sagte Brunner.
Ganz abschreiben mag er den Schulterschluss aber dennoch nicht: «Ich erachte das Projekt noch nicht als vollends gescheitert.» Denn noch stehe die Beratung über die Unternehmenssteuerreform III im Parlament an.
Seinen Unmut äusserte Brunner zudem darüber, dass es für die Wahlen im Herbst bei Mitte-rechts nur in drei Kantonen zu Listenverbindungen komme. Die FDP denke nur an sich und gehe darum kaum Listenverbindungen ein, kritisierte er.
«Das war ein einmaliger Paukenschlag ohne Rückhalt», sagt FDP-Nationalrat Kurt Fluri zur «Schweiz am Sonntag». «Schall und Rauch.» Für Fluri ist klar, dass alle drei Parteien Fehler machten. «Alle hielten sich nicht daran: die SVP bei der Landwirtschaft, die CVP bei der Familie, die FDP bei Kultur und Forschung.»
Und CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger, der dem Gewerbeflügel angehört, sagt: «Das ist nicht nur ein Schulterschluss, sondern ein Schulterschnellschuss.»
Ende März 2015 hatten sich die Parteipräsidenten, Fraktionspräsidenten und Generalsekretäre von CVP, FDP und SVP auf ein Massnahmenpaket zur Stärkung des Standorts Schweiz geeinigt. Doch dieser sogenannte Schulterschluss bröckelte zuletzt immer mehr. (sda/dwi)