Als Bürger rechnet man damit, dass die Bundesverwaltung weiss, was sie tut. Und wenn ihr einmal die Fachkenntnisse fehlen, kann sie sich oft auf eine ausserparlamentarische Kommission stützen. Die Mitglieder werden vom Bundesrat ernannt. Sie sind Fachleute aus der Praxis, in ihrer Kommission sollen sie verschiedene Fachgebiete und Haltungen ausgewogen vertreten. Ob dieser Grundsatz in der Eidgenössischen Kommission für Suchtfragen noch gilt, bezweifelt Andrea Geissbühler. Die Berner SVP-Nationalrätin zählt zu den Verfechterinnen einer harten Drogenpolitik. Seit Jahren präsidiert sie den Dachverband Drogenabstinenz Schweiz.
Vehement kämpft sie dagegen, dass der Konsum von Drogen liberalisiert wird. Diese Haltung aber werde in der Eidgenössischen Kommission nicht mehr repräsentiert, sagt Geissbühler. «Die Drogen-Legalisierer sind jetzt krass in der Mehrzahl.» Besonders augenfällig ist das ihrer Meinung nach bei der Frage, ob Cannabis kontrolliert abgegeben werden soll. Die SVP-Frau verweist darauf, dass sich das Stimmvolk bislang stets gegen Liberalisierungen ausgesprochen habe.
Tatsächlich wird die Kommission von Befürwortern der kontrollierten Cannabisabgabe geleitet. An der Spitze stehen der Zürcher Psychiater Toni Berthel und Eveline Bohnenblust, die Leiterin der Abteilung Sucht beim Stadtbasler Gesundheitsdepartement. Auch unter den 13 weiteren Mitgliedern dürften die Befürworter einer liberalen Drogenpolitik in der klaren Mehrzahl sein, nachdem die Kommission für Drogenfragen kürzlich in der Kommission für Suchtfragen aufgegangen ist. Das zeigt etwa ein Blick in deren Interessenbindungen.
Auf Anfrage will sich Präsident Berthel nicht zu der Haltung der neuen Kommission äussern, weil diese erst in zwei Wochen zum ersten Mal tagt. In den vergangenen Jahren sei man sich aber einig gewesen: Es brauche Modelle, mit denen illegale Substanzen zugänglich und staatlich kontrollierbar werden. «Mit Verboten kann man die Herausforderungen der Drogenpolitik kaum mehr bewältigten», sagt Berthel.
Noch in alter Besetzung bekräftigte die Kommission im Dezember 2015, dass Drogen legalisiert und reguliert werden sollten. Sie untermauerte dies mit einer Studie. Diese kam zum Schluss, dass jede Droge zugleich gefährlich und ungefährlich ist: «Es kommt auf die Umstände an, unter denen sie genommen wird.» Und diese Umstände könne man «positiv beeinflussen».
Einer, der dieser Ansicht kritisch gegenübersteht, ist der bekannte Strafrechtsprofessor Martin Killias. Während über zehn Jahren sass er in der Kommission für Drogenfragen. Nun ist er nicht mehr dabei. «Aus freien Stücken», wie er betont. Doch der Kurs der Kommission hatte ihm zunehmend Schwierigkeiten bereitet.
Denn Killias, der auch für die Aargauer SP politisiert, befasste sich mit den Auswirkungen von Drogen. Als er die steigende Jugendgewalt teilweise auf den hohen Cannabiskonsum bei jungen Schweizern zurückführte, stiess er bei Kollegen auf Kopfschütteln. Gleichzeitig sei die Kommission «verpolitisiert» worden, sagt Killias. «Dass jedes Mitglied hinter der Forderung nach Entkriminalisierung von Drogen stand, ist eine falsche Annahme.» Aus seiner Sicht ist es heikel, wenn sich ein Fachgremium mit politischen Forderungen exponiert.
Unfreiwillig hat ein forensischer Toxikologe die Eidgenössische Kommission verlassen. Auch er stellte sich gegen die Legalisierung von Drogen – und wurde Ende 2015 nicht mehr in das Gremium berufen. In der «Nordwestschweiz» will er sich nicht namentlich zitieren lassen. Es gehe ihm um die Sache, nicht um persönliche Animositäten. Seit Jahrzehnten erforscht er die Substanzen von Drogen. «Ich kenne ihre Zusammensetzung und weiss, was diese bei Menschen bewirken.» Darum könne er nur bedauern, dass die toxikologische Warte in der Kommission offenbar nicht mehr gefragt sei. Schliesslich soll die Verwaltung dank ihr an Expertisen kommen, die sonst durch kostspielige Studien eingekauft werden müssten.
Die Mitglieder der Kommission für Suchtfragen werden vom Bundesamt für Gesundheit nominiert. Dessen Sprecher Daniel Dauwalder sagt, das neue Gremium soll die Landesregierung nicht mehr nur in Drogenfragen beraten. Es befasse sich unter anderem auch mit der Sicherheit im öffentlichen Raum. Deshalb habe man nicht alle Mitglieder der bisherigen Kommission berücksichtigen können. Dauwalder: «Die Mitglieder wurden wegen ihrer fachlichen Expertise und nicht wegen ihrer drogenpolitischen Grundhaltung ausgewählt.»
Mit dieser Erklärung gibt sich SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler nicht zufrieden. Für sie ist das lediglich ein vorgeschobener Grund, um kritische Mitglieder elegant loszuwerden. Will sich der Bund nur noch von Drogen-Legalisierern beraten lassen? Das will Geissbühler diese Woche in der Fragestunde des Parlaments vom Bundesrat wissen.
(trs/aargauerzeitung.ch)