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Du willst nur das Beste? Voilà:
Ob es im
Präsidialjahr auch Misserfolge gegeben habe, wird Simonetta
Sommaruga von einem Journalisten gefragt. Die
Bundespräsidentin, sonst selten um eine Antwort verlegen, bleibt einige Augenblicke stumm und stellt dann eine Gegenfrage: «Haben
Sie etwas vermisst?» Eine Antwort bleibt am Medienfrühstück Anfang Woche aus. Tatsächlich musste
Sommaruga in diesem schwierigen Jahr mit den Herausforderungen
Terrorismus und Flüchtlingskrise keinen grösseren Flop verzeichnen.
Das könnte sich
bald ändern. Die Konsultationen mit der Europäischen Union zur
Umsetzung der SVP-Zuwanderungsinitiative treten in ihre heikle Phase
ein. Am Montag trifft sich die Justizministerin in Brüssel
erneut mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dabei könnte
auch über das nächste SVP-«Kuckucksei» gesprochen werden, das
die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu
belasten droht: Die Durchsetzungsinitiative.
Die Abstimmung über
das Volksbegehren, mit dem die SVP die wortgetreue Umsetzung ihrer
2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative in der Bundesverfassung
verankern will, findet am 28. Februar 2016 statt. Im März will der
Bundesrat sein Konzept für die vor zwei Wochen
angekündigte Schutzklausel vorlegen, mit der er die
Masseneinwanderungsinitiative umsetzen und die Zuwanderung begrenzen
will. Er hofft, dass dies im Einklang mit der EU geschieht. Sie soll
einer entsprechenden Anpassung der Personenfreizügigkeit zustimmen.
Ob es klappt, ist
ungewiss. «Die Basis für eine Lösung ist geschaffen, aber die
Situation bleibt schwierig», sagte Sommaruga an ihrer
Medienkonferenz. Im Endeffekt genügt es nicht, wenn die
EU-Kommission einer Lösung zustimmt, sie muss auch von den
28 Mitgliedsstaaten abgesegnet werden. Die Durchsetzungsinitiative könnte deshalb zu kaum einem dümmeren
Zeitpunkt vors Volk kommen, denn das Freizügigkeitsabkommen verbietet
Ausschaffungen wegen Bagatelldelikten, wie sie das SVP-Begehren vorsieht.
Ein Ja zur Durchsetzungsinitiative würde eine Einigung mit der EU «nicht
erleichtern, sondern erschweren», warnte Sommaruga. Derzeit deutet
vieles darauf hin, dass dies eintreffen wird. In einer Umfrage
des Instituts GFS Bern im Auftrag des Verbands Interpharma erklärten
66 Prozent, sie würden der Initiative bestimmt oder
eher zustimmen.
Bei bürgerlichen
Politikern macht sich Defätismus breit. «Es wird sehr
schwierig, diese Initiative noch zu bodigen», sagte CVP-Präsident
Christophe Darbellay dem «Blick». Der Handlungsbedarf wäre
eigentlich erkannt. Die Initiative sei gefährlich und verdiene «ein
klares Nein», teilte Michael Wiesner, Kommunikationsleiter beim
Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, auf Anfrage mit. Sie gefährde
nicht nur den Erhalt der bilateralen Abkommen, sondern auch «den
Ruf der Schweiz als Wirtschaftsstandort mit hoher Rechtssicherheit».
Starke Worte. Aber
folgen ihnen auch Taten? Fehlanzeige: Economiesuisse ist nicht
bereit, sich mit namhaften finanziellen Mitteln am Kampf gegen die
Durchsetzungsinitiative zu beteiligen. 2016/17 kämen ungewöhnlich
viele wirtschaftsrelevante Initiativen vors Volk, hält Wiesner fest.
Es sei «nicht möglich, zu jeder Vorlage eine grosse nationale
Abstimmungskampagne zu führen».
Man weiss um
die Gefahr, will sich aber nicht engagieren. Die NZZ als «Hausblatt» der Schweizer Wirtschaft hat diese Tatsache beklagt und einen Grund diagnostiziert: Der Unterschied zu anderen
Wirtschaftsvorlagen bestehe darin, «dass man sich mit einer
Kampagne zur Beachtung des Rechtsstaats in der Ausländerpolitik
nicht nur Freunde macht». Gerade in der «Wirtschaftspartei» SVP.
Man kennt dieses
Bild zur Genüge: Bei ausländerkritischen Vorlagen der SVP hält
sich die Wirtschaft in der Regel vornehm zurück. Man könnte fast
von einer Art stillschweigendem Pakt sprechen: Die SVP setzt sich ein
für tiefe Steuern und einen Regulierungsabbau, die Wirtschaft lässt
ihr im Gegenzug freie Hand bei ihren Kernthemen Asyl- und
Ausländerpolitik. Reibungsfrei verlief dieses «Stillhalteabkommen» nie. Vor allem bei EU-Abstimmungen kamen sich SVP und Wirtschaft
wiederholt ins Gehege, zuletzt bei der
Masseneinwanderungsinitiative.
Michael Wiesner von
Economiesuisse verweist auf dieses Beispiel, um die These vom Pakt
zwischen SVP und Wirtschaft zu widerlegen. «Asylpolitik und
kriminelle Ausländer hingegen waren für uns als Wirtschaftsverband
nie Schwerpunktthemen», räumt er handkehrum ein. Eine Einstellung,
die dieses Mal ins Auge gehen könnte. Bundespräsidentin Sommaruga
warnte vor Konsequenzen, wenn es zu keiner Lösung bei der
Personenfreizügigkeit kommen sollte: «Vielleicht ergreift die EU
Retorsionsmassnahmen in einem Bereich, an den man nicht gedacht hat.»
Die Abstimmung ist aber nicht verloren. Initiativgegner verweisen auf die Fragestellung in der GFS-Erhebung, die sich einzig auf die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative bezog. Die möglichen Nebenwirkungen wurden mit keinem Wort erwähnt. Auch Sommaruga gibt sich betont zuversichtlich. Der Meinungsbildungsprozess habe noch kaum begonnen.
Die Justizministerin will keine Zeit verlieren und noch vor Weihnachten die Nein-Parole des Bundesrats erläutern. Auf Hilfe der Wirtschaft kann sie in diesem Kampf kaum zählen.
Eigentlich müsste dieser Putsch, dieser Umsturz unserer demokratischen Gepflogenheiten jeden echten (auch rechten) Demokraten aufschrecken!
Ausserdem: sehr sehr schwach von economiesuisse. Linke Vorlagen ohne jegliche Chance wie die 1:12 oder auch die Erbschaftssteuer (übrigens eine sehr gemässigte Initiative) werden mit riesigem Geschütz bekämpft, aber wirklich krass (wirtschafts-)schädliche Initiativen wie die MEI nur mittelmässig oder eben in diesem Fall der Durchsetzungsinitiative gar nicht. Richtig richtig schwach. Auch der Defätismus der anderen Parteien nervt mjcb: wegen einer einzigen Umfrage steckt ihr den Kopf in den Sand?!