Schweiz
Gesellschaft & Politik

Der Racheengel der SVP vor Gericht – Die Methoden von Philipp Gut

«Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut vor dem Bezirksgericht in Zürich am Dienstag, 28. Juni 2016.
«Weltwoche»-Redaktor Philipp Gut vor dem Bezirksgericht in Zürich am Dienstag, 28. Juni 2016.Bild: KEYSTONE

Der Racheengel der SVP steht vor Gericht: Die Methoden von «Weltwoche»-Vize Philipp Gut

«Weltwoche»-Vize Gut wirft dem Zürcher Historiker Philipp Sarasin vor, seiner heutigen Lebensgefährtin zu einem Lehrstuhl verholfen zu haben. Kampagnen, um politische Gegner auszuschalten, sind dem Journalisten nicht fremd. Eine Opferliste. 
28.06.2016, 10:3329.06.2016, 16:13
Rafaela Roth
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Der heutige Gerichtstermin des Vize-Chefredaktors der «Weltwoche» Philipp Gut ist die logische Konsequenz aus seinem beruflichen Selbstverständnis und dem Schaffen, das daraus resultiert. Gut, der frühere Assistent am Historischen Seminar der Universität Zürich und frühere «Tages-Anzeiger»-Redaktor, ist zum politischsten Journalisten der Schweiz geworden. Nicht, weil er das politische Geschehen besonders sachkundig analysieren oder besonders meinungsstark kommentieren würde, sondern weil er Politik betreibt mit journalistischen Mitteln.

Gut ist bei der «Weltwoche» der Mann fürs Grobe. Wenn es darum geht, Gegner der SVP aus dem Weg zu räumen, dann steigt Gut in die Hosen und mischt sich ein in genuin politische Auseinandersetzungen, die mit der Erledigung des Gegenübers enden sollen. Gut ist dabei weniger auf seine eigene Absicherung bedacht als auf den Schaden der Objekte seiner Berichterstattung.  

Sarasins Chancen stehen gut

Das könnte sich heute rächen. Denn während viele von Guts Opfern sich wegducken, um möglichst wenig reputationsschädliche Folgeberichterstattung zu ermöglichen, hat Sarasin, bis 2013 Vorsteher des auch politisch deutungsmächtigen, aber tendenziell linken Historischen Seminars der Universität Zürich, geklagt. Und er hat gute Chancen, damit durchzukommen.   

Philipp Sarasin und Svenja Goltermann treffen am Bezirksgericht ein.
Philipp Sarasin und Svenja Goltermann treffen am Bezirksgericht ein.Bild: KEYSTONE

Den zweiten Artikel seiner «Weltwoche»-Kampagne gegen den Historiker Philipp Sarasin eröffnete Philipp Gut mit einem Duden-Eintrag:

«korrupt, Adj. (abwertend)
a) bestechlich, käuflich od. auf andere Weise moralisch verdorben u. deshalb nicht vertrauenswürdig
b) aufgrund von Abhängigkeiten, Vetternwirtschaft, Bestechung, Erpressung o. Ä. so beschaffen, dass bestimmte gesellschaftliche Normen od. moralische Grundsätze nicht mehr wirksam sind»

Dann entsichert Philipp Gut sein Gewehr, nimmt sein Ziel ins Visier, legt seinen Finger an den Abzug, atmet tief aus und schiesst: Der ganz im «linksliberalen Mainstream» verankerte Historiker Sarasin habe 2009 und 2010 «die Vetterliwirtschaft auf die Spitze getrieben», indem er seine Geliebte Svenja Goltermann im Historischen Seminar auf einen Professorenposten gehievt habe und in der zuständigen Berufungskommission nicht in den Ausstand getreten sei, wie die universitären Richtlinien es vorschreiben würden, schreibt Gut in der 40. Ausgabe der «Weltwoche», 2014: «Ein selten krasser» Fall von «offenkundiger Beziehungskorruption». 

Experten attestieren korrektes Verfahren

Der angeschossene Sarasin bestreitet die Vorwürfe. Ihm und Goltermann setzte die Geschichte dermassen zu, dass sich beide für eine Weile krankschreiben liessen. Die «Weltwoche» musste eine Gegendarstellung drucken. Der renommierte Historiker Jakob Tanner erklärt darin, dass die «wissenschaftliche Leistung und intellektuelle Brillanz» für die Berufung von Goltermann entscheidend gewesen seien und vor dem Berufungsverfahren keine Liebesbeziehung zwischen den beiden bestanden habe. Diese habe eineinhalb Jahre nach Goltermanns Stellenantritt 2012 begonnen. Zwei unabhängige Experten, die das Berufungsverfahren untersuchten, bestätigten, dass Sarasin sich korrekt verhalten habe. Die «Weltwoche» hält an ihrer Darstellung fest. 

Von 2000 bis 2006 hatte Philipp Gut selber als Assistent am Historischen Seminar gearbeitet und schuf sich mit einem Artikel 2005 im «Tages-Anzeiger», wo er die Uni Zürich als einen Ort, «wo Swissness nicht sexy ist», bezeichnete, eine Menge Feinde. Später entschied er sich für die journalistische Laufbahn und schaffte es in der «Weltwoche» ganz nach oben, zum stellvertretenden Chefredaktor. 

Unterstellungen als Programm

Als einer der wenigen, die auf Guts Abschussliste geraten waren, verklagte Sarasin seinen ehemaligen Arbeitskollegen Gut sowohl auf zivilrechtlichem als auch auf strafrechtlichem Weg. 

Eigentlich ist nur erstaunlich, dass Gut sich erst jetzt vor der Justiz verantworten muss. Denn als einer der aggressivsten Journalisten des Landes hat er viele mächtige Feinde. Er versteht es wie keiner, dort zu treffen, wo es weh tut und politische Gegner auszuschalten, wenn sie der SVP gefährlich werden oder von ihrer Linie abweichen. Kaum beweisbare Unterstellungen und emotionale Zuspitzungen sind dabei mehr als nur Stilmittel, sondern Programm, wie nicht nur der Fall Sarasin zeigt. 

2011: Karin Keller-Suter

Karin Keller-Suter an einer Medienkonferenz im Oktober 2014.
Karin Keller-Suter an einer Medienkonferenz im Oktober 2014.
Bild: KEYSTONE

Die Headlines: «Verdacht auf Amtsmissbrauch», «Amtliche Unwahrheiten»«Keller-Suters Willkür-Reich»

Die Story: Gut wirft der St.Galler FDP-Politikerin in der «Weltwoche» «Begünstigung, Amtsmissbrauch und teilweise Verletzung der Gewaltentrennung» vor. Sie habe die Ausschaffung einer türkisch-iranischen Familie verhindert, die rechtskräftig vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen worden war, indem sie «ihren ganzen Einfluss» als Justizministerin geltend gemacht habe, um eine vorläufige Aufnahme zu erreichen. 

Keller-Suters Vergehen: Sie hatte es gewagt, neben Toni Brunner als Ständeratskandidatin für St.Gallen zu kandidieren. Also schrieb Gut mitten im Wahlkampf diese zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre alte Geschichte zum Skandal hoch. 

Die Folgen: Karin Keller-Suter wurde mit einem Glanzresultat zur Ständerätin gewählt. Die St.Galler Rechtspflegekommission kam zum Schluss, dass ihr Vorgehen bezüglich des Asylentscheids der Flüchtlingsfamilie korrekt war. Die St.Galler Staatsanwaltschaft verurteilt Philipp Guts Quelle, einen Mitarbeiter des St.Galler Migrationsamtes, wegen «mehrfacher Verletzung des Amtsgeheimnisses» zu einer bedingten Geldstrafe.

2013: Res Strehle

Ex-«Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Res Strehle referiert im Januar 2015 im World Trade Center in Zürich.
Ex-«Tages-Anzeiger»-Chefredaktor Res Strehle referiert im Januar 2015 im World Trade Center in Zürich.Bild: GAETAN BALLY

Die Headlines: «Der süsse Duft des Terrorismus», «Der radikale Herr Strehle», «Wer ist Res Strehle?»

Die Story: Gut nimmt sich in einer Artikel-Serie den damaligen Chefredaktor des «Tages-Anzeiger» vor. Er unterstellt Strehle eine «irritierende Nähe zu Terroristen und Bombenlegern» in seiner Jugendzeit und publiziert ein Polizeibild, dass ihn nach einer Verhaftung 1984 zeigt. Strehle habe mit international gesuchten Terroristen zusammengewohnt und revolutionäre Gewalt als Antwort auf die Repression des Staates gerechtfertigt. 

Strehles Vergehen: Der «Tages-Anzeiger» hatte mit dem Artikel «Die Leichen im Keller des Professors» und weiteren Geschichten die Entlassung von Blocher-Intimus Christoph Mörgeli am Medizinhistorischen Institut der Universität Zürich eingeleitet. Gegen Iwan Städler, den Journalisten, der über Mörgelis unvorteilhafte Mitarbeiterbeurteilungen berichtet hatte, lag nichts Verwertbares für eine Gegenkampagne vor, weshalb Gut und Mörgeli versuchten, Strehles Reputation so weit zu beschädigen, dass er für «Tagi»-Verlegerin Tamedia nicht mehr zu halten wäre.

Die Folgen: Philipp Gut kassiert eine Rüge des Presserats. Die «Weltwoche» habe durch ihre Berichterstattung Strehles Persönlichkeit sowie seine Privatsphäre verletzt, heisst es im Urteil. Die Publikation der Polizeibilder von Strehle sei «völlig unverhältnismässig» gewesen. Strehle ging ein paar Monate später ordentlich in Pension. 

2015: Jolanda Spiess-Hegglin 

Jolanda Spiess-Hegglin im Januar 2015 vor dem Regierungsgebäude von Zug.
Jolanda Spiess-Hegglin im Januar 2015 vor dem Regierungsgebäude von Zug.Bild: KEYSTONE

Die Headline: «Die fatalen Folgen eines Fehltritts»

Die Story: Gerade als die Schweiz langsam genug hatte von der als «Zuger Sexskandal» bekannt gewordenen Geschichte zwischen Jolanda Spiess-Hegglin und SVP-Politiker Markus Hürlimann, beschloss Gut nochmals nachzutreten. Neue Ermittlungsakten, die der «Weltwoche» vorliegen, würden zeigen, wie Spiess-Hegglin den SVPler «planmässig falsch beschuldigte», schrieb er. Sie habe den falschen Verdacht bewusst provoziert und in die Welt gesetzt. Man könne den Fall «als Ausdruck des Zeitgeists lesen, indem sich Frauen – zumal linke – offenbar alles erlauben können», schrieb er. Eine Anklage wurde gegen Hürlimann nie erhoben. 

Spiess-Hegglins Vergehen: Die grüne Politikerin vom entgegengesetzten politischen Pol hat die Karriere eines SVPlers zerstört. 

Die Folgen: Wegen der Äusserung, dass sie Hürlimann «planmässig falsch beschuldigte», hat Spiess-Hegglin Philipp Gut wegen Ehrverletzungsdelikten angezeigt. Der Verhandlungstermin steht noch nicht fest. 

2015: Roland Rino Büchel 

SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. 
SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. bild: svp-sg

Die Headline: «Schweizer Fifa-Heuchler» 

Die Story: Gut knöpft sich ein paar FIFA-Kritiker vor. In erster Linie SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. Diesem wirft er vor, als FIFA- und Korruptionskritiker «nur bedingt glaubwürdig» zu sein und aus persönlichen Motiven zu handeln, wenn er gegen Parteikollege Heinz Tännler schiesse. Tännler habe Büchel nach dessen Ausscheiden bei der FIFA Entschädigungen für Überstunden und Abgeltungen verweigert, daher der Groll. 

Büchels Vergehen: Nestbeschmutzung. Büchel hatte es gewagt einen Parteikollegen, der von der Kantonalpartei der SVP kurz zuvor als Kandidat für die Bundesratswahlen ins Rennen geschickt worden war, zu kritisieren.

Die Folgen: Roland Rino prüfte nach Guts Artikel rechtliche Schritte. Zu einer Klage kam es aber nie. 

Verurteilung für Quellenschutz

Rein rechtlich sieht es für Gut im Fall Sarasin nicht so gut aus. Legt der Journalist dem Richter keine Beweise für eine Liebesbeziehung zwischen Sarasin und Goltermann vor, drohen ihm gemäss Tages-Anzeiger eine saftige Busse von bis zu 31'200 Franken und allenfalls Schadenersatzforderungen.

Seine Quellen offen zu legen, verbietet ihm der Quellenschutz. «Aber», sagt Gut, «erstklassige Quellen in grosser Zahl belegen meine Aussage bezüglich der Liebesbeziehung zwischen Sarasin und Goltermann. Ich hätte das nicht geschrieben, wenn ich nicht gewusst hätte, dass es korrekt und relevant ist.» Er teile gewisse Positionen der SVP, sei aber auch ihr härtester Kritiker, sagt Gut. 

Zu befürchten hat Gut nicht viel, selbst wenn er verurteilt werden sollte. «Weltwoche»-Chefredaktor und SVP-Nationalrat Roger Köppel wird seine schützende Hand über seinen Stellvertreter halten und allfällige Bussen übernehmen.

Die gehören quasi zur Spesenrechnung eines politischen Racheengels wie Gut.


Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
94 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
icarius
28.06.2016 11:33registriert Juli 2015
Wenn einer Korruption bei der kantonalen Verwaltung und der Universität bekämpft, bei der FIFA aber unterstützt, weiss man dass es sich nur um einen hasserfüllten Ideologen handeln kann.
16618
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tatwort
28.06.2016 11:17registriert Mai 2015
Weshalb denke ich ausgerechnet bei der "Weltwoche" an "Lügenpresse"?
18237
Melden
Zum Kommentar
avatar
pamayer
28.06.2016 11:11registriert Januar 2016
Gut

kommt der endlich vor Gericht.
13920
Melden
Zum Kommentar
94
Zu mild und zu nass: März setzt Trend der letzten Monate fort

Der März 2024 ist über die gesamte Schweiz gesehen rund zwei Grad Celsius zu mild und zu nass gewesen. Damit reihe sich der März lückenlos in die deutlich zu milden letzten Monate ein, teilte der private Wetterdienst Meteonews am Donnerstag mit.

Zur Story