Wenn ein Politiker etwas hat, das ihm wie ein Label anhaftet, dann ist das bei Albert Rösti sein rhetorisches Rüstzeug: Er ist «moderat im Auftritt». Jeder, der danach gefragt wird, beschreibt den Berner Nationalrat wahlweise als anständig, konstruktiv oder freundlich. Ein gmögiger Kerl. Der «gute Kompromiss» in Person, wie CVP-Präsident Christophe Darbellay sagt.
Rösti beherrscht die Kunst der Konzilianz, vielleicht so gut wie kein anderer in der SVP. Im vergangenen Herbst war er nationaler Wahlkampfleiter. Als er in Fernsehdebatten sein Bubenlachen lächelte und die Hände in die Luft schlug, wirkte er brav wie ein Musterschüler. Und seine Voten erst: sanft und betont verbindlich.
Die SVP sei gerne bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, sagte Rösti: «Wir wollen keinen Anti-Reflex provozieren.» Nie würde Albert Rösti jemanden offensiv angreifen, über verbale Entgleisungen ist nichts bekannt. In der Partei wird er auch mal gern als «Anti-Mörgeli» bezeichnet.
Und jetzt soll um diesen Rösti, 48, also die neue Führungsspitze der Partei aufgebaut werden. Den Segen dafür hat er, andere Kandidaten für das Präsidenten-Amt dürften kaum Chancen haben.
Erst vor fünf Jahren wurde er für die Berner SVP in den Nationalrat gewählt. Dort galt er zuerst als unauffälliger Agrarpolitiker. Im Sommer 2013 übernahm er das Amt des Wahlkampfleiters. Kurz zuvor verliess Rösti den Verband der Schweizer Milchproduzenten nach einem Richtungsstreit.
Im Wahlkampf setzte er auf geschickte Listenverbindungen, defensive Slogans («Frei bleiben!») und einen anständigen Ton. Nüchternheit sieht er als striktes Gebot. Für Albert Rösti ist klar: «Ich habe meinen Stil und werde diesen behalten.» Ein Mitglied der SVP-Spitze sagt, Rösti gehe Konflikten aus dem Weg.
Ist von dem Mann zu erwarten, dass er die Partei handzahm machen wird? Wird er den Zürcher Hardlinern um Christoph Blocher gar die Stirn bieten? Kaum. In Stilfragen mag Albert Rösti von der Parteilinie abweichen – stärker noch als der abtretende SVP-Präsident Toni Brunner, eine Frohnatur. Inhaltlich jedoch ist er auf Kurs: Sein politisches Profil entspricht laut der Wahlplattform Vimentis ziemlich genau dem der Parteimitte. Im Nationalrat hat er kaum je gegen seine Partei gestimmt. Und ein Wechsel zur BDP kam für den Berner nie infrage.
«Wer mich wählt», sagt Rösti, «wählt Kontinuität.» Den eingeschlagenen Weg der Partei wolle er weitergehen, gerade in der Migrationspolitik und in Europafragen. Oder mit seinen Worten: «Die Schweiz muss ihre Unabhängigkeit behalten.»
Zweifel daran, dass die SVP unter Rösti nicht von ihrem nationalkonservativen Programm abweicht, hat freilich niemand. Der Wechsel an der Parteispitze ändere kaum etwas, sagt etwa FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis.
Spannender ist da schon die Frage, wer die weiteren Schlüsselposten der Partei besetzen wird. Die Parteileitung der SVP hat am Samstag eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der künftigen Parteistruktur befasst. Geleitet wird diese von Toni Brunner, mitarbeiten werden neben Albert Rösti auch Fraktionschef Adrian Amstutz und Generalsekretär Martin Baltisser. Am 23. April werden alle Organe der Partei erneuert. In den Fokus rückt nun die Frage, wer künftig eines der sieben Vizepräsidien besetzt.
SVP-Doyen Christoph Blocher hat gestern angekündigt, die Parteileitung zu verlassen. Der Aargauer Nationalrat Luzi Stamm sagt, er wolle dieser gern weiterhin angehören. Als gesichert gilt der Verbleib des Walliser Staatsrats Oskar Freysinger, den Albert Rösti als «unsere Verankerung in der Westschweiz» bezeichnet. Unklar sind die Pläne von Walter Frey. Der langjährige Nationalrat aus Zürich ist in der Öffentlichkeit kaum mehr präsent, an Sitzungen lässt er sich gerne entschuldigen. Als Financier ist der milliardenschwere Unternehmer allerdings unverzichtbar. Gegenüber der «Nordwestschweiz» lässt er offen, ob er Vizepräsident bleiben will oder nicht. Dies sei Sache der Parteileitung, sagt Frey. Albert Rösti spricht diesbezüglich von positiven Signalen, während Toni Brunner eher mit einem Rücktritt rechnet.
Interessant dürfte auch sein, wer von der neuen Generation der «Blocher-Treuen» in die Parteileitung aufgenommen wird. Zwei SVP-Parlamentarier bestätigen im Gespräch, dass die Bündner Neo-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher und ihr Zürcher Ratskollege Roger Köppel dafür in Betracht kämen. Welche Ambitionen hegen die beiden?
Auf Anfrage sagt Martullo: «In der SVP gibt es zahlreiche kompetente Persönlichkeiten, die für die Parteileitung infrage kommen.» Natürlich unterstütze sie die SVP Schweiz immer gerne, solange dies mit ihren «Verantwortungen als Unternehmerin der EMS-Chemie» und als Nationalrätin zu vereinbaren sei. Sie könne sich aber auch gut ausserhalb eines Amtes einbringen. Roger Köppel war gestern derweil nicht erreichbar.
Und Christoph Blocher? Nach seiner Ankündigung, auch das letzte Amt in der Partei aufzugeben, mutmassten manche am Sonntag schon über seinen Abgang aus der Politik. Bis sich der 75-jährige Parteidoyen am Nachmittag zu Wort meldete und heftig dementierte. Der Rückzug vom Vizepräsidium bedeute für ihn keinen Rückzug aus der Politik, betont Blocher. «Meine Aufgabe sehe ich in der Auseinandersetzung zwischen der Classe politique und der Bevölkerung.»
(trs)