Die Ergebnisse der neuesten PISA-Studie sorgten gestern für massive Kritik: Die 15-jährigen Schweizer Schüler belegen in Mathematik immer noch den Spitzenplatz in Europa. Ihre Leistungen in der PISA-Studie 2015 sind allerdings durchwegs tiefer als 2012. Die Lesekompetenz ist gar auf das Niveau von 2000 zurückgefallen. Gestern zweifelten Vertreter von Bund, Kantonen und der Lehrerschaft vor den Medien die Aussagekraft des weltweit wichtigsten Schülervergleichstests an.
Folgende Kritikpunkte kamen zur Sprache:
Stefan C. Wolter, Leiter der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung, wies an der Veranstaltung auf die Schwächen des computerbasierten Tests hin. Bei Pilot-Tests habe die Gruppe am Computer 2014 in der Schweiz deutlich schlechter abgeschnitten als die Papier-und-Bleistift-Gruppe. In andern Ländern sei das Resultat umgekehrt ausgefallen. Das zeige, dass der computerbasierte Test von Land zu Land unterschiedliche Auswirkungen auf die Resultate habe.
«In Schweizer Schulen lernen die Kinder, zuerst die ganze Prüfung anzuschauen, um die einfachen Aufgaben prioritär zu lösen», zitiert ihn der «Tages-Anzeiger» in der heutigen Ausgabe. Die Forschung belege zudem, dass Knaben bei computerbasierten Tests besser abschneiden würden als Mädchen.
Die Schweiz hat 6600 Schüler getestet; 2012 waren es noch 20'000 gewesen. Die Verkleinerung der Test-Gruppe hat Auswirkungen auf den Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Der Anteil fremdsprachiger Jugendlicher nahm um ganze zehn Prozentpunkte zu. Das ist statistisch nicht korrekt. Christoph Eymann, Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), kritisierte laut der NZZ: Ein Drittel der Verschlechterungen beim Lesen und fast zwei Drittel in der Mathematik und in den Naturwissenschaften seien allein darauf zurückzuführen.
Die Differenz gegenüber der alten Skala beträgt minus 8 PISA-Punkte – das entspreche etwa einem Vierteljahr Schulstoff, wie Jürg Brühlmann vom Schweizerischen Lehrerverband laut dem TA sagte.
Üblicherweise verfasst die EDK jeweils einen Bericht zu den PISA-Resultaten. Nicht so dieses Jahr. Weil die Ergebnisse «nicht interpretierbar sind», wie Eymann laut dem TA betonte.
Jürg Brühlmann geht noch weiter: «Wenn sich die OECD dieser Diskussion nicht stellt, drängt sich ein Ausstieg der Schweiz auf.»
Rückendeckung erhält er vom Zürcher Verband für Lehrerinnen und Lehrer. «Die Schweiz muss sich ernsthaft fragen, ob die Studie das Geld noch wirklich wert ist», sagte dessen Präsidentin Lilo Lätzsch im Interview mit dem TA.
(rwy)