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Show vor Substanz: So lässt sich die Debatte im Nationalrat zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative auf den Punkt bringen. Zumindest gilt dies für die dreistündige Eintretensdebatte, die live im Schweizer Fernsehen übertragen wurde. Wie im Vorfeld zu befürchten war, nutzten zahlreiche Ratsmitglieder dieses Schaufenster, um sich am Rednerpult in Szene zu setzen.
Eine Hauptrolle spielte dabei der Berner Nationalrat und SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz. Der «Richard Gere der Alpen» monopolisierte zeitweise das Mikrofon. Den Vogel schoss er ab, als er eine Flasche ohne Inhalt vorzeigte: «Mir kommt das, was heute vorgeschlagen wird, wie eine Flasche Cola Light vor ohne Cola drin.» Es war eine ziemlich plumpe Anspielung auf den von der Mehrheit der vorberatenden Kommission beschlossenen «Inländervorrang light».
Am Ende hiess es «Flasche leer» für die SVP, um die legendäre Wutrede zu zitieren, die Giovanni Trapattoni als Trainer des FC Bayern München vor 18 Jahren gehalten hat. Die Volkspartei blitzte mit ihrem Rückweisungsantrag ebenso ab wie mit allen Änderungsanträgen. Eines aber musste man der SVP lassen. Bei der Selbstinszenierung macht ihr niemand etwas vor. So liessen sich Amstutz und Co. am Rednerpult von Mitgliedern der eigenen Fraktion befragen.
Die SVP schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie konnte mit diesem Trick ihre Redezeit in die Länge ziehen und sich ausgiebig der televisionären Öffentlichkeit präsentieren. Besonders ins Zeug legte sich Nationalrat und «Weltwoche»-Chef Roger Köppel. Er knöpfte sich seinen neuen Lieblingsfeind vor, den Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri. Dieser gilt als Architekt des «Inländervorrangs light» und durfte als Kommissionssprecher auftreten.
Mehrfach zitierte Köppel aus einem «20 Minuten»-Interview, das Fluri im Dezember 2014 gegeben hatte. Er habe darin versichert, man werde bei der Umsetzung nicht vom Initiativtext abweichen. Fluri aber blieb während der gesamten Debatte ruhig. Am Ende versuchte der Zürcher Nationalrat Thomas Matter erneut, ihn zu provozieren. Er fragte ihn, ob er die Abstimmung vom 9. Februar 2014 für überflüssig halte. Fluri cool: «Das ist die gleiche alte Platte wie vorhin.»
Weniger ruhig verlief ein Schlagabtausch zwischen Adrian Amstutz und dem Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth. Dabei trafen genau die richtigen aufeinander: Sie sind telegen, redegewandt und gehen keinem Streit aus dem Weg. In dieser Debatte aber erreichten sie ein für hiesige Verhältnisse bedenklich tiefes Niveau. Wermuth lüge Parlament und Bevölkerung an, giftelte Amstutz und legte noch einen drauf: «Sie verraten Ihre eigene Arbeiterschaft.»
Nun wählt die Arbeiterschaft heute in erster Linie SVP, sofern sie überhaupt wählen darf. Cédric Wermuth jedenfalls liess dies nicht auf sich sitzen, er wies den Vorwurf der Lüge «in aller Form kategorisch zurück». Bei der SP war die Empörung riesig. Der Berner Nationalrat Corrado Pardini nahm sich in der Wandelhalle den Zürcher SVP-Nationalrat und Rechtsprofessor Hansueli Vogt zur Brust. Am Ende aber waren Linke und Grüne auf der Siegerseite, im Gegensatz zur SVP.
«Für das Volk war es ein schlechter Tag, nicht für die Partei», meinte SVP-Chef Albert Rösti gegenüber watson. Einen schlechten Tag hatte auch ein weiterer Hauptdarsteller, CVP-Präsident Gerhard Pfister. Er wollte die Vorlage der Kommission verschärfen. So sollte der Bundesrat auch gegen den Willen der EU Massnahmen zur Einschränkung der Zuwanderung ergreifen können.
Im Nationalrat aber hatte der Zuger nur mit jenem Antrag Erfolg, der eher eine Abschwächung darstellt. Bei den Kurzaufenthaltern soll es eine Lockerung geben, von der in erster Linie Landwirtschaft und Tourismus profitieren dürften. Kritiker wittern darin einen Versuch, das umstrittene Saisonnierstatut durch die Hintertüre wieder einzuführen. Mit seinen Forderungen nach einer Verschärfung aber scheiterte Pfister, wenn auch knapp mit wenigen Stimmen.
Er konnte am Ende nur auf die SVP zählen. Die FDP blieb fast geschlossen der Linie treu, die Kurt Fluri vorgegeben hatte. «Die Vernunft setzt sich durch», teilten die Freisinnigen nach der Monsterdebatte mit. Gerhard Pfister hofft nun auf den Ständerat. Derzeit deutet jedoch vieles darauf hin, dass der «Inländervorrang light» bis zum Ende der Beratungen bestehen wird, denn ohne namhafte Unterstützung von Seiten der FDP wird die CVP auch in der kleinen Kammer scheitern. Sie wird die Vorlage in der Wintersession behandeln, wohl um einiges gesitteter als der Nationalrat.