Am Eingang des Freubad in Solothurn ist die Stimmung noch etwas angespannt, die Besucher geben ihr Ticket ab und erhalten ein Bändchen. Durch eine Umkleidekabine, in der man auf andere Gäste im Bademantel stösst, gelangt man in den Garten zu den Pools und zum Boxring. Hier sind alle entspannt, liegen in der Sonne, essen und warten auf den Start des ersten Kampfes.
Ist dies die Antwort auf die Krise, die solche «Fight Nights» zur Zeit haben? Den Veranstaltern fehlt es oft an Sponsoren und es ist schwer, eine Location zu finden: «Wenn du einen Austragungsort suchst, bleibt die Türe so lange offen, bis du sagst, dass es um Thaiboxen geht. Dann knallt sie vor deiner Nase zu», sagt Oliver Riesen, Besitzer des Gyms Strike Zone.
Die Fight Time 4 ist die erste Kampfsportgala, die in einem solchen Etablissement stattfindet. Die Gäste sind sehr verschieden, vereinzelt sieht man auch Besucherinnen. Neben mir hockt ein älterer Herr in einem locker sitzenden Bademantel. Die leicht bekleideten «Girls» am Pool hinter mir zwinkern hie und da den Kämpfern zu, die sich im hinteren Bereich des Gartens bereit machen.
Dann geht es los. Alle Blicke bewegen sich für einmal von den Frauen am Pool weg in Richtung Ring. Sieben Kämpfe stehen den Gästen bevor. Nachdem der Moderator darauf aufmerksam gemacht hat, dass nicht gefilmt werden darf, besteigen die «hauseigenen» Nummerngirls den Ring. Die Zuschauerin vor mir sagt: «Mein Gott, sind das hohe Schuhe!» Alles geht glatt über die Bühne und der Ringrichter eröffnet den ersten Kampf.
In der Pause hole ich mir Pouletbrust und Nudeln vom Buffet, während immer wieder Gäste in das Innere des Bordells verschwinden. Ich frage Leonardo «Dado» Irmici, Besitzer des Dado Gym, wie es so läuft. «Die Sonne scheint, die Stimmung ist super und meine Kämpfer gewinnen. Ich denke, wir können von einem Erfolg sprechen», sagt er und lächelt.
Nächster Kampf. Einer der Boxer hat «Candy Shop» von 50 Cent als Einlaufmusik gewählt. Den «Girls» gefällt der Sound anscheinend und sie beginnen zu tanzen, was wiederum allen anderen gefällt. Die Stimmung nähert sich dem Höhepunkt.
Der Besitzer ist ebenfalls vor Ort. «Die Idee habe ich von Brasilien. Dort tragen sie sogar Thaiboxkämpfe in Einkaufszentren aus. Da habe ich mir gesagt, warum nicht bei uns im Freubad?» Auch er wirkt zufrieden.
Der letzte Kampf geht mit einem Paukenschlag zu Ende: Einer der Kämpfer dreht sich spektakulär und trifft den Gegner mit dem Ellenbogen im Gesicht. Alle schreien. K. o. in der dritten Runde. Der Sieger verabschiedet sich mit einem Rückwärtssalto und steigt aus dem Ring.
Nach den Fights schäkern die «Girls» weiter mit den Kämpfern, fast alle bewegen sich in Richtung Ausgang. Dort gibt es noch eine 30-Franken-Rabattkarte für den nächsten Besuch im Bordell. «Hat's dir gefallen?» Ja, war spannend. Es ist 22 Uhr und der normale Betrieb wird wieder aufgenommen. Die Anzahl der «Girls» hat sich verdoppelt.
Die Veranstalter ziehen ein Fazit: «So wie uns der Besitzer des Freubad empfangen hat und wie der Event verlaufen ist, könnte ich mir gut vorstellen, dass irgendwann nochmals ein Event der Swiss Muay Thai League (SMTL) im Freubad ausgetragen wird», sagt Dado. Der Besitzer ist einverstanden: «Die Gäste waren begeistert, darum hat es sich für uns auf jeden Fall gelohnt. Wir sind gerne bereit, unsere Location für solche speziellen Events zur Verfügung zu stellen.»
Also waren alle zufrieden? Nicht alle. «Ein Trainer aus Frankreich hatte gewisse Probleme mit dem Austragungsort. Es ist Ramadan und er wollte nicht durch ein Puff hindurchgehen, also ging er aussen herum», so Dado.
Die Zusammenarbeit scheint sich dennoch gelohnt zu haben. «Es ist jetzt aber nicht so, dass wir alle Anfragen von anderen Freudenhäusern annehmen würden, sonst hiesse es noch, wir hüpfen von Puff zu Puff. Die SMTL ist eine professionelle Liga. Wir wollen diesen Ruf auch so beibehalten und weiter ausbauen», sagt Dado.
Genau darin sieht Mitgründer der SMTL Oliver Riesen, der am Samstag als Punktrichter fungierte, das Problem: «Ich bin nicht der Meinung, dass professionelle Thaiboxkämpfe in einem Bordell stattfinden sollten. Auch wenn die Stimmung am Samstag gut war, verlieren wir so an Glaubwürdigkeit gegenüber der breiten Öffentlichkeit. Ich brauche ein gewisses Mass an Professionalität um die Zielsetzungen zu erreichen, welche ich für meine Eventreihe als Notwendig sehe, um dem Sport ein seriöses Image zu vermitteln und potenzielle Sponsoren für den Sport zu gewinnen. Erst gerade habe ich zum Beispiel einen Kooperationsvertrag mit der thailändischen Topmarke S-1 (Onesongchai-Promotions) abgeschlossen, der später einmal zum Sprungbrett für Schweizer Kämpfer in den internationalen Wettkampf (asiatischen Raum) werden soll.»