Der eingeschlagene Weg der neuen Vereinsführung beim FC Basel zeigte sich auch in der Trainerwahl. Der Nachfolger von Urs Fischer ist kein gestandener Name im Business, sondern der bisherige U21-Coach Raphael Wicky.
Angesichts der neuen Strategie, präsentiert vor zwei Wochen an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung, hätte es nicht gepasst, wenn der FC Basel ein (alt)bekanntes Gesicht als neuen Cheftrainer präsentiert hätte. Die neue Führungscrew um Präsident Bernhard Burgener und Sportchef Marco Streller möchte künftig vermehrt Spieler aus dem eigenen Nachwuchs ins Kader der Profimannschaft integrieren.
Wicky schien dafür prädestiniert – und erhielt nach dem ersten Gespräch am Dienstag den Job, seinen ersten als Trainer einer Profimannschaft. Die etwas mehr als einstündige Präsentation seines Konzepts habe die technische Kommission derart überzeugt, dass der Entscheid einfach und einstimmig ausgefallen sei, verriet Streller.
Am Freitag unterschrieb Wicky vier Tage vor seinem 40. Geburtstag für zwei Jahre mit Option auf eine weitere Saison. Auf die Frage, warum er der richtige Mann für die Aufgabe sei, antwortete er selbstbewusst: «Ich bin ein gutes Gesicht für dieses Projekt. Ich bin von meiner Fachkompetenz überzeugt. Nach sieben Jahren in diesem Bereich war es Zeit für den nächsten Schritt», so Wicky. «Ich habe langsam eine Stufe nach der anderen genommen.»
In den letzten Tagen war Thorsten Fink in der Stadt gesichtet worden. Mit dem zweifachen FCB-Meistertrainer, aktuell bei Austria Wien unter Vertrag, habe man sich auch ausgetauscht. «Aber», hielt Streller fest«, »Raphael Wicky war unsere erste Wahl.« Für den designierten Präsidenten Burgener paart Wicky «Kompetenz und Enthusiasmus».
Die internen Abläufe kennt Wicky bestens. Seit 2013 ist der Oberwalliser als Nachwuchstrainer beim FCB angestellt: in den ersten drei Jahren als U18-Coach, seit letztem Sommer mit beachtlichem Erfolg in der U21. Das nicht aufstiegsberechtigte Team belegt in der drittklassigen Promotion League den 3. Rang. Viel wichtiger aber ist, dass mehr als ein halbes Dutzend von Wickys Spielern bereits in der ersten Mannschaft zum Einsatz kam.
Seine eigene Karriere hatte der Mittelfeldstratege aus Steg 2009 nicht zuletzt wegen gesundheitlicher Beschwerden beenden müssen. Daraufhin stieg er in der Nachwuchsabteilung des FC Thun ein und wechselte ein Jahr später in den Juniorenbereich von Servette, von wo ihn dann sein langjähriger Weggefährte Adrian Knup nach Basel lotste.
Als Spieler gehörte Wicky lange Jahre zum Stammpersonal im Schweizer Nationalteam. Zwischen dem Debüt im April 1996 in Lugano gegen Wales und dem Rücktritt absolvierte er im defensiven Mittelfeld 75 Einsätze, war an zwei Europameisterschafts-Endrunden und einer Weltmeisterschaft dabei.
Auf Klubebene sammelte er Erfahrungen in der Bundesliga (Werder Bremen, Hamburger SV), bei Atlético Madrid in der Segunda Division, vor dem Wechsel zu den namhaften Klubs im Ausland in der NLA respektive nach der Rückkehr zu Sion in der Super League sowie zum Abschluss der Karriere in der nordamerikanischen Major League Soccer bei Chivas USA. Nicht zuletzt deshalb spricht Wicky fünf Sprachen.
In Sachen Spielphilosophie hat Wicky klare Vorstellungen. «Im taktischen Bereich möchte ich flexibel sein. Ich mag und will offensiven, attraktiven Fussball. Das Team soll Emotionen wecken, Leidenschaft zeigen, damit der Fan ins Stadion kommt und es gerne spielen sehen will.» Es tönte wie ein Plädoyer für die Aufbruchstimmung, die beim bald 20-fachen Schweizer Meister herrscht. Der Entscheid der neuen Vereinsführung, auf einen auf diesem Niveau als Trainer unerfahrenen Mann zu setzen, ist mutig, aber letztlich nicht mehr als konsequent.
Es passt ins neue Bild des FC Basel, dass der bisherige U21-Coach befördert wird. Marco Streller nannte bei Wickys Präsentation einige Beispiele aus dem Ausland, bei denen die Massnahme gefruchtet hat: in Barcelona (Pep Guardiola), in Mainz (mit Thomas Tuchel oder Martin Schmidt) oder etwa bei Hoffenheim mit Julian Nagelsmann. «Diese grossartige Geschichte in Hoffenheim zeigt doch, dass man keine Rücksicht auf das Alter nehmen muss, wenn man von etwas überzeugt ist», so Streller.
Die Ziele des FC Basel werden die gleich hohen wie vor dieser Saison bleiben: Meister werden, den Cup gewinnen, sich für die Champions League qualifizieren und europäisch überwintern. So verlautete es vor zwei Wochen anlässlich der ausserordentlichen Mitgliederversammlung des FCB. «Ich kann mich vollständig damit identifizieren», sagte Wicky. «Basel ist der beste und erfolgreichste Verein der Schweiz. Das wollen wir auch mit dem klaren Konzept bleiben, das Bernhard Burgener vorgestellt hat.»
Noch immer mag es Wicky nicht, wenn er zu viel über sich reden muss. «Ich brauche mein Gesicht nicht jeden Tag in der Zeitung zu sehen», so der ehemalige Schweizer Internationale. Seine Präsenz als Cheftrainer der ersten Mannschaft wird indes ein x-faches grösser sein als bislang. Dem ist er sich bewusst. Er sagte: «Ich werde authentisch bleiben.»
Als Spieler war Wicky bei drei Klubs mit grossen Namen tätig (Werder Bremen, Hamburger SV und Atletico Madrid), immer fiel er als «Teamplayer» auf. Schon damals interessierte er sich dafür, wie ein Trainer seine Mannschaft zwischenmenschlich erreichen konnte. An Thomas Doll imponierte ihm die Empathie. Huub Stevens, der ihn in Hamburg aussortierte, kommunizierte ebenso direkt und ehrlich wie Luis Aragones bei Atletico Leidenschaft und Passion zeigte. «Ich habe 15 Jahre als Profi gespielt, habe manche Kabine gesehen und manchen Trainer erlebt. Es ist ein grosser Erfahrungsschatz, den ich mitnehmen konnte», so Wicky.
Dass er sich davon nichts kaufen kann, weiss er genauso gut wie Marco Streller. «Wir sind uns bewusst, dass die Fussstapfen sehr gross sind. Aber wir handelten aus Überzeugung», sagte der designierte Sportchef. «Wer eine so grosse Aufgabe übernimmt, muss selbstbewusst sein, aber gleichzeitig Respekt und die nötige Demut zeigen.» Diese Aussage bezog sich auch auf die Arbeit der neuen Crew, deren jüngstes Puzzleteil die Bekanntgabe des Cheftrainers war. Ab Montag gilt das Augenmerk dann bereits der Kaderplanung für die kommende Saison. (sda)