Früher waren nur echte Sportler gedopt. Eine verschworene kleine Gruppe von echten Leistungsträgern. Auch der Handel mit Dopingmitteln fand nur in diesem kleinen Kreis statt. Normale Leute kamen nicht in Kontakt mit diesen Substanzen – in der Regel wussten sie nicht einmal, dass es sie gibt.
Dass dies heute anders ist, hat mit dem veränderten Körperbewusstsein zu tun. Wir haben früher nicht gedopt, um besser auszusehen, sondern weil man in gewissen Sportarten sonst einfach chancenlos war. Das hat sich verändert.
Citius, fortius, altius [schneller, stärker, höher – das Motto der Olympischen Spiele, Anm. d. Red.] zählt nicht mehr. Die Jungen dopen sich, um ein Sixpack zu haben, um schöner zu sein. Sportliche Resultate sind denen egal. Sie wollen Likes auf Facebook.
Dazu kommt, dass die Altersgrenze wesentlich gesunken ist. Unter 18-Jährige blasen ihre Muskeln auf, weil ihre Vorbilder aus dem Showbusiness, Rapper und Hollywoodstars, dies ebenfalls tun. Das Problem ist, dass die jungen Burschen das dann unkontrolliert tun. Ohne ärztliche Aufsicht.
Und dann ernähren sie sich falsch. 90 Prozent dieser Leute haben keine Ahnung von Ernährung und keine Ahnung von Training, was dazu führt, dass auch die Wirkung der Anabolika sich nicht voll entfalten kann. Statt besser zu trainieren und sich über Ernährung zu informieren, dopen sie einfach noch härter. Und das ist dann gefährlich und dumm, entspricht aber dem Zeitgeist.
Mit Doping kann man die Leistung vielleicht zehn bis zwanzig Prozent steigern – aber eben nur die Leistung, die der entsprechende Körper hergibt. Du machst aus einem Schwein ein schnelles Schwein, aber nie ein Rennpferd. Genetik wird unterschätzt.
Die Menge macht das Gift – und die Nebenwirkungen. Zu meinen Spitzenzeiten kam es schon mal vor, dass ich am Morgen aufstand und zehn Minuten lang nichts hörte. Oder dass ich Blut pisste. Dann ging ich zum Arzt und nach der Analyse der Laborwerte wurde die Dosis neu eingestellt.
Dopingmittel sind keine Smarties. Früher dopten wir mit normalen Pharmazeutika, doch dank der Forschung und neuen Medikamenten kann man in vielen Anwendungsbereichen in der modernen Medizin auf anabole Steroide verzichten. Und deshalb haben die grossen Pharmafirmen die Herstellung von anabolen Steroiden heruntergefahren.
Das hat zur Folge, dass die heutigen Dopingmittel oftmals in irgendwelchen Underground-Labors hergestellt werden. Dass diese Produkte nicht im selben Ausmass getestet werden, liegt in der Natur der Sache – bedeutet aber wiederum eine Gefahr für uninformierte Konsumenten.
Ich bin immer wieder überrascht, wie leichtgläubig die Jungen heute Mittel zu sich nehmen, die irgend ein Dealer ihnen in der Bahnhofstoilette verkauft hat.
Polen ist für seine Doping-Labore bekannt. Dort fliegen auch immer wieder ein paar auf – vor allem, wenn sie zu gross werden. Man munkelt, auch in der Schweiz gäbe es solche Labors. Genaueres weiss ich dazu aber nicht.
Stichwort «Roid Rage» – auch so ein Mythos. Aggressiv wird man in der Regel nicht während einer Kur, sondern wenn man absetzt. Es müsste also eher «Nicht-mehr-Roid-Rage» hiessen. Ich habe bisher nur ein einziges Anabolikum ausprobiert, das mich explizit aggressiv gemacht hat. Und das war XXXXXXXXX*. XXXXXXXXX* ist vor allem bei Profi-Boxern beliebt. Ich hatte einen derartigen Überschuss an Kraft und Energie, dass ich fast explodierte.
Ähnlich falsch sind die Mythen bezüglich Sexualität. Es gibt Anabolika, welche die Lust fördern – insbesondere die Kombinationen von verschiedenen Anabolika. Ein Problem ist das allerdings nicht. Dann holst du dir einen runter und gut ist. Zum Triebtäter wirst du deswegen nicht.
Es gibt aber auch Anabolika und Kombinationen, die das Gegenteil bewirken. Dann bekommt man Probleme mit der Rute.
Die vielbesungene Impotenz der Bodybuilder ist aber meist nicht die Folge von Doping sondern vom sehr niedrigen Fettanteil am Ende der Definitionsphase. Die sind so schlapp, weil sie kein Fett mehr haben – und in der Regel nicht, weil sie dopen.
Ich berate niemanden hinsichtlich Anabolika. Bevor man zu Dopingmitteln greift, muss man vorher alles ausschöpfen: das Training, die Ernährung, die Erholungsphasen. Und wenn es dann irgendwann einmal in Richtung Leistungssport gehen soll, dann kann man sich das überlegen. Vorher nicht.
Ich dopte erst mit 25 Jahren zum ersten Mal – da war ich aber schon Leistungssportler. Ich hatte es mir quasi erarbeitet, in den Zirkel aufgenommen zu werden.
Als Anabolika-Konsument ist man in der Gesellschaft geächtet – der Alkoholkonsum hingegen wird glorifiziert. Ich verstehe das nur bedingt, auch wenn mir bewusst ist, dass Alkohol seit Jahrhunderten als legale Droge akzeptiert wird und eng mit der Menschheitsgeschichte verbunden ist. Die gesellschaftlichen Probleme, welche Alkohol verursacht, stehen aber in keinem Verhältnis zu denen, welche Anabolika verschulden.
Rückblickend würde ich schon einige Dinge anders machen. Heute kenne ich mich besser aus als damals und ich würde mit Sicherheit feiner dosieren. Doch wie sagt man so schön: Nach dem Krieg ist jeder General.
(Aufgezeichnet von watson)
*Wir erwähnen den Namen des Produkts nicht, weil wir der Meinung sind, dass diese Art von Aufklärung unnötig ist.