Seit zwei Wochen sitzt die kurdische Journalistin Hülya Emeç am Flughafen Zürich fest und kommt nicht weiter. In der Türkei wird sie per Haftbefehl gesucht, weswegen sie Anfang Jahr untertauchte und aus dem Land flüchtete. Am 15. Januar reiste sie in die Schweiz ein und bat um Asyl. Doch weil auf ihr Gesuch nicht eingetreten wurde, befindet sie sich seither in der Asylunterkunft in der Transitzone des Flughafens und darf weder ein- noch ausreisen. Ab Mittwoch droht ihr die Ausschaffung.
In der Türkei sorgt der Fall in der kurdischen Gemeinschaft seit Tagen für Aufruhr. Die 28-jährige Emeç arbeitete als freie Journalistin unter anderem für die pro-kurdische Nachrichtenagentur Dicle Haber, deren Redaktion nach dem Putschversuch Ende 2016 verboten und geschlossen wurde. Ausserdem schrieb sie für die Nachrichtenseite Gazete Karinca und den Lokalsender «VanTV».
Bereits 2009 ist sie während ihrer Arbeit als Journalistin in Istanbul von der türkischen Polizei festgenommen und zwei Jahre in Untersuchungshaft gesteckt worden. Der Vorwurf lautete: Unterstützung und Propaganda für eine terroristische Organisation – ein gängiger Vorwurf in der Türkei, wenn es um die Inhaftierung von politischen Gegnern von Präsident Recep Erdogan geht. Zahlreiche Kurden befinden sich deswegen in Haft. Der hierzulande bekannteste Fall ist jener vom «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel.
Laut Nesrin Ulu und Ahmet Tamer, Juristen des Vereins Migration Organisation Recht, welche Emeç in Sachen Rechtshilfe vertreten, sei es während der Untersuchungshaft zu Gewaltanwendungen und Folter gekommen.
Ende des vergangenen Jahres wurde Emeç vom obersten Gerichtshof in Ankara zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Für Juristin Ulu irritierend sei, dass man sich in den Gerichtsakten auf Aussagen eines geheimen Zeugens stütze, der Emeçs Mitgliedschaft in der Kurdenpartei PKK bestätige. «Um wen es sich bei diesem Zeugen handelt oder weitere Beweise für die Vorwürfe gegen Emeç sind nicht ersichtlich», sagt Ulu.
Als sie schliesslich zur Haft ausgeschrieben wurde, floh Emeç. Zuerst mit Hilfe von Schleppern nach Georgien, von dort aus weiter nach Brasilien. Ziel sei jedoch von Beginn weg die Schweiz gewesen, sagt Ulu. Weil sie hier Freunde und Bekannte habe.
Ausserdem stehe in der Schweiz die Chance auf Asyl verhältnismässig gut für türkische Staatsangehörige. Von 567 Gesuchen erhielten im vergangenen Jahr knapp 200 eine Aufenthaltsbewilligung oder eine vorläufige Aufnahme. Die Schutzquote lag Ende Jahr bei 38 Prozent.
Doch für die direkte Einreise in die Schweiz, hätte Emeç ein Visum benötigt. Ein solches konnte sie in ihrer Situation nicht beantragen. Also habe sie sich andere Wege suchen müssen, sagt Ulu. In Brasilien schliesslich gelang es ihr, ein Transitvisum für die Schweiz zu beantragen.
Als sie am 15. Januar am Flughafen in Kloten landete, stellte sie sofort ein Asylgesuch. Doch schnell kam die Antwort des Staatssekretariats für Migration (SEM): Auf das Gesuch wird nicht eingetreten. Dies, weil «am Flughafen nicht auf Asylgesuche eingetreten werde, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben und der über ein funktionierendes Asylsystem verfügt», wie es auf Anfrage beim SEM heisst.
Juristin Ulu findet die Situation paradox. Sie fragt sich: «Wie hätte Emeç denn einreisen sollen, wenn nicht über einen Drittstaat?» Sie geht davon aus, dass die Kurdin Asyl erhalten hätte. Doch wegen dem Nichteintretensentscheid hatte sie gar keine Möglichkeit, ihre Asylgründe den Behörden zu unterbreiten.
Beim Bundesverwaltungsgericht hat Ulu gegen den Entscheid des SEM Einsprache erhoben. Tritt das Gericht nicht auf die Beschwerde ein, droht Emeç ab Mittwoch die Ausschaffung nach Brasilien.
Das wolle man unbedingt verhindern, sagt Ulu. «Denn was in Brasilien mit ihr passiert, ist unklar. Die Situation für Flüchtlinge ist dort unzumutbar. Und sie könnte von dort aus in die Türkei zurückgeschoben werden, was für sie verheerend wäre.»