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Warum du den Luzerner «Tatort» nicht verpassen darfst

Fertig, Schweizer Selbstzweifel! Warum du den Luzerner «Tatort» nicht verpassen darfst

05.03.2017, 16:5005.03.2017, 18:01
Philipp Dahm
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Böses Erwachen: Reto Flückiger (Stefan Gubser) mit Liz Ritschard (Delia Mayer) am und im «Tatort».
Böses Erwachen: Reto Flückiger (Stefan Gubser) mit Liz Ritschard (Delia Mayer) am und im «Tatort».screenshot: srf

Bevor wir loslegen. lieber Leser, Hand aufs Herz: Welche Schulnote gibst du der bisherigen Arbeit des Luzerner «Tatort»-Duos Ritschard/Flückiger?

Du so?

Natürlich stellt sich diese Frage nicht ohne Grund, noch bevor die watson'sche Ermittlung aufgenommen wird: Ich zumindest habe das Gefühl, ich höre von Schweizern allenthalben, dass unsere TV-Kommissare mit ihren Kollegen aus dem grossen Kanton nicht mithalten könnten. Gerne auch mit Verweis auf den Münster-«Tatort», der meiner Meinung nach als Senioren-Komödie im ZDF besser aufgehoben wäre.

Wenn diese Leute nun erfahren, wie «Kriegssplitter» beginnt, werden sie sich bestätigt fühlen: Niemand mag einen «Tatort», bei dem die Polizisten ZUFÄLLIG da sind, wenn der Mord passiert. Und wer weiter liest, dass in einem Hotel, in dem Reto Flückiger eine Frau trifft und körperlich liebt, ein Journalist aus dem Fenster fliegt und stirbt, macht vielleicht so ein Gesicht:

Der Portier vom «Luzernerhof» denkt sich seinen Teil.
Der Portier vom «Luzernerhof» denkt sich seinen Teil.screenshot: srf
Herrliche Szene: Zwei Sekunden war das Opfer im freien Fall, errechnet TV-Polizistin Fabienne Hadorn und spekuliert, was dem Mann dabei durch den Kopf ging.
Herrliche Szene: Zwei Sekunden war das Opfer im freien Fall, errechnet TV-Polizistin Fabienne Hadorn und spekuliert, was dem Mann dabei durch den Kopf ging.screenshot: srf

Zugegeben – da werden auch bei mir Erinnerungen an den schlechtesten Tatort wach, den ich je gesehen habe: In seinem ersten, katastrophalen Fall stand Reto Flückiger nämlich eine FBI-Austausch-Polizistin zur Seite, mit der es ebenfalls eine Sexszene gab, die hier besser nicht in Worte gefasst wird.

Aber das SRF und die Produktionsfirma haben aus der harschen Kritik auf die misslungene Premiere gelernt, vieles verbessert und seither Episoden gedreht, die immer besser wurden. Die letzten Folgen waren meiner Meinung nach richtig gut – warum also immer diese schweizerische Selbstzerfleischung?

Ein Krimi zum Vergessen: Der erste Flückiger-Fall «Wunschdenken» mit Sofia Milos als FBI-Tussi.
Ein Krimi zum Vergessen: Der erste Flückiger-Fall «Wunschdenken» mit Sofia Milos als FBI-Tussi.Bild: srf

Dass der Luzerner Tatort heute in einer anderen Liga als damals spielt, zeigt doch schon allein das Gesicht des Hotelportiers oben, der Flückiger anguckt, als wolle er sagen: «Na, wohl zum Ficken hergekommen? Etwa verheiratet???» Und wo wir gerade dabei sind: Die Bettszene des Kommissars ist dezent, hat nichts Pathetisches und zeigt nur das Nötigste.

Früher war Flückiger noch der Typ «Geiler Stecher». Heute ist er ein Mensch mit Schwächen und Fehlern. Seine Liebelei ist tatsächlich verheiratet, die Situation nach dem Mord beklemmend, wie das Foto  ...
Früher war Flückiger noch der Typ «Geiler Stecher». Heute ist er ein Mensch mit Schwächen und Fehlern. Seine Liebelei ist tatsächlich verheiratet, die Situation nach dem Mord beklemmend, wie das Foto sehr schön zeigt.screenshot: srf

Der Zuschauer merkt auch gleich, dass hier ein erfahrener Regisseur inszeniert: Mit Tobias Ineichen ist es ein «Local», der den Tatort ins graue Betonhotel «Luzernerhof» verlegt, anstatt den Mord an dem Journalisten in einem schicken Schuppen am See in Szene zu setzen. Alleine die Kameraführung vom Portier zum einlaufenden Flückiger gleich am Anfang kann sich sehen lassen.

Doch zurück zu unserem Fall: Ritschard und Flückiger finden heraus, dass der Journalist im tschetschenisch-russischen Umfeld recherchiert hat. Seine Ex-Freundin weiss, dass der Mann Kriegsverbrecher aus Tschetschenien gejagt hat, die in der Schweiz untergetaucht sein sollen. Doch ob die Verflossene gänzlich unschuldig ist, muss sich selbstredend auch erst noch zeigen.

Was weiss die Ex des Opfers? Hatte sie beim Mord ihre Finger im Spiel?
Was weiss die Ex des Opfers? Hatte sie beim Mord ihre Finger im Spiel?screenshot: srf

Und was hat die Osteuropäerin mit dem Mord an dem Redaktor zu tun? Der Zuschauer wird gleich zu Beginn des Krimis Zeuge, wie die junge Frau illegal in die Schweiz einreist. Sie wird den Weg zu ihrem Bruder finden, der in der Schweiz ein neues Leben begonnen und eine Familie gegründet hat.

Joel Basman und Yelena Tronina spielen tschetschenische Geschwister.
Joel Basman und Yelena Tronina spielen tschetschenische Geschwister.screenshot: srf
Heile Schweizer Welt wird durcheinandergewirbelt: Der Zürcher Schauspieler Basman mit seiner TV-Familie.
Heile Schweizer Welt wird durcheinandergewirbelt: Der Zürcher Schauspieler Basman mit seiner TV-Familie.

An dieser Stelle soll nicht mehr von der Handlung verraten werden – dafür muss aber die Auswahl der Schauspieler hervorgehoben werden. Gemeint sind gar nicht mal die Kommissare Delia Meyer und Stefan Gubser, die für ihre Arbeit allerdings auch ein Lob verdient hätten, sondern (auch) die Nebendarsteller.

Etwa Yelena Tronina und Joel Basman, die als tschetschenisches Geschwisterpaar auf ganzer Linie überzeugen. Auch Basmans bodenständige Schweizer Frau, die Ex des Opfers, der untergetauchte Kriegsverbrecher oder der geheimnisvolle Killer sind brillant gecastet.

Noch ein Beispiel für gutes Casting: Der Typ rechts, man ahnt es, ist keiner von den Guten.
Noch ein Beispiel für gutes Casting: Der Typ rechts, man ahnt es, ist keiner von den Guten.screenshot: srf

Fazit

Ich bin «Tatort»-Fan, aber zuletzt wurde meine Leidenschaft schwer auf die Probe gestellt. Der letzte packende Fall ist schon lange her. Ich meine nicht den für mich gelungenen letzten Luzerner Fall «Freitod», der im September 2016 lief. Aber auch der «Tatort: Taxi nach Leipzig» ist mit der Ausstrahlung im November schon länger her.

Wer auch seit Monaten auf einen guten Krimi hofft, darf aufatmen: Die Durststrecke endet am 5. März*. Delia Mayer, Stefan Gubser und Regisseur Ineichen, der bereits seinen vierten Tatort gedreht hat, haben geliefert – nicht zuletzt dank des Drehbuchs von Stefan Brunner und Lorenz Langenegger.

Wenn du, lieber Leser, ehrlich bist, dann klicke nach dem «Tatort» nochmal in diese Story rein – und benote das Luzerner Team. Vielleicht liege ich falsch, aber ich könnte mir vorstellen, das deine zweite Notenvergabe besser ausfällt als die oben. Ausserdem kannst du noch mit den anderen diskutieren, was du gesehen hast. 

Also dann, bis später!?!

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Und wie siehst du das nach der Ausstrahlung?

* In einer ersten Version dieses Artikels war noch vom 8. März die Rede. Das ist nicht korrekt. 

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