Der 24. Dezember, sagt der Mann vom Fernsehen, sei die «Todeszone». Der Tag ohne TV-Zuschauer. Das Loch. Angenommen eine Sendung erzielt am 24. selbst satte 25 Prozent Marktanteil, so entspricht dies mickrigen 3 Prozent an einem normalen Tag. Eigentlich könnte man das Fernsehen am 24. schliessen. Oder endlich machen, was man immer schon mal ausprobieren wollte. Zum Beispiel Slow TV. Zum Beispiel «Füür».
Nun ist das langsame Fernsehen, das über Stunden unkommentiert eine Landschaft, ein Vogelhäuschen oder eine Bahnfahrt zeigt, nicht ganz neu. In Skandinavien erfasst das entschleunigte Slow TV ganze Bevölkerungen epidemisch. In der Schweiz gibt es seit Ende der 90er-Jahre den Helikopter-Porno «Swissview – Die Schweiz von oben» und zwar für ungefähr jede (schöne) Gegend der Schweiz. Keine DVD verkauft sich hierzulande besser als die «Swissview»-Filme, und laufen sie am Fernsehen, so sind hohe Einschaltquoten garantiert.
Unzählige Sendepausen wurden früher mit brennenden Kerzen gefüllt, und im September 2014 konnte man stundenlang ohne Ton Murmeli im Nationalpark beobachten. Oder auch einfach Bäume und Steine.
Und jetzt also «Füür»: Zwei Stunden lang brennt ein Feuer, Büsi Oona und Hündin Maïly machen ein bisschen Action dazu, aber nicht viel, schliesslich leben sie auch sonst friedlich miteinander im Haushalt eines Tiertrainers.
Das Feuer knistert werbefrei, und wer mag, kann übers Radio eins von drei zu «Füür» passenden Musikprogrammen zuschalten: Die Musikwelle spielt Volkstümliches im Helene-Fischer-Style, SRF2 Kultur ein klassisches Weihnachtskonzert von Mozart oder so, SRF3 nur dezent föhngewellten Weihnachtspop. Auf Twitter flackert #Füür, auf Facebook lassen sich flammende Weihnachtsgrüsse verschicken, online wird gestreamt. Multimedialer gab sich SRF selten.
Martin Schilt, der Mann vom Fernsehen, der «Füür» erfunden hat, erklärt die kleine Stube, «liebevoll, in Handarbeit» sei sie entstanden: Maïly liegt auf einer Schweizer Armeedecke, vor dem Cheminée steht ein Ochsner-Kübel, daneben ein altes Röhrenradio. Die Künstlerin Chantal Michel hat einen Stillleben aus Schinken von Albert Anker fotografiert und minimal verfremdet, es hängt jetzt an der Wand.
Das einzige Problem war das Holz. Denn was brennt schon zwei Stunden lang schön vor sich hin, ohne dass nachgelegt werden muss? Am Ende waren fette Buchenscheite die Lösung. Und was tut man jetzt zu «Füür»? Den Baum schmücken, den Alkohol fliessen lassen und «etwas rauchen», wie Slow-TV-Kenner sagen. Runterkommen von diesem rundum beschissenen Jahr. Wenigstens für zwei Stunden.
Denn leider läuft «Füür», von dem Kritiker schon wieder behaupten, dass da Gebührengelder verbrennt würden, bloss von 18 bis 20 Uhr. Eigentlich müsste es bis Mitternacht und darüber hinaus laufen. Doch falls das Experiment heuer ein Erfolg wird, dürfte das in Zukunft kein Problem sein. Und, liebe Kritiker, die Herstellung von «Füür» war billiger als einen amerikanischen Spielfilm für den gleichen Sendeplatz einzukaufen. Haltet also einfach die Klappe und beschränkt euch auf die «Stille» vor der «Nacht».
«Füür» läuft am 24. Dezember von 18 bis 20 Uhr auf SRF 2 und den Radiosendern SRF 2 Kultur, SRF 3 und Musikwelle.
Allerdings bei beiden in Nahaufnahme und ohne Tiere.
Ich warte nun auf die Formate wie "Gras beim Wachsen" oder "Farbe beim Trockner, heute Weiss Nr. 2, das Trocknen geht weiter"