Schnee und Krimis passen fabelhaft zusammen. Unter dem prächtigen Weiss kann alles Mögliche verborgen liegen: Blut, Leichen und andere dunkle Geheimnisse.
Das kennen wir aus skandinavischen Krimis, aus Serien wie «Fargo» oder «Trapped». «Wilder» folgt nun dem Beispiel. Die brandneue SRF-Krimiserie spielt in einem eingeschneiten Tal im Berner Oberland, im fiktionalen Bergdorf Oberwies. Ein magischer Ort, aber auch ein bedrohlicher. Denn 30 Jahre zuvor hat dort ein Bergsturz zwölf Schulkinder unter sich begraben.
Unter den Opfern war damals Rosas Bruder. Rosa Wilder, gespielt von Sarah Spale, ist eine Polizistin mit Ambitionen: Sie möchte sich in Kalifornien zur Profilerin weiterbilden. Doch dann wird ein prominenter Dorfbewohner ermordet, genau an jenem Tag, als ein reicher arabischer Investor in Oberwies sein Luxushotel-Projekt vorstellt. Gleichzeitig verschwindet die Tochter des Investors spurlos. Das kleine Bergdorf gerät international in die Schlagzeilen. Rosa nimmt sich des Falls an – und legt ihre grossen Pläne zuerst einmal auf Eis.
Wir treffen Rosa-Darstellerin Sarah Spale in einem Basler Café und äussern den Anfangsverdacht, dass sie einst vor einer ähnlichen Entscheidung stand. Viereinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass die heute 37-jährige Baslerin an der Seite von Oscar-Preisträger Jeremy Irons eine Schlüsselrolle in der Bestsellerverfilmung «Nachtzug nach Lissabon» spielte. Spale stand vor dem internationalen Durchbruch – verschwand dann aber von der Bildfläche.
«Die Familie hat Vorrang», sagt Spale, die seither zum zweiten Mal Mutter geworden ist, sich zur Primarlehrerin ausbilden liess und seit drei Jahren in einem Jugendzentrum arbeitet. «Und nach ‹Nachtzug nach Lissabon› kamen gar nicht so viele Rollenangebote rein.» Enttäuscht habe sie das nicht, winkt Spale ab. «Ich bin nicht der Typ, der seine Karriere forciert. Ich habe zum Beispiel gar keinen Agenten. Es ist umgekehrt: Wenn etwas auf mich zukommt, das ich toll finde, lasse ich mich darauf ein, wie jetzt mit ‹Wilder›.»
Die Serie stammt aus der Feder von Béla Batthyany und Alex Szombath und ist keine gewöhnliche Sonntagabendkiste – sondern ein hochwertig produzierter Krimi, der sich hinter Netflix und Co. nicht verstecken muss. Sein komplexer Fall entfaltet sich über sechs knapp einstündige Episoden.
Sarah Spale ist in ihrer bisherigen Schauspielkarriere nie eine derart grosse Verpflichtung eingegangen. Zur Vorbereitung auf den Dreh musste die Baslerin intensiv Berndeutsch büffeln und mittels Krafttraining ihre zierliche Figur kräftigen. Und auf Anraten von «Wilder»-Regisseur Pierre Monard hin setzte sich Spale mit den internationalen Krimiserien «Broadchurch» und «Top of the Lake» auseinander. In beiden steht ebenfalls ein weiblicher Ermittler im Vordergrund.
Das sei ein Schlüsselerlebnis gewesen, erzählt Spale. «Oft haben wir doch dieses Bild von Polizistinnen: breitbeinig, mit Lederjacke, sehr männlich. Doch bei ‹Top of the Lake› war das anders.» Ihr hat imponiert, wie die Kommissarin, gespielt von Elisabeth Moss, vor versammelter Truppe auch unsicher wirken konnte, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren. «Bei Rosa ist das ja ähnlich. Sie ist eine junge Frau und von der Statur her eher fein. Aber sie wirkt als Polizistin nie am falschen Ort.»
Die Männer in Oberwies – der Gemeindepräsident, der Tankstellenwart, sogar Rosas Vater – sind fast alle mürrisch, vorlaut und stur. Was braucht eine Ermittlerin, um sich unter ihnen zu behaupten? «Muss sie das?», fragt Spale zurück. «Rosa macht einfach ihr Ding und lässt sich von diesen Männern nicht einschränken, auch wenn sie sich schwer damit tun, Rosa ernst zu nehmen.» Wenn die Männer die Ermittlerin abschätzig als Rosle ansprechen, als wäre sie noch ein kleines Kind, lässt Rosa das einfach an sich abprallen.
Sarah Spale spielt das alles angenehm unaufgeregt, nie aufdringlich, immer souverän. «Was mich an Rosa fasziniert», sagt die Darstellerin, «ist die innere Spannung. Sie ist einsam und sehr verletzlich, gleichzeitig selbstständig und stark.» Im Vergleich zum eher impulsiven Bundeskriminalpolizisten Kägi (Marcus Signer), der an der Aufklärung des Mordes beteiligt ist, hört Rosa auf ihre Intuition. «Stärke ist ja nicht nur etwas Äusserliches», sagt Spale. «Ein sensibles Wesen hat in einer Ermittlung genauso Platz.»
Kurz vor der Fernsehpremiere von «Wilder» sei sie jetzt etwas nervös, gibt Sarah Spale zu. Denn die Anspannung würde sich nicht nur über einen Abend erstrecken, sondern über sechs Wochen. Dabei weiss sie genau, was einen guten Krimi ausmacht: «Ich mag es, wenn man als Zuschauer lange im Dunkeln tappt.» Spale lacht. «Mein Mann hat bei ‹Wilder› bis zum Schluss falsch getippt.»
«Wilder» 6 Episoden à ca. 57 Minuten. Ab 7. November jeweils Dienstags auf SRF 1.