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Werbeanrufe nerven – trotzdem bleibt es fast unmöglich, etwas dagegen zu tun

Werbeanrufe nerven – trotzdem bleibt es fast unmöglich, etwas dagegen zu tun

Unerwünschte Werbeanrufe nehmen nicht ab, sondern eher zu. Deshalb fordern Konsumentenschützer in der Schweiz, dass Telecom-Firmen mit technischen Massnahmen dagegen vorgehen. «Das bringt nichts», sagt Telecom-Experte Ralf Beyeler.
26.05.2015, 08:5226.05.2015, 15:33
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20'000 genervte Kunden wendeten sich in den letzten drei Jahren wegen unerwünschten Werbeanrufen an die Konsumentenschützer. Dabei handelt es sich nur um Beschwerden von Leuten, die sich um einen Stern-Eintrag im Telefonbuch bemüht haben, der solche Anrufe verhindern soll – und trotzdem angerufen wurden. 

Angesichts dieser Zahlen forderte die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) die drei grössten Festnetzanbieter Swisscom, UPC Cablecom und Sunrise vor zwei Monaten dazu auf, solche Werbeanrufe mit Hilfe von «technische Lösungen» zu unterbinden. Gemäss der SKS gibt es bereits kleinere Telecom-Unternehmen, die technische Lösungen, wie eine «Blacklist» von Call-Centern erfolgreich umsetzen – Anrufe von Nummern auf der Blacklist, werden einfach nicht durchgestellt. 

Juristische Probleme

Für die grossen Telecom-Unternehmen ist es aber nicht ganz so einfach: «Wir sind gemäss Fernmeldegesetz verpflichtet, Anrufe (auch Werbeanrufe) durchzustellen und dürfen diese nicht einfach sperren», sagt Swisscom-Mediensprecher Olaf Schulze. In Zusammenhang mit dem Vermerk im Telefonbuch sei im Fernmelderecht keine Ausnahme vorgesehen.

Nimmt das denn nie ein Ende?
Nimmt das denn nie ein Ende?Bild: shutterstock

Das Grundproblem liege darin, dass eine Firma, die mit einem Kunden bereits eine Vertragsbeziehung hat, den Stern im Telefonbuch nicht beachten muss. Diese darf den betreffenden Kunden demnach kontaktieren. Der Provider hingegen weiss nicht, bei welchen Anrufen dies zutrifft und bei welchen nicht.

Gibt es trotzdem Hoffnung?

Dennoch blieben die grossen Schweizer Telecom-Firmen nicht unbeeindruckt von den 20'000 Beschwerden. «Wir haben die Forderung vom SKS vernommen und sind gerne bereit, mit den Konsumentenschutz-Organisationen zusammen mögliche Lösungen zu erarbeiten», sagt Markus Werner, Mediensprecher von Sunrise zu watson. In welche Richtung dieser Lösungsansatz gehe, stehe aber noch offen.

Auch das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) hat Massnahmen ergriffen: Für den Juni ist laut Mediensprecherin Silvia Canova ein Hintergrundgespräch mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zu diesem Thema geplant. 

Zu früh gefreut

Telecom-Experte Ralf Beyeler von comparis.ch gibt sich allerdings wenig optimistisch, was technische Lösungen betrifft. Zwar sei es für die Telecom-Unternehmen grundsätzlich möglich, solche Werbeanrufe durch technische Massnahmen zu unterbinden. Nur: «Das bringt gar nichts», sagt Beyeler.

Ralf Beyeler ist Telecom-Experte des Vergleichsportals comparis.ch.
Ralf Beyeler ist Telecom-Experte des Vergleichsportals comparis.ch.twitter.com/ralfbeyeler
«Wir hätten eine Woche Ruhe, dann würde es erneut losgehen mit nervigen Anrufen.»
Telecom-Experte Ralf Beyeler

Das Problem sei folgendes: «Wenn kleine Provider eine ‹Blacklist› von Call-Center-Nummern führen und diese unterdrücken, stören sich die Call-Center nicht gross daran. Sollten aber die grossen Telecomgesellschaften Swisscom, UPC Cablecom und Sunrise solche Massnahmen einführen, würden die zwielichtigen Call-Center aber sofort auf andere Mittel zurückgreifen.»

Laut Beyeler können die Call-Center zum Beispiel unter einer falschen Nummer anrufen. Auf dem Display würde dann jede beliebige Nummer angezeigt, obwohl ein Call-Center-Anruf dahinter steckt. «Wir hätten eine Woche Ruhe, dann würde es erneut losgehen mit nervigen Anrufen», sagt Beyeler. 

Problem der Werbeanrufe von Regierungen unterschätzt? 

«Eine etwas aufwändige Möglichkeit dagegen vorzugehen wäre, das Kommunikationssystem zu ändern», sagt Beyeler. Dabei müsste der Telecom-Anbieter überprüfen, ob der eingehende Anruf tatsächlich von der angezeigten Nummer kommt. Ist dies nicht der Fall, wird der Anruf nicht durchgestellt. «Das erfordert allerdings eine staatsübergreifende Zusammenarbeit und für die Regierungen scheint das Problem der Werbeanrufe nicht wichtig genug zu sein, als dass dafür eine grundlegende Änderung des Systems in Frage käme», sagt Beyeler.

Eine solche Massnahme, auch wenn sie nur innerhalb der Schweiz für nationale Anrufe umgesetzt würde, wäre mit grossem bürokratischem Aufwand verbunden und Werbeanrufe aus dem Ausland würden weiterhin durchkommen.

Wir Konsumenten könnten das Problem aber auch selbstständig lösen: «Die einfachste Möglichkeit, wie wir Werbeanrufen den Garaus machen können, ist, einfach nicht mehr auf die Angebote einzugehen. Wenn nichts mehr gekauft wird, rentiert das Call-Center nicht mehr und wird dann die Anrufe einstellen. Wir müssen uns daher an der eigenen Nase nehmen», so Beyeler.

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Anded
26.05.2015 09:28registriert Oktober 2014
Einfache Gesetzesänderung würde genügen: Es können keine rechtsgültige Verträge per Telefon abgeschlossen werden.
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Lumpirr01
26.05.2015 09:27registriert März 2014
Ca 80% der Werbeanrufe stammen von Krankenkassen. Einfach ein bisschen schummeln und sagen, man sei 92 und die Frau 88 Jahre alt, dann ist das Gespräch meistens sehr schnell fertig!
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