Neunzig Pferde, achtzig Schweine, fünfzig Kühe, 25 Schafe, drei Geissen und zwei Hunde. Es gab einiges zu tun, als die Kantonspolizei Thurgau am Dienstagmorgen den Hof von Ulrich K.* in Hefenhofen räumte. Dem Pferdezüchter und Landwirt wird Tierquälerei vorgeworfen. In den letzten Tagen waren Bilder ausgemergelter Pferdekörper aufgetaucht. Jemand hat die Bilder verdeckt auf dem Hof aufgenommen (die «Nordwestschweiz» berichtete). Eine vom Kanton Thurgau eingesetzte Arbeitsgruppe hält die Bilder für echt, entzog Ulrich K. die Bewilligung, Tiere zu halten, und liess die Tiere schliesslich abtransportieren.
Auch Fahrzeuge der Armee waren im Einsatz. Um 13 Uhr fuhren Tiertransporter des Kompetenzzentrums Veterinärdienst und Armeetiere auf und begannen Pferde einzuladen. Die Armee kümmert sich nun um einen grossen Teil der Tiere. Es kommen auch Rekruten der RS 57 2 zum Einsatz.
Recherchen zeigen nun: Es war nicht das erste Mal, dass Angehörige der Armee bei Ulrich K. vorstellig wurden. Die Armee kaufte früher bei ihm Freiberger-Pferde. Wie viele es waren, wie lange er den Auftrag hatte und wie viel Geld Ulrich K. damit verdiente, konnte die Armee auf Anfrage nicht beziffern. Der damals zuständige Chefveterinär sei inzwischen in Pension gegangen und die einschlägigen Akten stünden nicht zur Verfügung.
Sicher ist nur, dass die Zusammenarbeit mit Ulrich K. im Jahr 2008 beendet wurde, weil er die Tierschutzverordnung nicht einhielt. Dies sagt ein Armeesprecher auf Anfrage. Der Verein gegen Tierfabriken (VgT) hat auf seiner Website die Befunde der Armee von damals aufgeschaltet. Deren Echtheit konnte die Armee zwar nicht bestätigen. Das Dokument wirkt vor den Hintergründen der heutigen Untersuchung aber plausibel. Die Armee kam zum Schluss: K. «verletzt systematisch und wiederholt in vielen Bereichen der Pferdehaltung die gültigen Tierschutzvorschriften.» Der Armee-Auftrag wurde Ulrich K. darum entzogen.
K. war mit dem Urteil der Armee-Veterinäre nicht einverstanden. Wie Armeesprecher Daniel Reist auf Anfrage offenlegt, hat Ulrich K. vor etwa vier Jahren versucht, den Armeeauftrag wiederzubekommen. Er stellte einen Wiedererwägungsantrag. Darauf hätten der Kommandant des Kompetenzzentrums Veterinärdienst der Armee und der Chef Veterinärdienst der Armee den Hof erneut besichtigt. «Sie lehnten eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit ab, weil für sie klar war, dass Herr K. die Tierschutzverordnung nicht einhielt», so Reist.
Der Vorgang zeigt: Die Praktiken auf dem Hof von K. waren mindestens seit 2008 bekannt. Nicht nur in Tierschutzkreisen. Auch Inspektoren des Bundes attestierten Ulrich K. Tierquälerei. Trotzdem konnte K. auf seinem Hof weiterhin Tiere halten.
Verantwortlich für das Wohl der Tiere im Kanton Thurgau ist Kantonstierarzt Paul Witzig. Dieser äusserte sich am Dienstagnachmittag zum Zustand der angetroffenen Tiere. «Viele Pferde haben Hufe in sehr schlechtem Zustand. Die Tiere sind verschmutzt und mager», sagte er. Aber er sagte auch: «Wir haben kein akutes Tierleid gesehen.» Völlig ausgemergelte und im Sterben liegende Tiere, wie sie auf den Skandal-Bildern zu sehen waren, trafen die Behörden also nicht an.
Trotzdem mussten ein Kalb, zwei Schweine und zwei Hühner eingeschläfert werden, weil sie laut Kantonstierarzt Witzig in nicht transportfähigem Zustand waren. Offenbar steht es auch um die Gesundheit des Beschuldigten Ulrich K. nicht gut. Ein Amtsarzt ordnete am Montag eine fürsorgerische Unterbringung an. K. kann nun innert 10 Tagen bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb gegen die Massnahme Rekurs einlegen.
* Name der Redaktion bekannt.