Die Kühe kacken, der Landwirt verteilt die Fäkalien auf den Feldern, die Pflanzen spriessen. Obwohl viele die Nase ab dem Gestank rümpfen, war bisher immer klar: Güllen gehört zur Landwirtschaft, so wie das Amen zur katholischen Kirche.
Renato Pichler, Geschäftsführer des grössten Schweizer Interessensvertreters von Vegetariern und Veganern (Swissveg), nervt sich darüber, wie selbstverständlich Güllen für die meisten ist. Auch für die Schweizer Bauern: «Viele von ihnen denken sogar noch heute, dass die Bewirtschaftung des Bodens ohne tierische Fäkalien unmöglich ist.» Für Pichler steht fest: Es gibt eine bessere Alternative. Diese heisst: biovegane Landwirtschaft.
Die biovegane Landwirtschaft verbindet die Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft mit den Idealen des Veganismus. Das heisst, es wird komplett auf das Düngen mit tierischen Produkten verzichtet, aber auch auf Kunstdünger. Verwendet wird dafür Mulch, rein pflanzlicher Kompost oder auch Schwarzerde. Zudem wird mit Gründüngen gearbeitet. Das heisst, der gezielte Anbau von Pflanzen rein für die Bodenverbesserung. Sprich das Anreichern des Bodens mit dem sonst fehlenden Nitrat.
Seit Anfang Februar können sich landwirtschaftliche Betriebe, die auf bioveganen Anbau setzen, zertifizieren lassen. Die internationale Bioorganisation IFOAM hat einen solchen Standard entwickelt. Dass dieser in der Schweiz unmittelbar auf grossen Anklang stossen wird, ist unwahrscheinlich. Derzeit gibt es in der Schweiz nur einige wenige Pionierbetriebe. Pichler hofft, dass sich dies ändert und dass «im besten Fall kein Bauer mehr mit Gülle aus der Massentierhaltung düngt», was illusorisch sei, sagt der Geschäftsführer von Swissveg selber.
«Der Umstieg auf biovegane Landwirtschaft muss schrittweise erfolgen», sagt Raphael Neuburger, Präsident der Veganen Gesellschaft Schweiz. Er würde es begrüssen, wenn vermehrt Bauern beginnen, den bioveganen Anbau zu praktizieren und «damit Konsumenten zumindest die Möglichkeit bieten, Lebensmittel zu kaufen, die produziert wurden, ohne dass Tiere in die Produktion zwangseingebunden wurden». Er sagt aber auch: «Als vegan lebende Person hat es jetzt nicht oberste Priorität, dass der Salat nicht mit tierischem Dünger angebaut worden ist.»
Für Pichler sind die Vorteile der bioveganen Landwirtschaft offensichtlich. Die Pflanzen würden zwar weniger schnell wachsen als mit tierischem Dünger, sagt der Geschäftsführer von Swissveg. «Aber sie schmecken dafür besser. Nicht so wässrig.» Zudem lasse sich bei der Gülle nicht vermeiden, dass antibiotikaresistente Keime den Weg in die Pflanze und somit in unser Essen finden. Dies kann passieren, da der Kot jener Tiere, die aus medizinischen Gründen mit Antibiotika behandelt werden, ebenfalls in der Gülle und somit auf dem Feld landet.
Im Herbst befasste sich die Schweizer Bauernzeitung mit dem neuen Trend. Der Autor hielt in seiner Analyse fest: «Die Idee bioveganer Landwirtschaft widerspricht im Prinzip jeglichen Regeln einer prosperierenden Landwirtschaft mit geschlossenen Nährstoffkreisläufen, so wie sie die Menschheit seit Jahrtausenden betreibt. Hier amtet das Tier nicht nur als Fleisch- und Milchlieferant, sondern auch als Düngerproduzent.»
Auch die Sprecherin des Schweizerischen Bauernverbands argumentiert auf Anfrage mit dem geschlossenen Nährstoffkreislauf. Vermehrt auf Gülle zu verzichten, sei zudem unökologisch, da dann der natürliche Hofdünger der Tiere in Biogasanlagen entsorgt werden müsse.
Paul Mäder vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL findet das Prinzip der bioveganen Landwirtschaft interessant. Zumindest dann, wenn einfach ein kleiner Teil der Landwirte auf die Anbaumethode setzen würde. «Den Aufbau einer kleinen veganen Produktlinie kann ich mir gut vorstellen», sagt Mäder. Die bioveganen Landwirte müssten aber mit einer kleineren Produktivität rechnen.