Schweiz
Videos

SRF-«Club» zum «IS»: Sekten-Blogger Stamm fordert Verbot der Aktion «Lies»

hugo stamm
watson-Sektenexperte Hugo Stamm am Dienstagabend in der SRF-Sendung «Club» zum Thema «Islamischer Staat».Bild: screenshot/srf

Sekten-Blogger Stamm fordert Verbot der Koran-Verteilaktion «Lies!»

«Mein Kind kämpft beim ‹IS›» – zu diesem Thema diskutierte am Dienstagabend eine gut besetzte Expertenrunde in der SRF-Diskussionssendung «Club». Es waren aber nicht Kriegsreporter Kurt-Pelda oder watson-Sektenexperte Hugo Stamm, die das Publikum am meisten berührten: Sondern das bittere Schicksal des Vaters zweier Dschihadisten. 
04.10.2016, 22:5805.10.2016, 06:35
Rafaela Roth
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Wer ist Schuld, wenn ein Jugendlicher beschliesst, aus dem Westen in den Dschihad zu ziehen? «Sicher nicht die Eltern», darin sind sich watson-Sektenexperte Hugo Stamm, Kriegsreporter Kurt Pelda, Dschihad-Forscherin Miryam Eser Davolio und Psychologe Daniel Lenzo am Dienstagabend in der SRF-Sendung «Club» einig. 

Sektenblog
AbonnierenAbonnieren

Sichtlich berührt, lauscht die Runde dem tragischen Schicksal des Deutschen Joachim Gerhard, Vater zweier Söhne, Inhaber eines Immobilienunternehmens, einvernehmlich geschieden, nicht sonderlich religiös, der eines Tages im Sommer 2014 feststellen muss, dass seine Söhne aus Kassel nach Syrien zum sogenannten «Islamischen Staat» gereist sind. 

Monate danach telefoniert er noch regelmässig mit ihnen, sie erzählen von ihrem Leben beim «IS», erklären dem Vater, dass sie gehen mussten, weil sie im Westen ausgelacht würden und dass sie ins Paradies kommen würden. Gerhard wusste, dass die beiden konvertiert waren, hatte sie sogar ein paar Mal in die Moschee begleitet. Solche Worte vernahm er aber das erste Mal von seinen Söhnen. 

Buchtipp
Joachim Gerhard, der seine beiden Söhne an den sogenannten «Islamischen Staat» verlor, hat seine Erlebnisse in einem Buch verarbeitet: «Ich hole euch zurück – Ein Vater sucht in der ‹IS›-Hölle nach seinen Söhnen» erschien am 22. September im Fischer-Verlag. (rar)

Der Vater reist in die Türkei, von da nach Kobane in Syrien. «Hol uns hier raus», sagen seine Söhne, als ihnen dämmert, wo sie gelandet sind. Der Vater plant ihre Flucht. Sie geht schief. Ein paar Tage später erreicht Gerhard dieses Video: 

«Jeder Bruder hier im ‹Islamischen Staat› ist mir lieber als du»

Video: streamable

«Jeder Bruder hier im ‹Islamischen Staat› ist mir lieber als du selber, obwohl du mein eigener Vater bist», sagt sein älterer Sohn zu ihm. «Zwischen mir und dir ist Feindschaft, solange, bis du überzeugt bist, dass es nur einen anbetungswürdigen Gott gibt und Mohammed sein Diener und Gesandter ist», sagt sein jüngster Sohn zu ihm. 

Seither herrscht Funkstille. 

«Das klassische Vorgehen einer Sekte», sagt Sektenexperte Stamm nach der Einspielung. «Solche Botschaften unter Zwang sind Teil einer Taktik, um Distanz zum alten Leben und gleichzeitig Identifikation mit der neuen Gruppe zu schaffen.»

Bei «IS»-Reisenden handle es sich oft um besonders sensible, gar engagierte und empathische Personen, die Mühe hätten mit der westlichen, auf Luxus ausgerichteten Gesellschaft und die auf der Suche nach einer gerechteren Welt seien. «Der ‹Islamische Staat› bietet Antworten», sagt er: «Irgendwann erleidet der Anhänger Realitätsverlust und erklärt sich die Welt auf eine völlig andere Art und Weise.»

«Realitätsverlust, Indoktrination»

Video: streamable

Kriegsreporter Kurt Pelda, der Kontakt zu «IS»-Kämpfern hatte, sieht es ähnlich. So indoktriniert, würden sogar Hinrichtungen von den «IS»-Schergen als gerechtfertigt wahrgenommen werden. «Denn es sind Feinde», sagt Pelda. Und: «Geköpfte erhalten ihrer Meinung nach in einem fairen Prozess ihre verdiente Strafe. Mitleid mit dem Täter, wie es das in unseren Breitengraden gibt, gibt es da nicht.» 

Pelda sieht allerdings nicht nur Sekten-Opfer unter den «IS»-Kämpfern. Ein Teil von ihnen seien schlicht Kriminelle: «Es gibt Schwerkriminelle, die da hin fahren und schlicht diese schrecklichen Dinge tun, die sie immer schon tun wollten – aber religiös legitimiert», sagt er. «Sie können da von Gesetzes wegen das tun, worauf sie schon immer schon Lust hatten.»

Überwachung oder Prävention? 

Doch wenn nicht mal Eltern etwas ahnen, wie kann man dann Jugendliche von einer Dschihad-Reise abhalten? Der Vater klagt den deutschen Staatsschutz an. Die Behörden hätten bloss zugeguckt, wie seine Söhne abdrifteten. 

Er erhält Schützenhilfe von Kurt Pelda. Geht es nach ihm, muss der Staat die «Verführer» in den Moscheen überwachen. «Das sind die wahren Rekrutierer, und die könnte man mit dem Strafrecht packen», sagt er und fordert mehr Überwachung, genau so, wie es dem Geheimdienst nach den letzten Abstimmungen über das neue Nachrichtendienstgesetz jetzt erlaubt sein soll: 

«Der Staat muss sich auf die Verführer konzentrieren»

Video: streamable

Aber auch bei der Bildung würde Pelda ansetzen, bei einem besseren Geschichtsunterricht: «Jungen Menschen muss das Rüstzeug mitgegeben werden, um solche Verschwörungstheorien erkennen zu können», sagt er. 

Auch Hugo Stamm würde in die Prävention investieren. Der Sektenexperte redet sich ganz zum Schluss der Sendung in Rage und holt zu einer Forderung aus: «Bezüglich der Koranverteilungsaktion «Lies!» bräuchte es endlich den Mut einer Behörde, diese zu verbieten», sagt er. «Was hat eine solche Aktion noch mit Religionsfreiheit zu tun?», fragt er.

Video: streamable

Joachim Gerhard nickt an dieser Stelle zustimmend. Seinen Söhnen können diese allfälligen Massnahmen allerdings nicht mehr helfen. Dennoch zeigt er sich zum Schluss überzeugt, dass seine Kinder noch leben: «Solange ich nichts anderes höre, hoffe ich weiter», sagt er.

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
137 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Amanaparts
05.10.2016 00:05registriert Januar 2014
Rächt hed er, jeglichi Art vo religiöser Missionierig sött verbotte werde!!!
8315
Melden
Zum Kommentar
avatar
NWO Schwanzus Longus
05.10.2016 00:09registriert November 2015
Man sollte hier Geheimdienstlich tätig werden und herausfinden wer diese Aktion finanziert und sie dann verbieten. Diese Leute müssten Millionen dafür ausgegeben haben. Wir sollten die Fremdfinanzierung stoppen bei Islamischen Organisationen weil gerade da es aus Wahabitischen Quellen kommt um Einfluss zu nehmen.
672
Melden
Zum Kommentar
avatar
dracului
05.10.2016 08:15registriert November 2014
Die Schweiz lebte viele Jahre in einer Art Selbstregulierung. Alle nahmen Rücksicht aufeinander und Verfehlungen korrigierten sich selber, Integration und Werteangleichung fand automatisch statt. Heute sind wir konfrontiert mit Menschen, die unsere Art nicht kennen und akzeptieren und aggressiv ihre Werte durchsetzen. Unserem Staat und letztlich uns selber widerstrebt es, dass wir neue Verbote erlassen müssen für Bereiche, die sich früher selber regelten. Selbstregulierung und das bewährte Abwarten und mal Nichtstun hat (leider!) ausgedient.
395
Melden
Zum Kommentar
137
China testet fliegende Taxis und hofft auf neuen Wirtschaftszweig

Das chinesische Unternehmen Autoflight absolvierte kürzlich einen erfolgreichen Flug von einem vollelektrischen Fluggerät zwischen zwei Städten.
Zwei Prototypen mit dem Namen Prosperity-1 flogen rund 50 km Luftlinie von der Techmetropole Shenzhen zur Stadt Zhuhai. Da die Lufttaxis dabei ein Flussdelta überflogen, schafften sie die Reise in nur 20 Minuten, mit dem Auto dauert dies normalerweise über zwei Stunden.
Das Unternehmen will so beweisen, dass ihre Lufttaxis eine Geräusch- und Emissionsärmere Alternative zu Helikoptern sein können. Prosperity-1 bietet aktuell Platz für 5 Personen bzw. 350 kg Traglast und hat eine Reichweite von 250 km.

Doch auch wenn es im Promotionsmaterial der Firma angedeutet wird, befanden sich bei diesem Testflug keine Personen an Bord. Dafür fehlen noch entsprechende Zertifizierungen.

Zur Story