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Journalist fliegt aus Bundeshaus – weil er SP-Nationalrätin Chantal Galladé zu genau aufs Smartphone geschaut hat 

Journalist fliegt aus Bundeshaus – weil er SP-Nationalrätin Chantal Galladé zu genau aufs Smartphone geschaut hat 

Ronnie Grob hat auf wemakeit.ch 10'000 Franken gesammelt, um eine unabhängige Wahlkampfreportage zu schreiben. Nun ist ihm die Bundeshaus-Akkreditierung schon in der ersten Woche entzogen worden
09.09.2015, 16:0909.09.2015, 16:54
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Blogger Ronnie Grob berichtet auf unorthodoxe Weise aus dem Bundeshaus und kriegt prompt die Akkreditierung entzogen.
Blogger Ronnie Grob berichtet auf unorthodoxe Weise aus dem Bundeshaus und kriegt prompt die Akkreditierung entzogen.
julien barrat

Ronnie Grob hat sein Ziel erreicht: Er hat auf unorthodoxe Weise aus der Herbstsession im Bundeshaus berichtet und seine täglichen Beobachtungen auf nachbern.ch veröffentlicht. Für die Reportage hatte Grob, der eigentlich in Berlin lebt, 10'000 Franken gesammelt. 

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Offenbar ist Grob für den Geschmack der Parlamentarier und der Parlamentsdienste bei seiner journalistischen Arbeit ein wenig zu unorthodox vorgegangen. Wie Grob auf seinem Blog vermeldet, ist ihm die Akkreditierung und damit der Zugang zur Pressetribüne und der Wandelhalle per sofort entzogen worden. «Wir sehen uns zu diesem Schritt gezwungen, nachdem Sie die Verhaltensregeln für Medienschaffende im Gebäude (die mit der Bestätigung zugestellt wurden) in grober Art missachtet haben», heisst es in der Begründung, die Grob vom Bereichsleiter Information der Parlamentsdienste, Mark Stucki, zugestellt wurde.

Begründet wird der Entzug der Akkreditierung damit, dass Grob von der Pressetribüne aus fotografiert habe, was ohne Spezialbewilligung nicht erlaubt sei. Schwerer aber dürfte wiegen, dass Grob in einem Blogeintrag aufzeichnete, womit sich die SP-Nationalrätin Chantal Galladé während der Parlamentssitzungen wirklich beschäftigt und dass diese ihren Smartphone-Code schlecht schütze. Jedenfalls schreibt Stucki in der Mail weiter, es gehe «in keiner Art und Weise an, dass Sie ohne Bewilligung fotografieren und sich mit Kenntnissen über Daten von Ratsmitgliedern – welche Sie auf den Pulten einsehen konnten – in aller Öffentlichkeit brüsten.» 

Der Abschnitt des Anstosses liest sich bei Grob so: 

«Ohne dass ich es wollte, kenne ich nun den Sperrcode des Smartphones von Chantal Galladé und das Hintergrundbild auf ihrem Laptop. Ich weiss, dass sich ihr AHV-Ausweis irgendwo zwischen der Carte Blanche des Tages-Anzeigers und anderen Plastikkarten befindet. Auf ihrem Tisch liegen neben dem Laptop und ein paar Papieren auch mehrere Staffeln der durchaus empfehlenswerten US-Serie The Good Wife. Dass sie eigentlich hart arbeitet, erfahre ich dank Facebook.»

Dort hat Galladé ein Foto von sich an ihrem Pult im Parlament gepostet, das ihre SP-Kollegin Evi Allemann zuvor von ihr gemacht hatte. Die slapstickartige Publikation dieser Szene hat Galladé wütend gemacht. 

Unter Bundeshausjournalisten gilt der Rauswurf Grobs als einer «unter eher fadenscheinigen Begründungen». Der Verstoss, der Grob vorgeworfen werde, nämlich das unerlaubte Fotografieren von der Pressetribüne aus, habe noch nie ohne Vorwarnung zu einem Entzug der Akkreditierung geführt. Nicht einmal derjenige Fotograf, der Nationalrätin Bea Heim während einer Herzattacke im Nationalratssaal fotografiert hatte, hat seine Akkreditierung verloren. 

Die Parlamentsdienste wollten sich zu dem Thema und dem Vorwurfs Grobs, die Medienfreiheit einzuschränken, nicht äussern, heisst es auf Anfrage von watson. (thi) 

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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Clandy Clandestin
09.09.2015 18:22registriert Juli 2015
was meint eintlich Chantal Galladé dazu? Ich finde, sie sollte sich dafür einsetzen, dass Ronnie Grob seine Akkreditierung sofort wieder kriegt. Das Öffentlichkeitsprinzip sollte den Parlamentariern heilig sein.
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Str ant (Darkling)
09.09.2015 18:17registriert Juli 2015
wie wärs wenn sie mal die ganzen Lobbyisten mal rauschmeissen würden
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_mc
09.09.2015 16:34registriert Februar 2014
Harte Gangart. Aber den Adel gilt es schliesslich zu schützen..
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