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Parteien im Profil: Grünliberale müssen das Kämpfen lernen

Martin Bäumle: «Wir müssen kämpfen, uns wird nichts mehr geschenkt.»
Martin Bäumle: «Wir müssen kämpfen, uns wird nichts mehr geschenkt.»
Bild: watson/rafaela roth

Parteien im Profil: Die Grünliberalen punkteten mit Lifestyle-Ökologie – jetzt müssen sie das Kämpfen lernen

Wohlstand plus saubere Umwelt – mit diesem verführerischen Mix haben die Grünliberalen einen jahrelangen Höhenflug erlebt. Nun droht der Partei am 18. Oktober eine harte Landung.
28.09.2015, 11:2429.09.2015, 06:27
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Martin Bäumle macht sich keine Illusionen: «Dass das Wachstum nicht einfach so weiter geht, war uns schon immer klar», sagte der Präsident der Grünliberalen Partei der Schweiz (GLP) im Interview mit watson. Vor vier Jahren hätten sie von Fukushima und der Neugründungs-Euphorie profitiert. «Jetzt werden wir von der Konkurrenz ernst genommen.»

Für die Grünliberalen wachsen die Bäum(l)e nicht mehr in den Himmel. Nachdem es lange aufwärts gegangen war, mussten sie in letzter Zeit einige herbe Rückschläge hinnehmen. Die meisten Umfragen sagen ihnen bei den Wahlen am 18. Oktober Verluste voraus. Einzig im neuen Combining-Modell von Claude Longchamp stehen sie auf der Gewinnerseite, doch diesem Befund traut der Umfrage-Guru selber nicht, wie er im Gespräch mit watson festhielt.

Martin Bäumle und der damalige BDP-Chef Hans Grunder feiern den Erfolg der «neuen Mitte» bei den Wahlen 2011.
Martin Bäumle und der damalige BDP-Chef Hans Grunder feiern den Erfolg der «neuen Mitte» bei den Wahlen 2011.
Bild: KEYSTONE

Höhepunkt für die GLP waren die Wahlen 2011, als sie auch dank cleveren Listenverbindungen zwölf Sitze im Nationalrat und zwei im Ständerat erobern konnte. In den Kantonen legten die Grünliberalen seither ebenfalls zu – bis zu diesem Jahr. Bei den Zürcher Wahlen im April verloren sie 2,6 Wählerprozente und fünf ihrer zuvor 19 Sitze im Kantonsrat. Auch in Luzern mussten sie Verluste verbuchen, in Baselland konnten sie den Besitzstand knapp halten.

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Grünliberal – das ist in erster Linie eine schöne Verpackung. Sie suggeriert, das wir unseren Lebensstil beibehalten und gleichzeitig die Umwelt schützen können. Diese Lifestyle-Ökologie kommt an, besonders bei einer besserverdienenden Klientel, die im Einfamilienhaus lebt, einen Offroader besitzt, die Feiertage in Thailand verbringt und zwischendurch zum Shopping nach New York fliegt, aber irgendwie doch ein schlechtes Gewissen hat und deshalb GLP wählt.

Inhaltlich stimmen die Grünliberalen bei ökologischen und gesellschaftlichen Themen in der Regel mit der Linken. Gleichzeitig machen sie sich für eine liberale Wirtschafts- und eine restriktive Finanzpolitik stark und haben dabei auch schon die SVP rechts überholt, wie deren Exponenten mit Verwunderung feststellen mussten. In diesem Punkt wird es schwierig, denn neoliberal und nachhaltig passen in etwa so zusammen wie Cornichons und Erdbeerglacé.

Mit der Energiesteuerinitiative erlebten die Grünliberalen ein Waterloo.
Mit der Energiesteuerinitiative erlebten die Grünliberalen ein Waterloo.
Bild: KEYSTONE

Prompt erlebten sie mit der ersten Vorlage, mit der sie auf nationaler Ebene punkten wollten, einen fürchterlichen Reinfall. Ihre Volksinitiative, mit der sie die Mehrwert- durch eine Energiesteuer ersetzen wollten, wurde im März vom Stimmvolk nicht abgelehnt, sondern mit 92 Prozent Nein massakriert. Die Kanterniederlage hat das Image der Grünliberalen als lösungsorientierte Partei beschädigt. Sie wirke demotivierend auf Basis und Wählerschaft, glaubt Claude Longchamp. Bei den Zürcher Wahlen wanderte ein beträchtlichter Teil zur FDP ab.

Für die «Lifestyle-Ökos» ist die Zeit der Bewährung gekommen. Sie müssen den Beweis erbringen, dass sie eine unentbehrliche Grösse in der Schweizer Parteienlandschaft sind.

Parteichef Bäumle räumt ein, dass die Niederlage auch für ihn persönlich schlimm gewesen sei: «Wir waren zu früh und wollten zu viel.» Sie ist nicht das einzige Problem der Partei: Seit ihrer Abspaltung von den Grünen im Kanton Zürich 2004 wird sie mit ihrem eloquenten Präsidenten und allenfalls mit der Zürcher Ständerätin Verena Diener identifiziert. Ansonsten fehlen die profilierten Köpfe. Ein Grund dafür mag sein, dass sie viele Naturwissenschaftler in ihrem Reihen hat (Bäumle selber ist Chemiker), die lieber Sach- statt Showpolitik betreiben.

Der Präsident gibt einen Teil der Schuld daran den Medien: «Die Journalisten wollen einfach immer mit dem Chef reden.» Gleichzeitig sagte er im watson-Interview, er versuche seine Leute zu motivieren, «eine Idee mal zu lancieren, auch wenn noch keine Doktorarbeit über sie verfasst wurde». Womit er einen Hang zur Kopflastigkeit einräumte. Dem Luzerner Nationalrat Roland Fischer ist es immerhin gelungen, einen gewissen Bekanntheitsgrad zu entwickeln, unter anderem als Wortführer der bürgerlichen Gegner des Kampfjets Gripen.

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Nun aber muss Fischer um seinen Sitz bangen. Er ist nicht der Einzige: Als «König» der Listenverbindungen konnte Martin Bäumle 2011 in mehreren Kantonen Sitze im Nationalrat erobern. Das haben nicht alle damaligen Partner goutiert. Zwar konnte Bäumle den Schaden in Grenzen halten. So scheint es möglich, dass die Grünliberalen ihre vier Zürcher Mandate verteidigen können. Jene in Graubünden und im Thurgau aber wackeln bedenklich.

Die beiden GLP-Ständeräte Verena Diener und Markus Stadler treten zurück.
Die beiden GLP-Ständeräte Verena Diener und Markus Stadler treten zurück.
Bild: KEYSTONE

So gut wie abschreiben muss die Partei ihre Doppelvertretung im Ständerat. Verena Diener und der parteilose Urner Markus Stadler, der in der GLP-Fraktion politisiert, treten zurück. In Zürich versucht Martin Bäumle, den Sitz zu verteidigen. Doch gegen hochkarätige Konkurrenz (Jositsch, Noser, Vogt) ist der Dübendorfer chancenlos. In der «Tages-Anzeiger»-Wahlumfrage liegt er sogar hinter dem Grünen Bastien Girod.

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Die Perspektiven für grünliberal sind nicht rosig. Martin Bäumle ist sich dessen bewusst: Er versuche seinen Leuten zu vermitteln, «dass wir jetzt kämpfen müssen und uns nichts mehr geschenkt wird». Für die «Lifestyle-Ökos» ist die Zeit der Bewährung gekommen. Sie müssen den Beweis erbringen, dass sie eine unentbehrliche Grösse in der Schweizer Parteienlandschaft sind.

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