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Wahlen 2015: Eveline Widmer-Schlumpfs Chancen sind intakt

Dossierfest und zäh: Eveline Widmer-Schlumpf hat gute Chancen auf eine Wiederwahl – wenn sie bleiben will.
Dossierfest und zäh: Eveline Widmer-Schlumpf hat gute Chancen auf eine Wiederwahl – wenn sie bleiben will.
Bild: KEYSTONE

Drei gute Gründe, weshalb Widmer-Schlumpf selbst bei einem Rechtsrutsch hoffen darf

FDP und SVP dürften am 18. Oktober Sitze gewinnen. Dies zeigen aktuelle Umfragen und Analysen. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat trotzdem intakte Chancen auf eine Wiederwahl.
28.09.2015, 16:1829.09.2015, 13:19
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Knapp drei Wochen vor den nationalen Wahlen scheint sich der Rechtstrend zu bestätigen. Zwei Sonntagsblätter haben entsprechende Zahlen veröffentlicht: Laut einer repräsentativen Umfrage des «SonntagsBlick» werden SVP und vor allem FDP deutlich zulegen, während den Mitteparteien «ein veritables Desaster» drohe. Die «Schweiz am Sonntag» hat eine detaillierte Analyse möglicher Sitzgewinne für alle Kantone erstellt. Demnach kann Mitte-Rechts mit bis zu elf zusätzlichen Mandaten in National- und Ständerat rechnen.

Ein solches Szenario verspricht Hochspannung bei der Gesamterneuerungswahl des Bundesrats am 9. Dezember. Eveline Widmer-Schlumpf, deren Sitz die SVP «zurückerobern» will, wurde vor vier Jahren mit 131 Stimmen wiedergewählt. Sie übertraf das absolute Mehr um genau diese elf Stimmen. Trotzdem sind die Perspektiven der BDP-Bundesrätin nicht so schlecht, wie man annehmen könnte. Ihre Chancen auf eine Wiederwahl sind aus mehreren Gründen intakt:

1. Sitzverteilung in der Mitte

Trotz Rechtsrutsch kommt Widmer-Schlumpf in der Modellrechnung der «Schweiz am Sonntag» auf 125 Stimmen (SP, Grüne, CVP, BDP, EVP, diverse Linke), während das Mitte-Rechts-Lager 121 Stimmen vereinigt (SVP, FDP, GLP, diverse Rechte). Dies würde für die Wiederwahl reichen. Allerdings hinkt diese Prognose aus mehreren Gründen. So ist es zweifelhaft, dass die Grünliberalen einen SVP-Kandidaten wählen würden. Im Nationalrats-Rating der NZZ sind sie links der Mitte angesiedelt. Zumindest ein Teil der Fraktion dürfte für die Bündnerin votieren.

Bundesratswahl 2011: Widmer-Schlumpf übertraf das absolute Mehr um elf Stimmen.
Bundesratswahl 2011: Widmer-Schlumpf übertraf das absolute Mehr um elf Stimmen.
Bild: keystone

Ähnlich sieht es bei den anderen Parteien aus. Die CVP war bislang eine verlässliche Stütze von Widmer-Schlumpf, dennoch könnten einzelne «Dissidenten» nach rechts abwandern. Der einflussreiche Fraktionschef Filippo Lombardi hat sich öffentlich für einen zweiten SVP-Sitz stark gemacht. Dieser Effekt dürfte jedoch kompensiert werden durch «Abtrünnige» bei der FDP. Bereits vor acht und vier Jahren konnte die BDP-Bundesrätin auf FDP-Support zählen.

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2. FDP-Bashing durch SVP und «Weltwoche»

Verstärkt werden könnte dieser Effekt durch die anhaltenden Angriffe auf die FDP aus den Reihen der SVP. Vor allem ihr Hausblatt «Weltwoche» tut sich in dieser Hinsicht hervor, etwa mit einem «ABC des Unfreisinns». Nach Philipp Müllers Autounfall hievte sie den FDP-Präsidenten aufs Cover mit der Schlagzeile «Menschliches Versagen». Felix E. Müller, Chefredaktor der «NZZ am Sonntag», enervierte sich über dieses «Unfriendly fire» der SVP auf die FDP.

«Weltwoche»-Attacke auf Philipp Müller.
«Weltwoche»-Attacke auf Philipp Müller.

Ein Motiv ortet Müller in der Weigerung der Freisinnigen, mit der Volkspartei flächendeckend Listenverbindungen einzugehen. Dennoch falle die Penetranz der Angriffe auf: «Offenbar passt es der SVP nicht, dass der Freisinn im Moment erfolgreich ist und sich so die Konkurrenzlage im bürgerlichen Wählersegment verändert.» Das betrifft auch die personelle Komponente: Philipp Müller gelingt es immer besser, sich als führender Kopf im rechtsbügerlichen Lager zu etablieren. Für die SVP stellt dies eine Bedrohung dar, was die Attacken auf seine Person erklären könnte.

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3. SVP-Kakophonie im Kandidaten-Karussell

Im Juni setzte die SVP eine Findungskommission für mögliche Bundesratskandidaten ein, geleitet vom früheren Aargauer Regierungsrat Ernst Hasler. Sie wollte damit ein Debakel wie 2011 vermeiden, als ihr Kandidat Bruno Zuppiger über eine Erbschaftsaffäre stolperte. Funktioniert hat dies bislang nicht, im Gegenteil. Statt die Kommission in Ruhe arbeiten zu lassen, lancieren führende Parteiexponenten laufend Kandidaturen der zweifelhaften Sorte.

Toni Brunner und Adrian Amstutz sind kaum wählbar.
Toni Brunner und Adrian Amstutz sind kaum wählbar.
Bild: KEYSTONE

Im Sommerloch machte sich Parteipräsident Toni Brunner für Adrian Amstutz stark, obwohl dieser aus zwei Gründen kaum wählbar ist: Der Fraktionschef ist eine polarisierende Figur, und er wäre der dritte Berner in der Landesregierung, was auch nach Aufhebung der Kantonsklausel kaum vermittelbar wäre. SVP-Vordenker Christoph Blocher wiederum sprach sich für Toni Brunner aus, obwohl der Toggenburger auch nach 20 Jahren im Nationalrat kaum mehr ist als ein ewig bubenhafter Sprücheklopfer. In Bundesbern lästert man über Brunners fehlende Dossierkenntnisse.

Solche Manöver lassen einen Verdacht aufkommen: Will die SVP gar keinen zweiten Sitz? Tatsächlich kann sie mit dem heutigen Arrangement gut leben. Mit Ueli Maurer erfüllt sie die Ansprüche der «Traditionalisten», die Wert legen auf eine SVP-Vertretung im Bundesrat. Gleichzeitig kann sie weiterhin jammern, dass sie als wählerstärkste Partei mit nur einem Sitz untervertreten ist, und so ihr Doppelspiel als Regierungs- und Oppositionspartei fortführen.

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«Weshalb die SVP meint, mit Dauerattacken auf die FDP ihrem grossen Ziel näher zu kommen, ist nicht nachvollziehbar», schreibt Felix E. Müller. Ausser sie verfolgt dieses Ziel nicht ernsthaft. Mehr wird man am Wahltag wissen. Falls der Rechtsrutsch noch deutlicher ausfällt als erwartet, ist ein zweiter SVP-Sitz kaum vermeidbar. Gleiches gilt für den Fall, dass Eveline Widmer-Schlumpf auf eine erneute Kandidatur verzichten sollte. Bis Ende Oktober will sie darüber entscheiden.

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#GoVoteCH ist eine Compilation mit 3 x 26 Tracks aus der Schweiz. Und #GoVoteCH will die Wahlbeteiligung erhöhen: Die 78 Artists rufen deshalb für den 18. Oktober 2015 zur Wahl auf. Denn: «Im Bundeshaus wird vieles entschieden, das im Alltag Auswirkungen hat. Wählen ist ein Privileg. Wer kann, soll.» #GoVoteCH ist ein Projekt der Zeitschrift «Helvezin».
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23 Kommentare
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GBZ
28.09.2015 17:12registriert Februar 2014
Ich verstehe überhaupt nicht warum es zur Diskusion steht, dass die SVP als die Partei mit am meisten Wähleranteil, keinen 2. BR-Sitz haben soll. Das ist absolut undemokratischte. Wiso soll eine 5% Partei einen BR-Sitz habe?!?
Ausserdem wäre ich sehr froh wenn EWS endlich weg ist!
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