Die CVP war in Feierlaune: In Freiburg feierte sie am Mittwoch ihren neuen Nationalratspräsidenten Dominque de Buman. Die Kathedrale, der Schnee, die Freude – wie in einem Adventskalender fühlten sich die CVP-Honoratien, als die Westschweizer Zeitung «Le Temps» einen explosiven Artikel publizierte: «Belästigung: Gleich mehrere Frauen prangern Yannick Buttet an», lautete die Schlagzeile. Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile.
Kurz zuvor hatte der Walliser CVP-Nationalrat Buttet seinen Parteipräsidenten Gerhard Pfister über das Strafverfahren gegen ihn informiert. Gestern Morgen beantragte Buttet dann seine Suspendierung als Vizepräsident der Partei.
Die Vorwürfe gegen den Walliser sind happig. Einerseits geht es um eine Strafanzeige seiner Ex-Geliebten. In der Nacht auf den 19. November hat er um zwei Uhr morgens rund 20 Mal an ihrer Haustür geklingelt, bis die Mutter zweier Kinder die Polizei alarmierte. Bei deren Ankunft versuchte der CVP-Politiker durch den Garten abzuschleichen. Gegenüber der Polizei hat er den Vorwurf «halbwegs» bestätigt.
Doch die Anschuldigen gehen weiter: Seit dem Ende der Affäre soll Buttet seiner Ex-Geliebten zahlreiche SMS und Email geschickt und angerufen haben. Manchmal bis zu 50 Mal pro Tag. Diese Geschichte beschäftigt nun die Justiz. Der genaue Inhalt der Anzeige ist nicht bekannt.
Delikat, aber schwieriger absehbar in den Folgen sind ebenfalls in «Le Temps» anonym erhobene Vorwürfe von Journalistinnen und Parlamentarierinnen. Die Rede ist von einem «unkontrollierten Sextrieb». Unter Alkoholeinfluss ändere er seine Persönlichkeit und kenne keine Grenzen mehr. Dieser Zeitung sind zwei Fälle von Parlamentarierinnen bekannt, die sich körperlich von Buttet bedrängt fühlten. In einem Fall schritten Kollegen des CVP-Nationalrates ein.
Buttet war gestern im Bundeshaus präsent. Zu den Vorwürfen wollte er jedoch nicht mehr Stellung nehmen. Gegenüber «Le Temps» gab er zu Protokoll, dass eine schwere Ehekrise seine Urteilskraft und sein Verhalten beeinflusst hätten. Ihm sei bewusst, dass er sich während dieser schweren Zeit und unter dem Einfluss von Alkohol manchmal Personen in einer Weise genähert habe, welche dies als störend oder verletzend hätten empfinden können.
Im Bundeshaus reagierten die Politiker auf zwei Arten: Die einen fielen aus allen Wolken. Andere waren nicht erstaunt. Gemein ist allen: Öffentlich den Zeigefinger erheben will niemand. Rücktrittsaufforderungen? Die gibt es nicht von den Kollegen. «Yannick Buttet muss die Konsequenzen selber tragen», sagt Maya Graf (G/BL). Auf die Frage, ob Buttet noch tragbar ist, zögert CVP-Präsident Gerhard Pfister lange und wiederholte dann: «Das Verhalten ist inakzeptabel.» Weitere Schritte werde das Präsidium zusammen mit der Kantonalpartei und Buttet selbst besprechen.
Was in der Wandelhalle aber zu reden gab: Buttets Doppelmoral. Der 40-jährige gilt als wertkonservativ. Er wurde von seinen Parteikollegen auch gerne vorgeschickt, um gegen gesellschaftliche Öffnungen anzutreten. Mehr Rechte für Homosexuelle? Nicht mit ihm. Die Stiefkindadoption etwa lehnte er ab. Genauso die erleichterte Einbürgerung für Ausländer in eingetragener Partnerschaft.
Diese Schritte sieht er als Angriff auf die Ehe. Und die Familie als Ort, «wo Werte vermittelt werden». Der zweifache Familienvater war einst auch im Komitee der «Sexkoffer-Initiative», die den Sexualunterricht im Kindergarten und der Primarschule ablehnte. Buttet distanzierte sich, als bekannt wurde, dass einer der Mitinitianten wegen Kindsmissbrauch verurteilt worden war. Die Initiative war damit am Ende.
Werte! Ausgerechnet also die Familienpartei CVP, die eine Wertediskussion führen will, wird mit der Affäre Buttet belastet. Pfister sagt: «Natürlich ist das nicht imagefördernd für die Partei.» Doch man könne nicht von einzelnen Menschen auf die Partei schliessen. Serge Métrailler, Präsident der Unterwalliser CVP drückt sich ähnlich aus.
In Walliser Politkreisen war Buttets aussereheliche Affäre bekannt. Im Vorfeld der Walliser Wahlen hatte die SVP vergeblich versucht, den ehemaligen CVP-Präsidenten Christophe Darbellay wegen seines unehelichen Kindes zu diskreditieren. Die Partei nahm deshalb später Yannick Buttet ins Visier, scheiterte aber auch hier mit ihren Diffamierungsversuchen und wurde später bei den Wahlen abgestraft. Im Unterwallis wird aber auch kolportiert, dass die Spitze der CVP-Wallis Buttet gedrängt habe, zu seiner Frau zurückzukehren.
Wie weiter in der Affäre? Aus dem Wallis wird sich irgendwann die Justiz mit einem Urteil melden. Und in Bern? Politikerinnen hüteten sich gestern, sich zum Fall Buttet zu äussern. Doch die gesellschaftspolitische Kritik blieb nicht aus. Maya Graf, Co-Präsidentin von Alliance F, spricht von einem tiefverankerten Sexismus im Parlament wie auch in der Gesellschaft und der Wirtschaft. Die patriarchalischen Strukturen bildeten den Nährboden dazu. Es sei wichtig, dass Frauen sich melden und über Erfahrungen reden. Sie wertet es als starkes Zeichen, dass die Präsidien der beiden Parlamentskammern gestern jegliche Form sexueller Belästigung verurteilten. (aargauerzeitung.ch)