Notlandungen, eine amour fou und eine Kerze zum Abschied: Die ehemalige Hostess Greta Gantenbein hat ein Buch über ihre Zeit bei der Swissair geschrieben – und über das Ende der Airline, das sich heute Sonntag zum 15. Mal jährt.
Limmattaler Zeitung: Frau Gantenbein, in Ihrem Buch «Zweite von links» ist oft von der Swissair-Familie die Rede. Was hat diese Familie ausgezeichnet?
Greta Gantenbein: Wir hatten einen unglaublichen Zusammenhalt. Jeder schaute für den anderen, über Hierarchien und Berufsgruppen innerhalb der Firma hinweg. Dieser Teamgeist war einmalig.
Wie entsteht so etwas?
Ich glaube, es hatte viel damit zu tun, dass alle stolz waren, für diese Firma zu arbeiten. Die Swissair war ein Symbol. Zudem hatten wir auf unseren Reisen viel erlebt, Schönes, Spannendes, Trauriges. So etwas schweisst zusammen.
Trotzdem war ja nicht alles rosig. Ihre männlichen Kollegen erhielten beispielsweise viel mehr Lohn.
Alles war natürlich nicht toll. Es gab ein paar Gruppenchefinnen, die richtige Drachen waren, Stewards, die sich wie kleine Könige aufführten – und Flugkapitäne, die Hostessen nachstiegen. Das Machogehabe hat sich aber mit den Jahren gelegt. Auch die Löhne wurden angepasst, wir wurden gleichberechtigt. Die Swissair gehörte zudem zu den ersten Firmen, die Arbeitsmodelle für Teilzeit-Mütter – das sogenannte Hausfrauengeschwader – einführte. Und dennoch: Viele Bewerberinnen hätten dafür gezahlt, um als Hostess bei der Swissair arbeiten zu dürfen. So begehrt war der Job zu jener Zeit.
War dieser Stolz mit ein Grund, warum die Hunter-Strategie intern kaum hinterfragt wurde?
Ich habe diese Strategie schon auch mit Sorge verfolgt und nie verstanden, wieso die Swissair die Sabena und andere Schrottairlines kaufte. Doch es herrschte eine Art Gottvertrauen. Wir hofften, die Chefetage wisse, was sie tue. Mit einem Grounding hat niemand gerechnet, das war jenseits von allem.
In Ihrem Buch kommen die Grossbanken schlecht weg. Sind sie schuld am Grounding?
Natürlich lag es auch an den Swissair-Bossen, dem Verwaltungsrat und den Beraterfirmen. Aber es ist schon so: Seither sind für mich die Grossbanken ein rotes Tuch. Die UBS hätte die Swissair retten können. Sie hat es nicht getan. Und zum Dank haben wir später die UBS gerettet – mit dem zwanzigfachen Betrag, der uns damals vor dem Ende bewahrt hätte. Es ist eine Schande. Wenn ich daran denke, wie viele Menschen dadurch zu Schaden gekommen sind oder ihre Stelle verloren haben, werde ich heute noch wütend.
Entstand das Buch aus dieser Wut?
Nein. Ich wollte all meine Erinnerungen an die Zeit bei der Swissair verarbeiten – von der Ausbildung, in der wir lernten, einen Hijacker zu überwältigen, bis zu Notlandungen, der Begegnung mit einer Schlange und der Liebesgeschichte mit einem Piloten. All dies – und dazu gehört auch das Grounding – wollte ich meinen Kindern erzählen. Und da ich sie ja nicht stundenlang vollplappern kann, habe ich eben alles aufgeschrieben (lacht). Sie haben es gelesen und meinten, das könnte auch andere interessieren. So kam es zum Buch.
Eine berührende Passage im Buch ist die Schilderung Ihres letzten Arbeitstages, als Sie mit 58 und nach 30 Jahren im Beruf ihre Uniform abgeben mussten.
Das war ein schwieriger Schritt. Als ich die Uniformierung verliess, fühlte ich mich komplett verloren und nackt. Ich ging in den Andachtsraum und zündete Kerzen an: Für meine lieben Kolleginnen und Kollegen und für die Swissair, der ich all diese tollen Begegnungen und Erlebnisse zu verdanken hatte.
Die Swissair ist längst Geschichte. Mit welcher Airline fliegen Sie, wenn Sie verreisen?
Mit gar keiner. Mir ist die heutige Reiserei zu stressig und anstrengend. Ausserdem ertrage ich die trockene Luft und die Zeitverschiebung nicht mehr. Nein, ich habe keine Lust mehr zu fliegen. Ausser wenn mich mein Sohn in seinem Segelflugzeug mitnimmt.
Auf den ersten Seiten schreiben Sie vom Vagabunden-Gen, das Sie zur Swissair gebracht hat. Ist davon nichts mehr übrig?
Ach, wissen Sie, mit dem Alter lässt das Fernweh nach. Ich hatte das Glück, so viele Länder zu bereisen, da schwindet mit der Zeit das Bedürfnis, noch möglichst viel sehen zu müssen.
(aargauerzeitung.ch)