Herr Bideau, wenn wir eine Strassenumfrage machen würden: Wie viele Leute könnten einigermassen präzise sagen, was «Präsenz Schweiz» ist?
Nicolas Bideau: Uff, wahrscheinlich nicht so viele. Warum?
Weil es zeigt, dass Ihre Organisation ein Schattendasein führt.
Ob die Bevölkerung den Namen von Präsenz Schweiz kennt, ist nicht entscheidend – sie verwechselt ihn sowieso oft mit Schweiz Tourismus oder Pro Helvetia. Wir sind dafür zuständig, die Wahrnehmung der Schweiz im Ausland zu fördern. Was zählt, ist also, dass unsere Projekte – zum Beispiel das «House of Switzerland» bei grossen Sportanlässen oder die Schweizer Pavillons an den Weltausstellungen – wahrgenommen und geschätzt werden. Das ist der Fall.
Wie kann man das denn messen? Ihre Aufgabe ist, die Schweiz im Ausland zu erklären und zu vermarkten. Ob das gelingt, weiss letztlich niemand so genau.
Gewisse Bereiche kann man gut messen. Die Marke Schweiz hat einen Wert von 20 Milliarden Franken. Das heisst: Weltweit sind die Konsumenten bereit, diesen Aufpreis auszugeben, weil ein Produkt «Swissness» aufweist. Das ist ein Kapital. Wir tragen dazu bei, dass es aufrechterhalten bleibt – zusammen mit anderen Massnahmen, wie zum Beispiel dem Swissness-Gesetz, das seit Januar in Kraft ist. Dass wir unsere Arbeit gut machen, zeigt der «Nation Brands Index». Da belegt die Schweiz seit Jahren einen Spitzenplatz. Zudem führen wir bei jedem Projekt eine Besucherumfrage durch, um den Impact unserer Auftritte zu messen.
Ist nicht jeder Turniersieg von Roger Federer mehr wert fürs Image der Schweiz als Ihre Bemühungen?
Federer ist in der Tat ein unbezahlbarer Botschafter für unser Land. Man muss seine Wirkung aber dennoch in Relationen setzen: Gemäss unseren Untersuchungen hängen 50 bis 60 Prozent der Schweizer Wahrnehmung im Ausland von den Produkten unserer Exportindustrie ab. Sporterfolge sind bezüglich Wahrnehmung also nur für einen beschränkten Teil verantwortlich. Oder zugespitzt formuliert: Nestlé ist wichtiger als Federer. Den Rest machen das politische System der Schweiz und vermischte Meldungen, etwa Unfälle, aus.
Unfälle?
Die Schweiz hat – zu Recht – das Image eines Landes, in dem es kaum Probleme gibt. Wenn zum Beispiel ein Bahnunfall passiert, wird das international aufgebauscht – weil man es bei uns nicht erwarten würde.
Legitimiert die positive Wahrnehmung der Exportindustrie, dass die Schweizer Auftritte an Weltausstellungen zuweilen an Produktemessen für Firmen wie Nestlé, Sprüngli oder ABB erinnern? Andere Länderpavillons kommen komplett ohne Sponsorengelder aus.
Natürlich ist es immer eine Gratwanderung. Aber die Pavillons auf ein Marketingvehikel für die Schweizer Wirtschaft zu reduzieren, ist nicht fair. Klar wollen wir die Strahlkraft dieser Firmen nutzen, aber wir thematisieren bei unseren Auftritten immer verschiedene Themenbereiche und Werte der Schweiz, etwa Bildung, Forschung, Innovation, Kultur oder das politische System. Hinzu kommt: Je höher der Anteil an Drittgeldern ist, desto bessere politische Chancen hat das Projekt in der Schweiz.
Wie entscheiden Sie eigentlich, welche Sponsoren den Zuschlag kriegen und welche nicht?
Für grosse Firmen gilt die Marktlogik: Wer mehr bezahlt, kriegt mehr Sichtbarkeit. Wir versuchen aber stets, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den finanzkräftigen Unternehmen und solchen, welche die Innovationsfähigkeit der Schweiz ideal repräsentieren, ohne über die gleichen Mittel zu verfügen. Die Besucher sollen das Erwartete wiederfinden, aber auch überrascht werden.
Heute entscheidet der Nationalrat über den Kredit für die Weltausstellung 2020 in Dubai (siehe Infobox). Warum ist es wichtig, dass die Schweiz dort präsent ist?
Dubai ist ein enorm kosmopolitischer Ort, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist einheimisch. Im Gegensatz zu anderen Ausstellungen werden die Besucher also aus der ganzen Welt kommen. Zudem ist Dubai aufgrund seiner zentralen geografischen Lage und seiner Stabilität ein wichtiger Business-Hub und Finanzplatz in der Region. Für uns ist das natürlich höchst interessant.
Wirtschaftliche Erwartungen in Ehren. Aber ist es auch moralisch richtig, dass die Schweiz rechtsstaatlich zweifelhafte Staaten für die eigene Vermarktung nutzt?
Die Aussenpolitik der Schweiz orientiert sich an Prinzipien der Universalität und des Dialogs, nicht an Boykott. Durch ihre Teilnahme versucht die Schweiz, Brücken zu bauen und den Dialog zu fördern. Natürlich gibt es Bereiche, in denen wir politisch nicht einverstanden sind mit den Behörden anderer Länder – diese sprechen wir an, wenn es nötig ist.
Was werden die Besucher des Schweizer Pavillons in Dubai zu sehen kriegen?
Allein schon die Fassade ist ein Blickfang, ein Schweizer Kreuz wird auf einen riesigen Spiegel projiziert. Im Innern des Pavillons erwartet die Gäste eine Reise durch die Schweiz und ihre Werte. Zuerst treten sie in eine Grotte ein, die an das Salzbergwerk Bex erinnert. Danach zeigt eine Multimedia-Show die schönsten Panoramen der Schweiz. Abgerun- det wird der Auftritt mit temporären Ausstellungen, wo die innovative Schweiz und unsere Partner zum Zug kommen. Natürlich fehlt auch ein typisch schweizerisches Restaurant nicht.
Die schönen Auftritte bei Weltausstellungen und Sportanlässen ist die eine Seite Ihrer Aufgabe. Die andere ist Krisenintervention, wenn das Image der Schweiz bedroht ist. Wie merken Sie überhaupt, dass es irgendwo «brennt»?Präsenz Schweiz betreibt ein permanentes Medienmonitoring der wichtigsten Leitmedien, neuen Medien wie Blogs oder Social Networks. Zudem sind wir in ständigem Austausch mit den Schweizer Vertretungen, welche die lokalen Medien im Auge haben. Geht ein «Shitstorm» los, entscheiden wir in Absprache mit der Departementsführung, ob eine offizielle Kommunikation nötig ist. Manchmal entscheidet sich in wenigen Stunden, ob ein Ereignis in den sozialen Medien eine virale Dimension annimmt oder nicht.
A propos soziale Medien: Sie haben auf Twitter gut 2900 Follower. Ist das nicht etwas bescheiden für den obersten Werber des Landes?
Es geht mir nicht um die Visibilität meiner Person, ich mache auch keine Kampagnen in eigener Sache. Wichtiger zu erwähnen ist, dass die digitale Präsenz des Aussendepartements zusammen mit den Schweizer Vertretungen mehr als 1 Million Follower aufweist.
Im Oktober fällt der Bundesrat einen Grundsatzentscheid für oder gegen Olympische Winterspiele in der Schweiz. Was soll er tun?Die Spiele wären die ersten der neuen Generation, perfekt kompatibel mit der «Agenda 2020» und ihren Nachhaltigkeitszielen: dezentral, ohne Gigantismus und mit einer Infrastruktur, die grösstenteils bereits besteht. Damit kann die Schweiz punkten, nicht mit Prunkbauten. Unsere Berge sind schon gigantisch genug. Ich hoffe also sehr, dass sich die Schweiz hinter das Projekt stellt.
Inwiefern betrifft das Ihr Team?
Olympische Spiele sind wie ein riesiges «House of Switzerland». Es ist also sehr wichtig, dass Präsenz Schweiz bei einer solchen Veranstaltung eine grosse Kampagne macht. Für den «Return on Investment» ist das matchentscheidend. Barcelona, Lillehammer oder auch London haben das vorgemacht. Diese Städte haben von den Olympischen Spielen kurz- und langfristig profitiert.
Und Sie werden «Mister Olympia»?
Im Rahmen meiner Funktion als Chef von Präsenz Schweiz würde es mich in der Tat interessieren, mitzumachen. Doch jetzt muss das Projekt zuerst einmal der Bevölkerung erklärt werden. Man muss aufzei- gen, dass unser Tourismus und unsere Wirtschaft im Allgemeinen von den Spielen profitieren würden.
Was machen Sie eigentlich, wenn Sie sich über die Schweiz ärgern und das Land dann trotzdem ins beste Licht rücken müssen?
Wenn, dann ärgere ich mich über meine Kinder. Nicht über die Schweiz. Ich bin ein stolzer Patriot.
Sie haben sich über das Ja zur Minarett-Initiative gefreut?
Na gut, als Bürger war ich im Vorfeld eher skeptisch. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass diese Abstimmung bereits sehr früh eine wichtige Diskussion über Religion und Identität in der Schweiz angestossen hat, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern.