Liebe Frau Schmid-Federer
Der Vergleich mag auf den ersten Blick weit hergeholt scheinen, aber Sie erinnern mich ein bisschen an Oskar Lafontaine. Der ist ja damals auch im Richtungs- und Eitelkeiten-Streit mit Schröder zuerst von allen Ämtern und dann lautstark aus der SPD ausgetreten. Das hat ihm eine Weile richtig gut getan. Es den unsozialen Hartz-IV-Flüglern mal so richtig zu zeigen. Die mit seinem Liebesentzug zu bestrafen und den Rechtsrutsch der Linken zu bekämpfen.
Aber auf lange Sicht hat das alles eigentlich niemandem etwas gebracht, ausser ihm eine neue Freundin. Schröder setzte unbeeindruckt die Agenda 2010 um und führte Hartz-IV ein. Die SPD liegt in Trümmern und die Linkspartei ist von der AfD überholt.
Und trotzdem machen Sie es ihm nach. Nur ist es bei Ihnen noch ein wenig irrationaler, weil unnötiger.
Die Ausgangslage ist doch klar: Sie müssen sich wegen einer Amtszeitbeschränkung der CVP Zürich nach 12 Jahren sowieso aus dem Nationalrat zurückziehen. Sie tun es ein Jahr vorher, damit der Nachrutscher als Bisheriger bessere Wahlchancen hat. Sie kündigen Ihren Rücktritt mit einer Exklusiv-Meldung in der politisch bedeutendsten Tages-Zeitung an. Alles exakt so, wie es eben gemacht wird.
Und was tun Sie dann?
Sie erzählen im ganzseitigen Exklusiv-Interview, dass Sie mit dieser Partei in diesem Parlament sowieso nicht hätten weitermachen wollen. Dass die Parteispitze mit dem konservativ-bürgerlichen Kurs alles an die Wand fahre. Dass die eigenen Ständeräte die Lohngleichheit und überhaupt die Sache der Frau verraten hätten. Dass die Partei statt mit dem von Ihnen favorisierten liberal-sozialen Programm die Städte zu erobern, lieber Sans-Papier-Kinder denunziere. Dass Präsident Gerhard Pfister zwar ein Lieber, aber auf dem falschen Dampfer sei.
Kurz: Sie rechnen ab.
Da kommt natürlich der Verdacht auf, es gehe Ihnen nicht ausschliesslich um Politik, sondern auch ein bisschen um persönliche Animositäten, Niederlagen und Frustrationen. Die haben Sie sich nun von der Seele geredet, und ich nehme an, Sie haben die Zeitung heute Morgen mit einem Hochgefühl aufgeschlagen.
Aber es wird nicht lange anhalten.
Ihre Äusserung, wonach Sie ausserhalb des Parlaments der christlich-sozialen Sache eher dienen können, ist natürlich Quatsch. Die Politik, um die es Ihnen angeblich geht, wird im Parlament und in den Gremien der politischen Partei gemacht. Und dort wird man nach Ihrer Abrechnung in Zukunft ignorieren, was Sie sagen. Oder gleich das Gegenteil davon tun.
Insofern haben Sie Ihrer Eitelkeit kurzfristig geschmeichelt, Ihrem Anliegen aber langfristig geschadet.
Lafontaine lässt grüssen!
Hochachtungsvoll
Maurice Thiriet