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Eine «krachende Niederlage» haben die Realisten aus allen Lagern der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) in Aussicht gestellt. Nun haben mehr als 20 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer dem Begehren zugestimmt. Vor allem in den Städten ist die Initiative auf viel Zustimmung gestossen.
Für das BGE hatten die so genannten Realisten nur Spott und Verachtung übrig. Eine Gegenkampagne hat es nicht gegeben. Warum auch? Die Niederlage stand ja eh schon fest. Stattdessen wurde am Stammtisch über Faulenzer und Balkan-Machos gepoltert. In Leitartikeln wurde derweil gelegentlich ein Hauch von Sympathie verströmt: Das Anliegen sei ja irgendwie sympathisch, aber leider völlig unrealistisch.
Nur: Was ist heute schon realistisch? Wir leben in einer Zeit, in der sich eine grosse Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft nicht nur abzeichnet, sondern geradezu mit den Händen greifbar geworden ist, und zwar auf allen Ebenen: Politisch ist eine neue Spielart des Faschismus auf dem Vormarsch, ökologisch schreiben wir jeden Monat neue Hitzerekorde und wie das Finanzsystem je wieder aus seiner Negativzins-Spirale herausfinden soll, das wissen die Götter – oder selbst die nicht.
Sharing Economy, Gig Economy und Zero Marginal Cost Economy: Begriffe, die bis vor kurzem allenfalls Insidern bekannt waren, begegnen uns heute täglich in allen Medien. Am heftigsten macht sich die grosse Transformation in der Wirtschaft bemerkbar. Selbstgelenkte Autos, Simultanübersetzungen und immer intelligenter werdende Chatbots sind die Vorboten einer digitalen Wirtschaftsordnung, die nach anderen Spielregeln als die der heute noch bestehenden funktionieren wird.
Die Diskussion über das BGE stand zunächst ganz im Zeichen von Fragen wie: Wird niemand mehr arbeiten wollen, wenn alle einen Staatslohn erhalten? Und natürlich: Wer soll das bezahlen? Das war wohl unvermeidbar. Es sind die Fragen, die sich jeder stellt, der zum ersten Mal mit dem BGE konfrontiert wird – und das war bei den meisten der Fall.
Erstaunlicherweise hat sich jedoch im Laufe der Diskussion eine neue Qualität herauskristallisiert. Immer mehr rückte das Problem der grossen Transformation in den Vordergrund, auch deshalb, weil die Initianten mit ihren Robotern und dem Tesla eine geschickte Kampagne geführt haben.
Das wurde auch im Ausland bemerkt. «Financial Times», «Spiegel», «Economist», «Wall Street Journal»: Alle Leitmedien dieser Welt haben darüber berichtet, dass die Schweizerinnen und Schweizer über ein BGE abstimmen können, meist mit einer Mischung aus Erstaunen und Wohlwollen.
Überraschend ist das nicht. Die grosse Transformation ist kein Privileg der Schweizer, die Vierte Industrielle Revolution verändert die bestehende Wirtschaftsordnung rund um den Globus. Dank der direkten Demokratie haben die Schweizerinnen und Schweizer jedoch das Privileg, sich direkt in die Diskussion einschalten zu können.
Die Initiative hat deshalb wie eine grosse Volkshochschule gewirkt und die Sensibilität für die anstehenden Veränderungen geweckt. Weshalb nun «NZZ am Sonntag»-Chefredaktor Felix Müller darüber jammert, dass über «nebensächliche Dinge» debattiert werde und «die wirklich wichtigen Fragen der Zukunft vernachlässigt» würden, wird sein Geheimnis bleiben. Die grosse Transformation und wie wir sie bewältigen können, ist die vielleicht wichtigste Frage der Zukunft überhaupt. Die BGE-Initianten haben die Diskussion darüber auf breiter Ebene angestossen. Dafür gebührt ihnen Respekt und Dank.