In zehn Jahren soll die Hälfte der Swisscom-Angestellten ohne Chefs arbeiten. Heute sind es bereits 1500 der 18’000 Mitarbeitenden, wie BLICK berichtete.
Die Swisscom ist nicht alleine. In Zeiten der Digitalisierung lösen sich klassische Arbeitsstrukturen immer mehr auf und es kommen neue Organisationsformen auf. Genannt werden sie «Soziokratie» oder «Holokratie». In diesen Systemen gibt es keine fixen Hierarchien. Alle Teammitglieder sind gleichberechtigt. Führungsaufgaben wie Meetings leiten oder neues Personal rekrutieren, werden auf verschiedene Mitarbeiter verteilt.
In gewissen Firmen wird nicht nur der Chef abgeschafft: Das St.Galler Start-Up «Advertima» ging noch einen Schritt weiter. Seit 2016 zahlt sie allen Mitarbeitenden exakt den gleichen Lohn, wie Mitgründer Imam Nahvi gegenüber 20 Minuten sagte. Weil Advertima nur Spezialisten beschäftigt und alle gleich viel Verantwortung übernehmen müssen, hielt Nahvi das klassische Lohnsystem für veraltet.
Experten sind jedoch skeptisch. Denn meist haben Angestellte unterschiedliche Ausbildungen absolviert und einen anderen Erfahrungsschatz. Das führt zu Konflikten. Nahvi sieht das weniger skeptisch: «Dass die Löhne für alle gleich sind, hat auch den Nebeneffekt, dass das ganze Team zu einer Einheit wurde. Man ist füreinander da und die Leute sind mit mehr Freude bei der Arbeit.»
In der US-Firma von Stephan Aarstol wird pro Tag nur 5 Stunden gearbeitet. Um 13 Uhr ist Schluss. Lohn erhalten die Mitarbeiter von Tower, einem Paddleboard-Hersteller, den gleichen wie zuvor. Aarstol glaubt an das Konzept, denn ihm zufolge arbeiten Menschen sowieso nur zwei oder drei Stunden pro Tag wirklich effektiv.
Auch Tamara Funiciello, Präsidentin der Jungsozialisten, glaubt an die 25-Stunden-Woche. Bereits 2016 propagierte Fumicello die Idee. Wegen der Digitalisierung und Robotisierung brauche es in Zukunft neue Lösungen, erklärte die Bernerin der Zeitung Le Matin Dimanche.
Der Streaming-Dienst Netflix und die Unternehmensgruppe Virgin tun es schon lange. Sie gewähren ihren Mitarbeitern so viele Ferien, wie sie wollen. Matthias Mölleney, Direktor des Future Work Forum in London findet das Konzept sinnvoll, wie er gegenüber der Handelszeitung sagt. «Die Leistung und ihre Messung werden über inhaltliche Zielvereinbarungen geregelt, bei denen die Anwesenheit keine Rolle mehr spielt. In einem solchen Umfeld liegt es dann tatsächlich in der Verantwortung der Arbeitskräfte, die Länge ihrer Ferien zu definieren».
Noch läuft das Konzept aber noch nicht rund. So musste die Crowdfunding-Plattform Kickstarter den unlimitierten Urlaub wieder aus dem Programm streichen. Grund dafür: Die Angestellten haben nicht mehr, sondern weniger frei genommen. Offenbar herrschte Verwirrung darüber, wie viele Ferientage angemessen und sinnvoll sind.
Fringe Benefits oder auf Deutsch «unentgeltliche Zusatzleistungen des Arbeitgebers» sind beliebt. Denn wer sich heute als attraktives Unternehmen im Wettbewerb abheben will, muss mit mehr locken als nur einem guten Gehalt. Besonders in grossen Techfirmen und Start-Ups können sich Mitarbeiter über viele zusätzliche Leistungen freuen.
So zum Beispiel im Fintech Unternehmen Advanon, mit Sitz in Zürich. Angestellte erhalten gratis Steuerberater und Wäscheservice. Laut Phil Lojacono, CEO und Gründer von Advanon, sollen sich die Mitarbeiter um nichts Lästiges mehr kümmern müssen.
Die Tech-Giganten Apple und Google gingen noch einen Schritt weiter: Vor zwei Jahren erklärten sie, dass sie zukünftig ihren weiblichen Angestellten das sogenannte «Social Freezing», das Einfrieren von Eizellen, bezahlen würden. So wären Frauen nicht länger gezwungen, sich zwischen Kindern oder Karriere entscheiden zu müssen.