Roger Studer (Name von der Redaktion geändert) hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Dieser leidet als Interdiscount-Verkäufer, wenn er Produkte mit Preisschildern versehen soll, die den Anschein erwecken, die Ware sei im Preis heruntergesetzt, obwohl sie das nicht ist.
«Ich finde, da werden Kunden veräppelt», sagt Studer gegenüber watson. Er arbeitet seit mehreren Jahren bei der Coop-Tochter Interdiscount, einem der grössten Schweizer Anbieter von Heimelektronik. Ein bis zwei Mal pro Woche würden ihm Unregelmässigkeiten auffallen, sagt er.
Meistens betreffen sie Vergleichspreise. Preise also, die Produkte mit «X.- statt Y.-» bewerben. «Solche ‹Statt-Preise› wirken verkaufspsychologisch sehr stark», sagt Studer. Denn die Kunden würden denken, sie machten ein Schnäppchen.
Gemäss der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen dürfen Detailhändler Rabatte, Einführungspreise und Konkurrenzvergleiche auf Preisschildern angeben. Aber was genau verglichen wird, muss für den Kunden ersichtlich sein.
In folgenden vier Fällen war dies bei Interdiscount-Produkten nachweislich nicht der Fall. Interdiscount spricht in drei Fällen von Fehlern, «die wir sofort korrigiert haben, nachdem wir diese entdeckten», sagt die Sprecherin Andrea Bergmann. Bei einem Fall bleiben Fragezeichen.
Die Preise der Produkte in über 200 Interdiscount-Filialen werden in der Zentralstelle gemacht und sind in allen Läden gleich. Dies bestätigt Interdiscount gegenüber watson. So werden aus vier Fehlern rund 800 falsche Preisschilder, die zum Teil mehrere Tage hängen geblieben sind.
Hier die vier Fälle und die jeweilige Reaktion von Interdiscount:
Studer muss eine PC-Tastatur, die 24.95 kostet (Preisschild rechts) plötzlich mit «24.95 statt 29.95» anschreiben (links). Der Preis von 24.95 sieht aus wie ein Normalpreis.
Studer fragt sich: Woher kommt der plötzliche Rabatt von fast 40 Franken? Wie kann dieselbe iPhone-Hülle einmal als Normalpreis mit 29.95 angeschrieben sein und zwei mal mit «29.95 statt 69.90»?
Studer muss eine Küchenmaschine, die zuvor «69.90 statt 89.90» Franken kostete, mit «Crazy Offer: 69.90 statt 129.-» beschriften. Aus einem Rabatt von 20 Franken wird plötzlich einer von fast 60 Franken? Und Studer fragt sich: «Was ist denn hier nun der Normalpreis?»
Studer muss ein DAB+ Radio, das bis anhin mit 169.- beschriftet war, mit «169.- statt 199.-» beschriften. Der Preis von 169.- sieht aus wie ein Normalpreis und ist nicht mit «Aktion» beschriftet.
Wieso das Radio mit «169.-» als Normalpreis beschriftet war, bleibt offen.
Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz kennt solches Preisschild-Roulette von Billig-Schuh- und Kleider-Ketten. Die Behörden seien im Kampf gegen die Scheinrabatte aber quasi machtlos. «Für die Durchsetzung der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen sind die Kantone verantwortlich, die meist eine personell unterbesetzte Stelle dafür führen», sagt Stalder.
Interdiscount entschuldigt sich derweil für die Fehler. «Bei mehreren hundert Preisschildern pro Woche bitten wir, dies zu entschuldigen», sagt Sprecherin Andrea Bergmann. Ein Schelm, wer denkt, dass sich solche Fehler – versehentliche Aktionen während mehreren Tagen in 200 Fillialen – sogar ein bisschen lohnen könnten.
Grüsse eines alten ID mitarbeiter