Es gibt einen Witz, der geht so: Warum tragen Bauernkinder immer zu kleine Schuhe?
Damit sie früh lernen, zu jammern.
Auf dieses Klischee kommen «Arena»-Gäste an diesem Freitag immer wieder zu sprechen, besonders die Bauernvertreter selber, die an dieser Unterstellung offenbar schwer zu nagen haben und für die klar ist, dass es den Schweizer Bauern tatsächlich sehr schlecht gehe, und deshalb die Privilegien und Entschädigungen durch den Bund nicht nur angemessen, sondern zu tief seien, was die Gegenseite natürlich genau anders sieht.
Auf diesen Standpunkten beharrend bestreiten die «Arena»-Gäste Markus Ritter (CVP), Ruedi Noser (FDP), Werner Salzmann (SVP) und Barbara Gysi (SP) die Aufwärmrunde für die Wintersession, die am Montag beginnt und in der vier Geschäfte diskutiert werden, die den Bauernstand betreffen. Während Gysi und Salzmann dabei zu Randfiguren verkommen, meistern Ritter und Noser das Test-Ringen mit Bravour, wobei Ritter das Nachsehen hat.
Also, wie schlecht geht es den Bauern?
Sehr schlecht, finden Salzmann («es gibt Suizide, weil die Bauern verzweifelt sind») und Sybille Gutknecht, eine Bäuerin aus dem Publikum, die 70 Prozent arbeitet, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, und gern mal mit Gysi oder Noser tauschen würde. Dieser findet, dem Bauernstand täte etwas weniger Schutz gut, mehr Freiheiten, mehr Gedanken, «vielleicht wäre es tatsächlich gut, wenn mal jemand Neues auf ihren Hof käme»?
Mit dieser zur Schau gestellten Nonchalance tut sich Noser zunächst keinen Gefallen, als er dann aber bei der nächsten Gelegenheit die tiefen Löhne durch die Milchpreispolitik des Bauernverbandes erklärt, sitzt sein Votum. Es würden die Verarbeiter gestützt, nicht die Bauern, sagt Noser. Und diese Pervertierung des Systems sei der Grund für die Einkommen.
Die Diskussion um die tiefen Bauernlöhne (durchschnittlich 3480 Franken pro Monat für eine Arbeitskraft auf dem Bauernhof) wird von Christian Hofer, Vizedirektor vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und heute als Experte in der «Arena», erhellend beendet. Die Schere zwischen den Vergleichslöhnen und den Bauernlöhnen sei kleiner geworden, viele Bauern hätten stark mehr verdient, aber ja, ein Viertel der Landwirte trete an Ort, das müsse man sagen.
Also gehe es den Bauern doch besser, schliesst Moderator Mario Grossniklaus, und an Ritter gerichtet: «Jammert ihr auf hohem Niveau?»
Auf diese Frage verfärbt sich Markus Ritters Gesicht rosa, seine Stimme steigt um mindestens eine Terz. Investieren sei für Bauern einfach nicht möglich, das habe nichts mit Jammern zu tun, ruft Ritter, und hält eine Grafik in die Kamera, die der Zuschauer zwar nicht lesen kann, die aber zeigen soll, dass dem Bund die soziale Wohlfahrt wichtiger sei als die Landwirtschaft (was Gysi ganz in Ordnung findet, schliesslich wolle der Bauernverband immer überall kürzen, auch in Bereichen, die viel mehr Niedrigverdiener beträfen. Nun müsse man halt mal bei den Direktzahlungen über die Bücher, Entschädigungen aber für sauber gestapelte Kuhfladen seien schon okay.).
Ritter gerät auf jeden Fall in einen Streit mit Noser, der auch etwas in die Kamera hält, und zwar einen runden Weichkäse. Es sei ja wohl klar, dass der Bergbauer nicht ohne Direktzahlungen leben könne, darüber müsse man hier nicht diskutieren, aber es gebe nun mal grosse Unterschiede. Die Schweiz müsse den Mut haben, die Landwirtschaft zweizuteilen, in wettbewerbsmässiges Produzieren und Hochspezialisierung.
Dazu müsse es weniger Abhängigkeit vom Bund und mehr Wettbewerbsfähigkeit geben, sagt Noser, und schwenkt wieder einen Käse vor der Kamera herum, dieses Mal ist es ein Hartkäse. Der Käse zum Beispiel sei marktfähig, doch das System sei zu träge, es sei zu wenig Innovation da.
Noser kriegt dafür Unterstützung von BLW-Hofer, der sagt, die Agrarpolitik, die das Parlament beschlossen habe, sei erfolgreich umgesetzt worden, die müsse man nicht in den Dreck ziehen, und die Wettbewerbsfähigkeit müsse weiter gestärkt werden, weil man auch glaube, dass die Landwirtschaft dort ein grosses Potenzial habe.
Nach einem weiteren Seitenhieb Nosers gegen den Bauernverband (er wisse genau, sagt Noser zu Ritter, dass zwei der vier grossen industriellen Milchverarbeiter (die den Milchpreis drücken) den Bauern gehören würden) lenkt Moderator Grossniklaus die Debatte auf die Kulturland-Initiative. Diese hält Gysi für totalen Käse, ein «Verfassungsartikel für die Galerie» sei das.
Darauf hält Ritter noch ein flammendes Plädoyer für die Rettung des Bauernstandes, es brauche mehr Schutz, Betriebe gingen verloren, Nachkommen blieben aus, «wer soll denn unser Land erhalten?», krächzt Ritter.
Doch für diese Rede kriegt er von Gysi und Noser gleich doppelt aufs Dach, Wirtschafts-Vertreter Noser findet, die Bauern hätten ganz grosse Chancen, aber würden sie nicht nutzen. Gysi fügt an, die Bauern sollen nicht so scheinheilig auf Heimatschutz machen, die Traktoren würden ja auch nicht mit Schweizer Benzin fahren, die Landwirtschaft sei längst globalisiert. Zudem habe auch die heutige Debatte die Frage nicht beantwortet, warum die Bauern mehr Direktzahlungen bräuchten.
Daraufhin zieht Ritter verzweifelt die Stirnfalten zusammen und Moderator Grossniklaus beendet die Bauern-«Arena.»