Gewichte heben, joggen auf dem Laufband oder strampeln auf dem Rennvelo: Einer von sechs Schweizern schwitzt regelmässig im Fitnessstudio. Viele Anbieter verzeichnen derzeit neue Mitgliederrekorde: Zählten die Migros Fitnessformate 2015 noch 175'300 Mitglieder, waren es letztes Jahr gut 50'000 mehr, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilt.
Nun greift der Fitnesshype auch auf die Geschäftswelt über. In den Sporttempeln wird genetzwerkt, was das Zeug hält. So bietet das Zürcher Fitnesscenter Balboa seit kurzem seine Räumlichkeiten zur Miete für Workshops an. Mitgründer Erich Züger: «Ziel ist es, Gespräche in einem anderen Ambiente zu ermöglichen, warum nicht mit anschliessendem Training.» Nach dem Trainieren sei man offener und selbstbewusster. Das spüre das Gegenüber auch im geschäftlichen Gespräch.
Der Trend zum Schwitzen unter Geschäftspartnern breitet sich auch in Deutschland aus. Dort macht das Karriere-Netzwerk XING gemeinsame Sachen mit Fitnesscentern, um das Networking beim Sport anzupreisen. «Als Fitness First Mitglied mit Premium-Account bei XING kannst du donnerstags kostenlos einen XING-Kontakt mitbringen», lautet eines der Angebote.
«Fitnesscenter sind der neue Golfplatz», sagt Tara Gross, Sprecherin des Fitnessstudios Holmes Place in Zürich. Wie es beim Golfen seit eh und je der Fall ist, werde nun die Zeit im Gym zum Austausch mit Business-Partnern genutzt. Dies besonders, seitdem ein gesunder Lifestyle im Trend ist. «Vor allem an unserem Standort nahe der Bahnhofstrasse in Zürich. Hier treffen sich viele Leute aus dem Banken- und Finanzsektor, da ihre Büros in der Umgebung liegen.»
Geschäftskontakte liessen sich beim gemeinsamen Schwitzen gut knüpfen, man komme schnell ins Gespräch, so Gross. «Ausserdem schlägt man damit zwei Fliegen mit einer Klappe und gewinnt viel Zeit. Und ein gemeinsames Hobby kann auch Business-Deals begünstigen.»
In den Fitnessclubs Indigo und Balboa werde ebenfalls rege verhandelt und genetzwerkt, unter anderem auch in der Sauna, lässt Indigo wissen. Balboa-Mitgründer Erich Züger: «Heutzutage verlagert man das Büro eher als früher nach draussen, trifft sich in einem Cafe oder eben auch im Gym.» Er wisse von einigen im Fitnessclub ausgehandelten Business-Deals.
Wirtschaftspsychologe Christian Fichter ist selbst ein Fan des sportlichen Networkings. Er sitzt dabei jeweils auf dem Rennvelo, immer öfters neben Führungskräften aus der Privatwirtschaft. Fichter: «Mir ist aufgefallen, dass deutlich mehr Manager als früher kommen und dabei rege über ihre Arbeit sprechen.»
Früher galten auch das Militär oder sogenannte Gentlemen's Clubs, wo man sich zum essen, trinken und feiern trifft, als Wirtschaftsnetzwerke – jedenfalls für Männer. Beides sei heute für das Knüpfen beruflicher Kontakte weit weniger beliebt, sagt Fichter. «Die Clubs besonders, weil die dortigen Tätigkeiten nicht dem heutigen Trend des gesunden Lifestyles entsprechen.»
Eine gewisse Vertrautheit zwischen Geschäftspartnern sei aber nach wie vor wichtig. «Da ist gemeinsamer Sport die ideale Lösung.» Fitnesscenter seien dabei effizienter als das Golfen oder das Tennisspielen, sagt Fichter. «Es ist weder eine lange Anfahrt nötig, noch eine frühe Reservation oder spezielles Material.» Dieser Effizienzgedanke entspreche der heutigen Denkweise.
Die Nachrichtenseite «Business Insider» berichtete bereits letztes Jahr über den Trend zum «Sweatworking». Der informelle Kontext im Fitnessstudio trage zudem zu kreativen Ideen und Lösungsvorschlägen bei, man werde dabei zudem nicht durch E-Mails oder Nachrichten abgelenkt. Besonders beliebt sei das Sweatworking in Tech- oder Medienunternehmen, wohl weil die Mitarbeitenden dort eher offen seien für neue Geschäftsmethoden, mutmasst das Wirtschaftsportal.