«Frau Badran sagt jetzt gerne, was sie will». Das sagte nicht irgendjemand über Jacqueline Badran, das sagte Jacqueline Badran herself. Die «Arena» zur USR III war kurz vor dem Ende angelangt und die streitbare SP-Nationalrätin musste noch einmal Dampf ablassen:
Aber Badran schwingt nicht nur Reden in der dritten Person, sie schwingt auch gerne den Taktstock – zum Beispiel dann, wenn sie findet, das Publikum solle doch jetzt gefälligst mal klatschen.
Und das Publikum klatschte.
Zu recht.
Da hatte nämlich gerade einer erklärt, warum er die Steuerreform abgelehnt hatte, und er tat das in einem so mitreissenden Ton, dass man sich fragte, wie diese Abstimmung herausgekommen wäre, wenn er auf der anderen Seite gestanden hätte.
«‹Mättu›, sagten Freunde zu mir, ‹Mättu, du bist doch eigentlich dumm, geh doch auch ins Ausland produzieren! Dann bist du wieder konkurrenzfähig in der EU und in der Schweiz wird es auch billiger.› Ja wollt ihr denn, dass ich auch eine Briefkastenfirma, einen Treuhänder in der Schweiz und eine Villa am Zürichberg habe, und alles, was sonst in der Firma passiert, passiert in Polen?!»
Gesprochen hatte Herr Etter, ein grossgewachsener Mann, der Dinge für kleine Menschen herstellt: Spielwaren. Und wenn Herrn Etter eines gegen den Strich geht, dann ist es Ungerechtigkeit. Ungerechtigkeit gegenüber den KMUs, Ungerechtigkeit gegenüber dem kommunen Schweizer Steuerzahler.
Ruedi Noser, als FDP-Ständerat und Economiesuisse-Vorstand federführend bei der Pro-Kampagne, entgegnete postwendend : «Dann hätten Sie aber Ja stimmen müssen!» Und der Aushilfs-Buhmann Noser (der ursprünglich eingeplante Hans-Ulrich Bigler musste krankheitshalber passen) setzte später noch einen drauf: «Wenn wir sagen, das wollen wir nicht mehr, dann enden wir schnell auf dem Ballenberg. Und ich bezweifle, dass die auf dem Ballenberg Spielzeuge kaufen.»
Noch weniger anfangen mit Ballenberg und Gerechtigkeit konnte Oswald Grübel, die deutsche Verkörperung der Schweizer Grossbanken. «Wenn Sie Gerechtigkeit wollen, dann arbeiten wir noch 1000 Jahre daran.»
Und sogar bei Badran stand das Thema Gerechtigkeit bei dieser Vorlage nicht im Mittelpunkt – wohl nicht zu Unrecht.
Denn: Was das Stimmvolk letztendlich zur Ablehnung dieser Vorlage bewogen hatte, das ist auch jetzt, fünf Tage nach der Abstimmung nicht klar. Klar ist nur, dass es kein singulärer Faktor war. Und klar ist wohl auch, dass die Steuergerechtigkeit nicht ausschlaggebend war.
Moderator Projer brachte eine These ins Spiel, die man bis anhin nur selten gehört hatte: Die Köpfe der grossen Wirtschaftskonzerne tauchten in jüngster Zeit vor Abstimmungen regelmässig unter – überhaupt äussere sich kaum einer der CEOs zu wirtschaftspolitischen Fragen. Ohne diese Köpfe aber sei es schwierig, das Volk gerade bei so komplexen Vorlagen wie der USR III zu überzeugen. Zum Beweis lud der Moderator das Publikum zu einer heiteren Quiz-Runde. Erraten werden mussten die Namen dreier CEOs von grossen Schweizer Konzernen, zu gewinnen gab's drei Regenschirme mit SRF-Signet.
Dass nicht der lausige Preis verantwortlich war für die schwache Trefferquote, sondern die relative Unbekanntheit der präsentierten Gesichter, bewiesen Grübel und Noser, die beide dem dritten Kopf keinen Namen zuweisen konnten – immerhin wussten sie, dass es sich dabei um den CEO von ABB handelte.
Sind Politik und Wirtschaft also in zwei verschiedenen Kugelbahnen unterwegs, wie Projer weismachen wollte? Die bürgerliche Seite sagte:
Aber diese «Arena» wollte ja eigentlich mehr als nur auflösen, wieso eine der wichtigsten Vorlagen dieser Legislatur trotz der geballten Kraft von Wirtschaft, Verbänden und Kantonen an der Urne gescheitert war. Diese «Arena» war angetreten, eine der ganz grossen Fragen zu klären: Welche Wirtschaft will das Land? Etwa eine «Planwirtschaft», wie Moderator Projer etwas gar plump in Richtung Badran stichelte? Oder eben: Back to Ballenberg?
Mit der Frage verbunden war eine weitere Frage, nämlich: Worauf fusst eigentlich der Wohlstand der Schweiz?
Es folgte ein Exkurs in die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz, der deutlich machte, dass bei allen Beteiligten unterschiedliche Inhalte auf dem Lehrplan gestanden hatten.
Die Diskussion mündete aber letztendlich nur in der Frage, ob nun die Politik oder die Wirtschaft an erster Stelle kommen sollte – und in dieser ideologischen Grundsatzdebatte standen sich zwei unversöhnliche Positionen gegenüber.
Kurz vor Schluss der Sendung hob Badran dann zum zweiteindrücklichsten Votum dieses Abends an, es ging um die Lohnsteuerbelastung des Mittelstands: «Wenn man am Ende des Monats nichts mehr auf die Seite legen kann, dann stimmt etwas nicht mit unserem System, und zwar wirtschaftspolitisch, nicht nur hinsichtlich der Gerechtigkeit.»
Dem mochte auch Noser nicht gross widersprechen, auch wenn er darauf hinwies, dass es der Schweizer Mittelschicht im Vergleich zum europäischen Ausland gut gehe.
Der Mittelstand, das weiss man spätestens seit dem vergangenen Wochenende, ist die heilige Kuh der Schweizer Politik.