Stell dir vor, du bekommst ein Kind und musst am nächsten Tag bereits wieder im Büro sitzen oder auf der Baustelle schuften, während du mit deinen Gedanken ganz woanders bist. Bei deiner neugeborenen Tochter oder deinem Sohn, bei deiner Partnerin, die noch im Krankenhaus liegt und sich von den Strapazen der Geburt erholt.
In der Schweiz hat ein Vater von Gesetzes wegen nicht mehr Urlaub zugute als bei einem Wohnungswechsel: einen Tag. Sprich: Der Arbeitgeber kann verlangen, dass sein Mitarbeiter am Tag nach der Geburt wieder am Arbeitsplatz erscheint. Eine im letzten Sommer eingereichte Volksinitiative will dies ändern, sie fordert einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub.
Die meisten Arbeitgeber sind aber bereits kulanter als das Gesetz, zeigt nun eine Auswertung von watson. Dazu haben wir 90 Schweizer Unternehmen angeschrieben, von denen 64 geantwortet haben. Zudem wurden in die Auswertung der Vaterschaftsurlaub des Bundes, der 26 Kantone sowie von 40 grossen Gemeinden miteinbezogen (Daten von Travail Suisse von 2017).
Somit können wir nun den Vaterschaftsurlaub von 132 Schweizer Arbeitgebern miteinander vergleichen.
53 der 132 Unternehmen gaben einen Vaterschaftsurlaub von 5 Tagen an, was einer Arbeitswoche entspricht. Dies ist somit mit Abstand der beliebteste Wert und entspricht auch dem Median. Am zweithäufigsten ist ein Vaterschaftsurlaub von 10 Tagen. Der durchschnittliche Vaterschaftsurlaub beträgt 7,7 Tage. Wobei: Die Ausreiser (z.B. Google) ziehen diesen in die Höhe.
Somit ist die Schweizer Wirtschaft noch weit von vier Wochen Vaterschaftsurlaub entfernt, der von einer Volksinitiative gefordert wird.
Viele Firmen bieten ihren Mitarbarbeiter aber an, den Vaterschaftsurlaub mit unbezahltem Urlaub zu verlängern.
Im September 2017 hat der Möbelgigant in der Schweiz den Vaterschaftsurlaub umgekrempelt. Seither gilt: Jeder frischgebackene Vater hat vier Wochen Vaterschaftsurlaub zu gute. Wenn er will, kann er vier weitere Wochen zu Hause bei seiner Familie bleiben, ebenfalls voll bezahlt. Aber: Dafür muss er zwei Wochen seiner ordentlichen Ferien abtreten.
Was für ein verspätetes Weihnachtsgeschenk! Per Jahresanfang 2018 erhöhte Microsoft Schweiz den Vaterschaftsurlaub. Statt wie bislang eine Woche (ab dem zweiten Kind zwei Wochen), gibt es jetzt 6 Wochen Vaterschaftsurlaub. Zudem führte die Tech-Firma den Pflegeurlaub ein. Mitarbeitende können sich nun vier Wochen Urlaub nehmen, wenn ein Familienmitglied wegen einer schweren Krankheit Pflege benötigt.
12 Wochen können Mitarbeiter von Google Schweiz zu Hause bleiben, nachdem ihr Kind auf die Welt gekommen ist. Während der ganzen Zeit bekommen sie dennoch ihren Lohn. Damit ist Google das grosszügigste aller Unternehmen, die auf die watson-Anfrage geantwortet haben.
Der Milchkonzern Emmi hat angegeben, dass die Angestellten lediglich zwei Tage Vaterschaftsurlaub zugestanden wird.*** Genauso knausrig sind Reka, Repower, Selecta und Galaxus. Es ist aber möglich, dass andere Unternehmen, bei denen dies auch so ist, lieber schwiegen, als auf die Medienanfrage zu antworten.
***Anmerkung: In einer früheren Fassung des Artikels stand, dass es bei Emmi nur einen Tag Vaterschaftsurlaub gibt. Emmi hat die Angabe, die sie letzte Woche gegenüber watson gemacht hat, am Montagmorgen korrigiert.
Es ist unbestereitbar: Eine Veränderung ist im Gang. Immer mehr Schweizer Unternehmen erhöhen freiwillig den Vaterschaftsurlaub. So auch beim vergangenen Jahreswechsel.
Am 1. Juli tritt bei den Mitarbeitern der Swisscom ein neuer Gesamtarbeitsvertrag in Kraft. Und somit ein längerer Vaterschaftsurlaub. Dieser wird von zwei auf drei Wochen erhöht. Zudem haben Väter neu Anrecht auf einen Monat unbezahlten Urlaub. Dieser muss im ersten Lebensjahr des Kindes bezogen werden.
Andere von watson angefragte Unternehmen denken zumindest laut über eine Anpassung nach. Nebst der bereits erwähnten Emmi sind dies die Credit Suisse, die CSS Versicherung und Reka, deren Sprecherin schreibt: «Wir werden diese Regelung in den kommenden Monaten überdenken.»
Wer jetzt denkt, dass die Kantonsangestellten sicherlich einen viel längeren Vaterschaftsurlaub bekommen als Mitarbeiter in der Privatwirtschaft, sieht sich getäuscht, wie die Daten von Travail Suisse (2017) zeigen. Wer beispielsweise im Bürgerspital Solothurn arbeitet und somit vom Kanton Solothurn angestellt ist, bekommt lediglich zwei Tage Vaterschaftsurlaub zugesprochen.
Die Stadt St. Gallen diskutiert derzeit gerade darüber, ob sie den Vaterschaftsurlaub ihrer Angestellten erhöhen will. Von bislang minimal 5 Tagen auf zukünftig 20 Tage. Die Motion aus dem Parlament stösst auch beim Stadtrat auf Sympathien.
Somit bietet sich ein Vergleich zwischen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand an:
Der durchschnittliche Vaterschaftsurlaub von ...
Kantonsangestellten: 5,66 (Median: 5 Tage)
Stadtangestellten: 8 (Median: 5 Tage)
Angestellten in der Privatwirtschaft: Durchschnitt: 7,7 (Median: 5 Tage)
Ganz egal ob du in der Privatwirschaft arbeitest oder von der öffentlichen Hand angestellt bist: An den meisten Orten bekommst du eine Woche Vaterschaftsurlaub. Bei den Städten und Unternehmen gibt es einfach ein paar Ausreisser mehr als bei den Kantonen.