In der Schweiz wurden zu viele Mietwohnungen erstellt, oder sie stehen nicht dort, wo sie sollten. Patrick Schnorf vom Immobilien-Spezialisten Wüest Partner sagt: «Die Schweiz hat es bislang nur bedingt geschafft, dort zu bauen, wo die Menschen auch leben und arbeiten wollen: in den Zentren und inneren Agglomerationen.» Nun wird abseits der Zentren mehr angeboten, aber viele Wohnungen kommen nicht weg.
Zahlen von Wüest Partner für das zweite Quartal 2017 zeigen es. In Zürich werden nur 3 bis 4 Prozent aller Wohnungen ausgeschrieben. In der Ostschweiz hingegen sind es 7.5 bis 10 Prozent. In Schaffhausen und vielen Regionen der Nordwestschweiz gar über 10 Prozent (siehe nachfolgende Karte). «In diesen Regionen wurde oft für Mieter geplant und gebaut, die nach Zürich pendeln. Doch die Nachfrage wäre heute grösser, wäre näher an Zürich gebaut worden», sagt Schnorf.
Insgesamt kommt dies einer vergebenen Chance gleich. Die extrem tiefen Zinsen haben einen Investitionsboom in Mietwohnungen ausgelöst. Doch: «Es hat sich leider gezeigt: Viele Zentren sind bislang noch nicht so weit, so viel Wohnraum zu erstellen, wie es die Nachfrage erfordern würde.» Auch wenn das Volk eigentlich 2014 für ein neues Raumplanungs-Gesetz und damit für dichteres Bauen gestimmt habe.
Die Nähe zu Zentren wäre gefragt. Das verdeutlichen zum Beispiel die Unterschiede im Kanton Aargau. In der Stadtgemeinde Aarau wird viel gebaut, es werden viele Wohnungen ausgeschrieben. Und diese finden jeweils recht schnell Mieter. Mitte 2016 waren lediglich 1.4 Prozent aller Wohnungen leer.
«Aarau hat gute Verkehrsverbindungen nach Zürich. Das hält die Nachfrage hoch», sagt Schnorf. Auch in anderen Aargauer Gemeinden kommen viele neue Wohnungen auf den Markt, finden jedoch oft lange keine Mieter. Entsprechend stehen dort bis zu 5 Prozent aller Wohnungen ganz leer, und über 10 Prozent aller Wohnungen werden angeboten.
Es ist nicht so, dass die Mieter nichts hätten von den massiven Bauinvestitionen in neue Mietwohnungen. «Die Mieten sind inzwischen selbst in den Zentren am Sinken, auch wenn sie dort noch immer hoch sind», sagt Schnorf. Aber es wäre mehr möglich gewesen. «Nun ist im Markt für Mietwohnungen teils passiert, was für eigentlich für Eigenheime befürchtet wurde.»
Es würden zu viele Eigenheime gebaut, und dies teils an den falschen Ort, so die Sorge. Steigende Zinsen würden dann einen Preissturz bewirken. «Stattdessen sinken nun die Mieten», sagt Schnorf. «Weil zu viel gebaut wurde und teils an der Nachfrage vorbei. Und natürlich weil die Zuwanderung nachgelassen hat und damit der Bedarf an Wohnungen.»
Der Investitionsboom in neue Mietwohnungen geht abseits der grossen Zentren mittlerweile zu weit. Darauf deuten auch die jüngsten Statistiken zu leerstehenden Wohnungen hin. In Zürich, Aargau, Luzern und Waadt nahmen die Leerstände im Jahr 2017 weiter zu. Diese Kantone haben bereits Zahlen veröffentlicht, schweizweite Zahlen gibt es erst Mitte September.
Die bisherigen Zahlen bestätigen den Trend: «Abseits der Zentren sind die Leerstände erneut deutlich gestiegen. Zwar nicht beschleunigt, aber doch abermals um rund 10 Prozent», sagt der Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch. Damit bestätige sich, dass es keine Unterversorgung an Mietwohnungen mehr gebe. «Nun haben wir in immer mehr Regionen eine Überversorgung.»
Damit ist der Boom vorbei. Es wird schwieriger, die Wohnungen zu vermieten. Das hat Folgen für Banken und Versicherungen. «Es gibt bereits heute einige Gemeinden mit Leerstandsquoten von über vier Prozent. Und gebaut wird noch immer viel», sagt Raiffeisen-CEO Patrik Gisel. «Auf mittlere Frist könnten dort deshalb die Mieten unter Druck kommen, insbesondere jene von älteren Objekten.»
Für die Banken könne es Folgen haben, wenn sie diese finanziert hätten. «Die Preise solcher Gebäude müssten dann deutlich nach unten korrigiert werden.» Gisel schränkt allerdings ein, solche Wertberichtigungen würden zum alltäglichen Bankengeschäft gehören.
Versicherungen und Pensionskassen investieren derzeit besonders viel in Mietwohnungen. Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch sagt deshalb: «Das Risiko von Mietausfällen hat zugenommen, ebenso jenes von deutlich geringer als erwarteten Investitionsrenditen.»