So etwas hat es beim Bundesamt für Verkehr noch nie gegeben. «Ich bin zutiefst enttäuscht, wozu falsches Gewinndenken bei der Postauto AG geführt hat», sagte BAV-Direktor Peter Füglistaler gestern an einer Medienkonferenz. Gemäss einer Untersuchung des Bundesamts hat die Tochter der Post in den Jahren 2007 bis 2015 rund 78 Millionen Franken der Steuerzahler für andere Zwecke verwendet als gesetzlich vorgesehen.
Die Postauto AG erhält jährlich etwa 350 Millionen Franken von Bund und Kantonen, um die Regionen an die Fernverkehrslinien anzuschliessen. Ein rentabler Betrieb dieser Linien ist unmöglich, deshalb fliessen Subventionen. Diese Gelder sind zwingend für den öffentlichen Regionalverkehr einzusetzen; nur ein kleiner Profit darf abgeschöpft werden. Erzielt die Postauto AG mit einer bestimmten Linie einen Gewinn, sinkt bei der nächsten Ausschreibung die Abgeltung – da die Linie offensichtlich mit weniger Geld kostendeckend zu betreiben ist. Und genau hier hat die Postauto AG getrickst.
Gegenüber Bund und Kantonen erweckte sie den Eindruck, dass sie kaum profitabel sei. In der Realität jedoch warfen die regionalen Linien namhafte Gewinne ab. Diese wurden gegenüber der Aufsichtsbehörde verschleiert, indem sie in andere Unternehmenseinheiten verschoben wurden. Zum Beispiel wurden dem subventionierten Regionalverkehr betriebsintern überhöhte Treibstoffpreise oder Personalkosten verrechnet, um den Gewinn schrumpfen zu lassen. Damit haben die Postautos auf Kosten der Steuerzahler jahrelang missbräuchlich Gewinne eingefahren. Als die Bundesbeamten erste Indizien für das Fehlverhalten hatten, weigerte sich die Postauto AG zunächst, die Geschäftsakten auszuhändigen. Erst nach mehrmaligen Interventionen des Bundesamts erhielten sie die Berichte.
Die Post zeigte sich gestern reuig. An einer Medienkonferenz im Anschluss drückte Post-Konzernchefin Susanne Ruoff ihr Bedauern über die rechtswidrige Verwendung der öffentlichen Gelder aus. Sie versprach, dass die Post alles unternehmen werde, um die Vorgänge lückenlos aufzuklären. Eine interne Untersuchung sei im Gang. Den Behörden sicherte Ruoff vollkommene Kooperation zu. Bereits entschieden hat die Post, die missbräuchlich bezogenen 78 Millionen Franken an Bund und Kantone zurückzuzahlen. Der Leiter sowie der Finanzchef der Postauto AG müssen zudem das Unternehmen per sofort verlassen.
Die Postchefin versprach weiter, die Art der Verrechnungen zu überdenken, nachdem das Bundesamt das neue Modell beanstandet hatte. Ruoff sagte, sie habe erst im November 2017 von den Vorwürfen erfahren und danach vollkommene Transparenz geschaffen – etwas, was ihr auch das Bundesamt zubilligt. Ansonsten gab sie sich wortkarg. Wieso ist der Postkonzern nicht selbst auf die Verfehlungen gestossen? Ist die Führung der Postauto AG durch Boni zu den Bilanztricks animiert worden? Wie viele Leute waren in die Tricksereien involviert? Auf diese Fragen hatte Ruoff keine Antwort. Sie verwies einzig auf die Untersuchung, die bis Mitte Jahr abgeschlossen sein soll.
Neben dem Bund erwarten auch die Kantone Antworten. Sie tragen nicht nur die Hälfte der Subventionen für den Regionalverkehr, sondern unterstützen auch den Ortsverkehr. «Ich bin masslos enttäuscht von der Postauto AG», sagt der Präsident der kantonalen Direktoren für den öffentlichen Verkehr, Hans-Peter Wessels. Der Basler Regierungsrat erwartet eine «rigorose Aufklärung» der Vorgänge.
«Die Postauto AG muss die zu Unrecht bezogenen Subventionen den betroffenen Kantonen und Gemeinden anstandslos und rasch zurückerstatten.» Insgesamt erhält die Postauto AG etwa 30 Millionen Franken für den Ortsverkehr. Geht man davon aus, dass dieser im selben Ausmass von der Trickserei betroffen ist, werden für die Post weitere 6 Millionen fällig. Enttäuscht ist auch die Präsidentin der Verkehrskommission. «Ich erwarte von der Post, dass sie ihrer Verantwortung als Bundesbetrieb auch bei ihren Töchtern nachkommt», sagt SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher (TG). Auf dem Spiel stehe der Ruf der Post. Im März werde die Kommission die Bilanztricks der Post kritisch durchleuchten.