Sie hat keinen Partner, keine Partnerin, aber seit Ende Dezember 2020 einen Sohn. Sarah Esselen ist «Single Mother by Choice». Den Wunsch nach einem Kind trug sie lange in sich. «Es war immer klar, dass ich Familie und Kinder haben möchte. Womit ich nicht gerechnet habe, ist, dass das mit dem Mann nicht so einfach klappt.»
Esselen hatte die Wahl: Warten, bis «der Richtige» kommt, oder die Sache selber in die Hand nehmen. Sie entschied sich für die zweite Option. «Der Gedanke daran, dass es irgendwann zu spät sein könnte, gab mir einen Stich ins Herz. Ich wollte es wenigstens versuchen, alleine meinen Kinderwunsch zu erfüllen», sagt Esselen.
Via Skype erzählt die 36-Jährige von ihrem Weg, der irgendwie nie in einer festen Beziehung mündete. Die letzte ernsthafte Partnerschaft liegt gut zehn Jahren zurück. Damals arbeitete sie in der Tourismusbranche, lebte in den USA, in Spanien, Ägypten, der Karibik und zuletzt in der Schweiz, bevor sie nach Frankfurt zog.
Dort wohnt sie seit fünf Jahren und ist Assistentin der Geschäftsleitung einer Investitionsfirma. «Ich war immer ein glücklicher Mensch. Es ging mir quasi zu gut, um mich auf irgendjemanden einzulassen, aber der Kinderwunsch war trotzdem da», sagt Esselen. «Der beste Moment, um schwanger zu werden, ist zwischen 20 und 30. Das deckt sich einfach nicht mit dem Lebensstil, den wir heute haben.»
Die Zeit verging und Esselens biologische Uhr tickte immer lauter. Mit 30 wurde ihr klar: Selbst wenn sie sich jetzt verlieben würde, würde es noch zwei bis drei Jahre dauern, bis die Beziehung reif für eine Schwangerschaft wäre. Und wer garantiert ihr, dass es dann stimmt?
Sarah Esselen fing an, sich darüber zu informieren, wie alleinstehende Frauen schwanger werden können. Sie wollte ihr Kind selber austragen. Die Auswahl reduzierte sich schnell auf die Insemination, die künstliche Besamung – entweder mit ärztlicher Hilfe oder ohne.
In Deutschland ist es nicht verboten, dass sich Frauen ohne männlichen Partner künstlich befruchten lassen. Es gibt mehrere Kliniken, die solche Behandlungen anbieten*.
In der Schweiz ist das Gesetz strenger. Die Fortpflanzungsmedizin sieht vor, dass gespendete Samenzellen nur bei Ehepaaren verwendet werden dürfen – sprich heterosexuellen, verheirateten Paaren.
Wegen der Gesetzeslage gibt es in der Schweiz keine offiziellen Zahlen über die Anzahl oder Art der Befruchtung bei Single-Frauen. Ein Teil würden selber nach einem Samenspender suchen, etwa im privaten Umfeld oder online, beobachtet Franziska Wirz. Sie ist Leiterin der Beratungsstelle Appella, die sich auf Fragen rund um den Kinderwunsch spezialisiert hat.
«Mit einem Fertilisationsset können sie sich dann zuhause befruchten», so Wirz. Künstliche Befruchtungen im Ausland würden zwar ärztlich begleitet, bergen aber Risiken. «So eine Behandlung ist körperlich und auch psychisch anstrengend und auch kostspielig», sagt Wirz.
Im Vergleich zu anderen Anfragen seien die von Single-Frauen mit Kinderwunsch eher selten, sagt die Beraterin. «Pro Jahr melden sich etwa zwei bis drei Frauen bei uns. Sie erzählen, wie schwierig es ist, als Single schwanger zu werden und erkundigen sich nach Möglichkeiten.»
Diese würden die Beraterinnen von Appella aufzeigen. Obschon die Beratung möglichst neutral sei, ist Wirz in einem Punkt parteiisch: «Wir finden es wichtig, dass das Kind erfahren darf, wer der biologische Vater ist.»
Die Möglichkeit, seine Wurzeln zurückverfolgen zu können, sei für Kinder bedeutend. Das bestätigt auch Markus Zimmermann, Vizepräsident der nationalen Ethikkommission (NEK). Dass sich die meisten Single-Frauen mit Kinderwunsch auf eigene Faust jemanden suchen, der sein Sperma spendet, findet er unproblematisch. «Aber in diesem Fall hat ein Kind kein Recht darauf zu wissen, wer sein Vater ist. Es gibt weder eine gesicherte Informationsquelle noch ein einklagbares Recht der so gezeugten Person.»
Die NEK habe deshalb vor einem Jahr empfohlen, dass die Samenspende für alleinstehende Frauen möglich werden soll. Damit könnten deren Kinder Auskunft über die Identität des Samenspenders verlangen, wenn sie volljährig sind.
Bisher hat sich auf politischer Ebene in der Schweiz nicht viel getan. Ganz im Gegenteil zum Rest von Europa: Seit Februar 2020 können sich alleinstehende Frauen auch in Frankreich künstlich befruchten lassen. Damit zog die französische Gesetzgebung jener in Schweden, Dänemark, Spanien oder den Niederlanden nach.
Jedoch sehen die Länder zum Teil vor, dass die Samenspender anonym bleiben können. In Deutschland ist das anders. Dort will das Gesetz, dass alle Daten rund um die Behandlung mit Spendersamen registriert und aufbewahrt werden. Kinder, die vermuten, dass sie durch eine Samenspende gezeugt worden sind, erhalten beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation Auskunft. Dieses Recht ist unabhängig vom Alter der Kinder.
Das war auch für Sarah Esselen ein zentraler Punkt, weshalb sie sich für die künstliche Befruchtung mit ärztlicher Hilfe entschied. Sie ging schlussendlich in eine Fertilisationsklinik in Berlin. «Es ist nicht mein Recht, meinem Kind die Möglichkeit zu nehmen, dass es seine andere genetische Hälfte kennt.»
Sie hoffe zwar, dass dies für ihren Sohn nicht von zentraler Bedeutung sein werde. Manchmal fürchtet sie sich davor, dass ihr Kind gehänselt werden könnte. «Ich denke zwar, wenn er gross ist, gibt es viele Kinder, die nicht in klassischen Familienkonstellationen aufgewachsen sind. Und selbst wenn: Mein Sohn weiss dafür, dass er zu 100 Prozent gewollt war. Das können nicht alle Kinder von sich sagen.»
*In einer früheren Version des Artikels haben wir geschrieben, dass künstliche Befruchtungen für Single-Frauen in Deutschland nur in zwei Bundesländern angeboten würden: Berlin und Bayern.