Schweiz
Zürich

Bürger und Ladenbesitzer wehren sich gegen Immobilienverwaltung

Die Bevölkerung liebt den Dirok Market an der Zürcher Limmatstrasse – der Immo-Riese Wincasa nicht so sehr. 
Die Bevölkerung liebt den Dirok Market an der Zürcher Limmatstrasse – der Immo-Riese Wincasa nicht so sehr. 
Bild: watson/rar

«Wir bleiben!» – wie sich der Zürcher Kreis 5 gegen einen Immo-Riesen auflehnt

Dem Kreis 5 reicht's: Die Immobilienverwalterin Wincasa versucht kleine Läden unter fragwürdigen Begründungen zur Schliessung zu zwingen. Die Mieter fürchten um ihre Existenzen. Die Kreisbewohner starten eine Petition. 
10.03.2016, 17:4011.03.2016, 15:13
Rafaela Roth
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Die Kunden, die an diesem Donnerstagmorgen an der Kasse des Dirok Market im Zürcher Kreis 5 stehen, müssen nicht lange für eine Unterschrift überredet werden. «Petition – für den Verbleib vom Gemüseladen Dirok ohne schikanöse Auflagen», fordern die Unterzeichnenden. Innerhalb einer Viertelstunde ist das erste A4-Blatt fast voll. 

«Viel Glück», haucht eine junge Kundin, legt den Stift wieder hin und schnappt sich ihre Einkaufstüte voller frischem Gemüse. Fatma Yapici beisst sich auf die Lippen. Sie steht an der Kasse und versucht das Tagesgeschäft möglichst normal zu aufrecht zu erhalten. «Ich kämpfe, wir bleiben hier», sagt die 50-Jährige immer wieder, «noch ist nicht alle Hoffnung verloren.»

Fatma Yapici an der Kasse. Ein Kunde unterschreibt die Petition für den Dirok Market.
Fatma Yapici an der Kasse. Ein Kunde unterschreibt die Petition für den Dirok Market.
Bild: watson/rar

Dieser Laden ist ihre Existenz, seit 17 Jahren führt sie ihn gemeinsam mit ihrem Mann. Auch ihr Sohn hilft mit. Der kleine Lebensmittelladen ist beliebt im Quartier. Kaum machte der Tages-Anzeiger bekannt, dass die Immobilienverwalterin Wincasa die Familie unter Druck setzt, startete die Gruppe 5im5i die Petition. «Wir wollen, dass das Problem der Vertreibung von Läden aus dem Kreis 4 und 5 in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen wird», sagt Sprecher Heinz Nigg. «Und, dass sich Widerstand gegen diese Vertreibung zu formieren beginnt.»

Das Vorgehen der Immobilienverwalterin Wincasa ist bizarr: Als der aktuelle Mietvertrag der Familie Yapici nach fünf Jahren erneuert werden sollte, verlangte sie plötzlich «ein neues Konzept» für den Lebensmittelladen. Begründung: Der nahegelegene Denner und die Migros verkaufen bereits Lebensmittel. 

Für Fatma Yapici ist das eine unmögliche Anforderung: «Was soll ein Lebensmittelladen denn tun, wenn nicht Lebensmittel verkaufen?», fragt sie. Ihr Sohn Mehmet macht sich Sorgen um seine Eltern: «Der Laden ist alles, was sie haben. Er lief gut und der Gewinn reichte zum Leben», sagt er im Video. Er glaubt, die Grossverteiler stecken hinter dem Ganzen, weil die Preise im Dirok tiefer sind. Die Eigentümer der Immobilie ist ein Immobilienfonds der Credit Suisse, in den Schweizer Pensionskassen anlegen. Im vergangen Jahr liess der CS-Fonds die Wohnungen über dem Laden von Grund auf modernisieren und die Mietpreise erhöhen. 

Dass es um Konkurrenz geht, glaubt Elena Marti nicht, Präsidentin der Jungen Grünen Zürich. Für sie ist klar: «Hier geht es um Aufwertung». Die orientalischen Läden sollen zahlkräftigeren Mietern weichen, die Gemüseauslagen von der Strasse verschwinden. 

Elena Marti hat sich, als sie am Morgen davon erfuhr, kurzentschlossen aufgemacht, um die Petition zu unterstützen und die Betroffenen zur Zusammenarbeit zu bewegen. Im EGE Import Export diskutiert sie mit Erol Kutlu. Ihm gehört der zweite orientalische Lebensmittelladen, nur ein paar Blocks vom Dirok entfernt. Auch ihn will Wincasa loswerden. 

Kutlu wirkt verzweifelt. Das grosse Lebensmittelgeschäft mit dazugehörender Metzgerei, Imbiss und Barbierladen ist sein Lebenswerk. Seit 24 Jahren wirtschaftet er hier – erfolgreich: Der Laden ist längst nicht nur für Türken und Kurden Anlaufstelle für nahöstliche Köstlichkeiten und Halal-Fleisch. «Ich verliere alles», sagt Kutlu, «Ich habe zwischen 500'000 und 800'000 Franken in diesen Laden investiert», sagt er.  

Erol Kutlu fürchtet sein Lebenswerk zu verlieren.
Erol Kutlu fürchtet sein Lebenswerk zu verlieren.
Bild: watson/rar

Auch von Kutlu wollte Wincasa ein neues Konzept, ohne Lebensmittelhandel. Kutlu prozessierte und verlor vor dem Bezirksgericht. Bis der Termin am Obergericht stattgefunden hat, will Kutlu bleiben. Wincasa hat die Räumlichkeiten bereits wieder zur Miete ausgeschrieben. 

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44 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tilman Fliegel
10.03.2016 17:54registriert Februar 2014
Erstaunlich, dass der Vermieter vom Laden ein Konzept verlangen kann. Solange das Geschäft läuft und die Miete bezahlt wird, sollte doch alles ok sein.
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maljian
10.03.2016 18:36registriert Januar 2016
Ich weiss nicht wie die Situation vor 5 Jahren war, aber auch zu dem Zeitpunkt wird es schon einen Migros und Denner gegeben haben, und da war dann noch alles in Ordnung?

Grade bei 17 und 24 Jahren, gibt es da nicht irgendwann ein Geeohnheitsrecht?
Welche Begründung hat das Gericht bei dem Urteil geliefert?

Ich hoffe es kommt für die Läden gut.
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Big ol'joe
10.03.2016 20:14registriert September 2014
Das ist so mit der zweiten Säule! Wir zahlen in jeglicher Hinsicht!
Wegen negativen Zinsen drängen institutionelle Anleger immer mehr in den Immobilienmarkt, blasen den auf und verdrängen jegliche Kultur. Folge: Hohe Mietkosten, unnötiger Wohnungsbau vor allem im oberen Preissegment und schlussendlich der Crash der Blase, welche auch wieder der Steuerzahler blechen muss! In der Zwischenzeit: Zerstörung jeglicher Initiativen von einfachen Menschen, welche einen urbanen Raum überhaupt erst beleben.
Schluss mit der zweiten Säule, ja zum bedingungslosen Grundeinkommen!
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