Schweiz
Gesellschaft & Politik

Grenzkonflikt um Vogelgrippe – Deutsche restriktiver

Grenzkonflikt um Vogelgrippe – Deutsche viel restriktiver als Schweizer

Das Virus breitet sich aus. Neu ist auch die Romandie betroffen. Die Behörden reagieren unkoordiniert.
13.11.2016, 11:30
andreas maurer / schweiz am Sonntag
Mehr «Schweiz»
Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Zwei Todesfälle am Genfersee versetzen die Behörden in Alarmbereitschaft. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen meldete gestern Samstag, dass im Lausanner Hafen bei einer Reiherente und einer Lachmöwe das Vogelgrippevirus H5N8 nachgewiesen worden sei. Zuvor waren ähnliche Fälle am Bodensee aufgetaucht.

Das Bundesamt hat nun die Massnahmen verschärft. Um jeden grösseren Schweizer See hat es eine Schutzzone von einem Kilometer erlassen. Dort darf Geflügel nicht mehr draussen, sondern nur noch in geschlossenen Räumen gehalten werden. Damit soll vermieden werden, dass Wildvögel das Virus auf Haustiere übertragen.

Une mouette rieuse, a gauche, et un canard col vert femelle, a droite, dans le port de Vidy a Lausanne. Deux oiseaux sauvages, un fuligule morillon et une mouette rieuse on ete trouves morts dans le p ...
Für die Wasservögel gibt es keine Landesgrenzen. Bild: KEYSTONE

Die Schutzzone gilt in der Schweiz nicht für Flüsse. Entlang dem Rhein zwischen Basel und dem Bodensee führt das zu einer absurden Situation. Denn die deutschen Behörden gehen restriktiver gegen die Vogelgrippe vor.

Strenge Deutsche 

Das zuständige Ministerium von Baden Württemberg hat entlang dem gesamten Rhein eine Schutzzone von 500 Metern angeordnet. Es gelten sogenannte Biosicherheitsmassnahmen. Vor Geflügelställen müssen Desinfektionswannen für Schuhe aufgestellt werden. Betreten darf man die Ställe nur mit Schutzkleidung. Alle Geflügelmärkte und ähnliche Veranstaltungen sind verboten. Die erlassenen Verfügungen sind bis zu fünf Seiten lang. Betroffen ist auch, wer nur ein paar Hühner im Garten hält.

Auf der Schweizer Seite des Rheines hingegen dürfen Geflügelhalter ihre Ställe weiterhin mit schmutzigen Gummistiefeln und in Alltagskleidung betreten. Auf einem Markt im Schweizer Rheinfelden dürften sie weiterhin mit Geflügel handeln, während dies im deutschen Rheinfelden untersagt ist.

30'000 Hühner werden in Deutschland getötet
Im Norden Deutschlands wurde das Vogelgrippevirus gestern Samstag in einer Hühnerfarm in Schleswig-Holstein mit 30 000 Tieren nachgewiesen. Alle Hühner werden getötet. So verlangt es die deutsche GeflügelpestVerordnung. Die Polizei sperrte den Betrieb ab. Die Notschlachtung beansprucht viel Zeit und dauert bis Montagmorgen. Ein Expertenteam ermittelt, wie das Virus eingeschleppt wurde. Die Bundesregierung hat einen Krisenstab einberufen. Der Verband der deutschen Geflügelwirtschaft fordert eine bundesweite Stallpflicht. Der Erreger ist für Menschen ungefährlich. (MAU)

Für gewisse Krankheiten kann ein Fluss ein Hindernis bei der Ausbreitung darstellen. Etwa für die Maul- und Klauenseuche, von der vor allem Schweine und Rinder betroffen sind. Bei der Vogelgrippe ist ein Fluss hingegen keine Barriere, sondern Verbreitungsweg. Auch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wird die Enten und Schwäne nicht aufhalten können, von der Schweizer Wildnis über den Rhein zu einem desinfizierten Stall auf deutschem Hoheitsgebiet zu flattern.

ARCHIV - ZUR MELDUNG, DASS AM BODENSEE MEHRERE FAELLE VON VOGELGRIPPE AUFGETRETEN SIND, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG - Zivilschuetzer Bernhard Voegelin, rechts, holt zusammen  ...
Schon 2006 machte die Vogelgrippe zu schaffen.Bild: KEYSTONE

Sprachliche Unterschiede 

In ihren Verlautbarungen rühmen die Behörden beidseits des Rheins ihre Zusammenarbeit. Die Schweiz, Deutschland und Österreich stünden «in engem Kontakt» und würden ihre «Massnahmen koordinieren», heisst es in einer Mitteilung. Dass die Behörden die Gefahr auf der einen Rheinseite anders einschätzen als auf der anderen, wird nicht erwähnt.

Eher für Germanisten dürften die sprachlichen Unterschiede der drei Länder von Interesse sein. Die Schweizer verwenden den populären Begriff «Vogelgrippe», die Deutschen sprechen wie ihr Gesetzbuch von «Geflügelpest», während die Österreicher medizinisch korrekt vor «Aviärer Influenza» warnen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
6
Er ist Secondo, Hauptmann und Filmemacher – und würde sofort für die Schweiz sterben
Luka Popadić ist Filmemacher und Offizier in der Schweizer Armee. Er würde sein Leben für die Schweiz geben. Aber er prangert auch ihre Missstände – die er als serbischer Secondo sieht – an. In seinem neuen Film behandelt er genau diesen Zwiespalt.

«Echte Schweizer» – so heisst Luka Popadićs Dokumentarfilm, der nächste Woche in die Schweizer Kinos kommt. Acht Jahre gingen die Arbeiten für den Film. Darin setzt er sich mit der Frage auseinander, was es bedeutet, ein «echter Schweizer» zu sein – und im Kontext der Schweizer Armee.

Zur Story