Zwei Todesfälle am Genfersee versetzen die Behörden in Alarmbereitschaft. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen meldete gestern Samstag, dass im Lausanner Hafen bei einer Reiherente und einer Lachmöwe das Vogelgrippevirus H5N8 nachgewiesen worden sei. Zuvor waren ähnliche Fälle am Bodensee aufgetaucht.
Das Bundesamt hat nun die Massnahmen verschärft. Um jeden grösseren Schweizer See hat es eine Schutzzone von einem Kilometer erlassen. Dort darf Geflügel nicht mehr draussen, sondern nur noch in geschlossenen Räumen gehalten werden. Damit soll vermieden werden, dass Wildvögel das Virus auf Haustiere übertragen.
Die Schutzzone gilt in der Schweiz nicht für Flüsse. Entlang dem Rhein zwischen Basel und dem Bodensee führt das zu einer absurden Situation. Denn die deutschen Behörden gehen restriktiver gegen die Vogelgrippe vor.
Das zuständige Ministerium von Baden Württemberg hat entlang dem gesamten Rhein eine Schutzzone von 500 Metern angeordnet. Es gelten sogenannte Biosicherheitsmassnahmen. Vor Geflügelställen müssen Desinfektionswannen für Schuhe aufgestellt werden. Betreten darf man die Ställe nur mit Schutzkleidung. Alle Geflügelmärkte und ähnliche Veranstaltungen sind verboten. Die erlassenen Verfügungen sind bis zu fünf Seiten lang. Betroffen ist auch, wer nur ein paar Hühner im Garten hält.
Auf der Schweizer Seite des Rheines hingegen dürfen Geflügelhalter ihre Ställe weiterhin mit schmutzigen Gummistiefeln und in Alltagskleidung betreten. Auf einem Markt im Schweizer Rheinfelden dürften sie weiterhin mit Geflügel handeln, während dies im deutschen Rheinfelden untersagt ist.
Für gewisse Krankheiten kann ein Fluss ein Hindernis bei der Ausbreitung darstellen. Etwa für die Maul- und Klauenseuche, von der vor allem Schweine und Rinder betroffen sind. Bei der Vogelgrippe ist ein Fluss hingegen keine Barriere, sondern Verbreitungsweg. Auch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wird die Enten und Schwäne nicht aufhalten können, von der Schweizer Wildnis über den Rhein zu einem desinfizierten Stall auf deutschem Hoheitsgebiet zu flattern.
In ihren Verlautbarungen rühmen die Behörden beidseits des Rheins ihre Zusammenarbeit. Die Schweiz, Deutschland und Österreich stünden «in engem Kontakt» und würden ihre «Massnahmen koordinieren», heisst es in einer Mitteilung. Dass die Behörden die Gefahr auf der einen Rheinseite anders einschätzen als auf der anderen, wird nicht erwähnt.
Eher für Germanisten dürften die sprachlichen Unterschiede der drei Länder von Interesse sein. Die Schweizer verwenden den populären Begriff «Vogelgrippe», die Deutschen sprechen wie ihr Gesetzbuch von «Geflügelpest», während die Österreicher medizinisch korrekt vor «Aviärer Influenza» warnen.