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Mehr Chancen für Frauen? Nationalrat sagt Ja zu Individual-Besteuerung

Mehr Chancen für Frauen? Nationalrat sagt Ja zu Individual-Besteuerung

10.03.2016, 12:0210.03.2016, 17:05
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Die Individualbesteuerung ist im Nationalrat mehrheitsfähig. Die grosse Kammer will den Bundesrat beauftragen, dem Parlament eine entsprechende Steuerreform vorzulegen. Er hat am Donnerstag einer Motion seiner Finanzkommission zugestimmt.

Der Entscheid fiel mit 92 zu 88 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Dagegen stellten sich die SVP und die CVP. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat.

Im Nationalrat argumentierten die Befürworterinnen und Befürworter, die Individualbesteuerung sei das gerechteste Modell. Zudem würde sie Frauen auf den Arbeitsmarkt bringen. Die heutige gemeinsame Besteuerung halte Frauen von der Erwerbsarbeit ab, da das zweite Einkommen wegen der Progression stärker belastet werde.

Keine neuen Ungleichheiten

Die Individualbesteuerung sei ein modernes Modell, das der gesellschaftlichen Entwicklung und der Gleichstellung von Mann und Frau Rechnung trage, sagte Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH) im Namen der Kommission. Für die Wirtschaft sei das wichtig, auch mit Blick auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und den Fachkräftemangel.

Thomas Weibel (GLP/ZH) stellte fest, die Individualbesteuerung sei die einzige Möglichkeit, die heutigen Ungleichheiten zu beseitigen, ohne neue zu schaffen. Mit anderen Modellen würden Konkubinatspaare benachteiligt. Die Kosten sprächen nicht gegen die Individualbesteuerung, sie hingen von der konkreten Ausgestaltung ab, sagte Weibel. Die Besitzstandwahrung sei nicht sakrosankt.

Hohe Kosten und mehr Aufwand

Anderer Auffassung sind die SVP sowie die CVP, die vor kurzem mit ihrer Initiative gegen die Heiratsstrafe gescheitert ist. Ein Ja zur Initiative hätte die Individualbesteuerung ausgeschlossen. Auch nach dem Nein will die Partei nichts von diesem Modell wissen.

Für die CVP sei die Ehe nach wie vor eine wirtschaftliche Gemeinschaft, sagte Alois Gmür (CVP/SZ). Die Heiratsstrafe müsse endlich beseitigt werden, und das mit möglichst wenig Bürokratie. Die Individualbesteuerung bringe zusätzliche Kosten und sei ein «Bürokratiemonster». Jedes Ehepaar müsste zwei Steuererklärungen ausfüllen, die Verwaltung hätte erheblichen Mehraufwand.

«Abschaffung der Ehe durch die Hintertür»

Thomas Aeschi (SVP/ZH) warnte vor der «Abschaffung der Institution Ehe durch die Hintertür». In der Ehe gebe es die Gütergemeinschaft. Wenn im Steuerrecht eine Gütertrennung eingeführt werde, entstehe eine massive Diskrepanz.

Das wichtigste Argument gegen die Individualbesteuerung und für ein Splitting-Modell sei aber der Föderalismus, sagte Aeschi. Die meisten Kantone hätten das Splitting eingeführt. Würde der Bund die Individualbesteuerung einführen, müssten sie ihre Steuermodelle erneut anpassen. Dass die Kantone mit 30 zu 50 Prozent höheren Kosten rechneten, sei ernst zu nehmen.

Maurer: Kompromiss finden

Finanzminister Ueli Maurer sprach sich ebenfalls gegen den Vorstoss aus. Die Diskussion wiederhole sich seit 30 Jahren, stellte er fest. Der Teufel stecke im Detail, und die Situation sei nach der Volksabstimmung nicht einfacher geworden. 16 Kantone hätten sich für die CVP-Initiative ausgesprochen, eine knappe Mehrheit des Volks dagegen.

«Wenn wir zu einer Lösung kommen wollen, wird es in irgend einer Form einen Kompromiss zwischen verschiedenen Vorstellungen brauchen», sagte Maurer. Er gab zu bedenken, dass die Individualbesteuerung nicht so einfach wäre. Das Bundesgericht habe festgehalten, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch in diesem Modell zu berücksichtigen sei. Es müsste also ergänzt werden um Komponenten wie den Kindesunterhalt.

Splitting oder alternative Berechnung

Maurer wies ferner darauf hin, dass noch weitere parlamentarische Vorstösse hängig seien, darunter auch solche, die das Splitting-Modell forderten. Der Bundesrat werde wie angekündigt bis in sechs Monaten Vorschläge präsentieren.

Mit der Individualbesteuerung würden Ehepaare nicht länger gemeinsam, sondern getrennt besteuert. Im Splitting-Modell wird das Gesamteinkommen eines Ehepaars für die Besteuerung geteilt, entweder durch zwei (Vollsplitting) oder eine kleinere Zahl (Teilsplitting).

Zur Diskussion steht auch eine weitere Variante: Die Steuerbehörde würde bei Ehepaaren zwei Berechnungen vornehmen, die ordentliche und eine alternative, die sich an die Besteuerung unverheirateter Paare anlehnt. In Rechnung gestellt würde dann der tiefere Betrag. (sda)

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