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Was sind Drohnen, was Vögel? Die Natur stellt moderne Knast-Technik vor Probleme

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg, aufgenommen am Freitag, 22. August 2014, in Lenzburg. Die Strafanstalt Lenzburg feiert ihr 150-jaehriges Bestehen. (KEYSTONE/Steffen Schmidt)
Über diesen Zaun müssen Drohnen fliegen, um auf das Gelände der Justizvollzugsanstalt in Lenzburg zu gelanden.Bild: KEYSTONE

Was sind Drohnen, was Vögel? Die Natur stellt moderne Knast-Technik vor Probleme

Die neue Hightech-Drohnenabwehr in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg hat so ihre Tücken. Zum Beispiel wird der Alarm auch bei fliegenden Krähen ausgelöst.
16.12.2017, 19:48
Ruth Steiner / Aargauer Zeitung
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Früher, als die Strafgefangenen mit schöner Regelmässigkeit ausbüxten, mussten die Gefängnisse die Sicherheit aus dem Innern der Anstalt nach Aussen erhöhen. Mittlerweile hat sich der Spiess umgedreht: Die Gefängnisverantwortlichen müssen jetzt aufpassen wie Häftlimacher, dass nichts Unberechtigtes von aussen in die Strafanstalt eindringt.

Der Luftweg ist heutzutage die einfachste und gängigste Methode, um Häftlinge hinter Gittern mit Gütern zu versorgen. Dabei gehen die Absender äusserst kreativ vor, um Drogen und dergleichen ins Innere zu schaffen, weiss Marcel Ruf, Direktor der Justizvollzugsanstalt Lenzburg (JVA).

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Er hat diverse Beispiele auf Lager. «In grünfarbene Tennisbälle verpackt, wird die Ware über Gefängnismauern auf Rasenflächen geworfen. So sind sie auf den ersten Blick kaum sichtbar.» Das sei vor allem bei Anstalten, die in der Stadt liegen, ein Problem, weiss er. Dieser Weg ist in Lenzburg weniger ein Thema. Die Mauern der JVA sind mit zusätzlichen Hindernissen und Zäunen und somit einer gewissen Distanz gleich mehrfach gesichert.

Verdacht auf Drohnen

Sorgen macht in Lenzburg ein anderes Transportmittel: die Drohne. Sie ist klein und relativ leise, sodass sie im Luftraum kaum wahrnehmbar ist. Mit ihr können problemlos geringe Mengen von Drogen, Handys oder Waffen auf dem Luftweg hinter die Gefängnismauern geschmuggelt werden. Bis zu einem halben Kilogramm Sprengstoff könnte so transportiert werden, weiss der JVA-Direktor.

Im Gegensatz zu Gefängnissen im Ausland und andernorts in der Schweiz, wo das Wachpersonal durch Drohnen aufgeschreckt wurde, ist in Lenzburg bisher nichts passiert. Ja, Ruf kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob überhaupt konkret Versuche unternommen wurden, die Gefängnismauern mit einer Drohne zu überwinden. Zweimal hätten Aufsichtspersonen in der Nacht einschlägige Geräusche wahrgenommen.

Ob diese jedoch von Drohnen stammen, die ausserhalb des JVA-Perimeters unterwegs waren, weiss Direktor Ruf nicht. Auf jeden Fall hat man sich in Lenzburg frühzeitig für den Kampf gegen Drohnen aufgerüstet. Bereits vor zwei Jahren wurden anlässlich einer internationalen Tagung in Lenzburg verschiedene Drohnenabwehrsysteme vorgeführt.

Nach einer Interpellation im Grossen Rat wurde im Sommer 2016 eine Ausschreibung durchgeführt und im November für 180 000 Franken ein Detektionssystem bei der Firma Rheinmetall bestellt.Dieses System wurde nun vor wenigen Tagen auf dem Areal der JVA zur Früherkennung von kleinen Flugobjekten und eingeworfenen Gegenständen in Betrieb genommen.

Einfluss von Flora und Fauna

Das kombinierte Radar- und Video-Warnsystem kann Drohnen anhand von Radar und optischen Sensoren entdecken. In der Inbetriebnahmephase hatte sich gezeigt, dass das überaus sensible Erkennungssystem noch einige Tücken hat, die ausgeräumt werden mussten, bevor es seinen Dienst reibungslos verrichten kann. Nicht nur reagierte es teilweise, wenn Vögel die JVA überfliegen.

Den Veränderungen in der Natur im Jahresverlauf wurden beim Programmieren der Alarmvorrichtung zu wenig Rechnung getragen bzw. konnte vorher nicht berücksichtigt werden. Die konkreten Probleme erklärt Marcel Ruf anhand eines Beispiels so: «Im Frühling, wenn die Baumkronen noch nicht so dicht mit Blättern behangen sind, ist der Schattenwurf eines Baumes viel kleiner als im späteren Jahr. Das heisst der wachsende Radius des Schattens, die sich wechselnden Lichtverhältnisse müssen die Sensoren berücksichtigen können», erklärt er. «Nachdem nun diese Probleme gelöst wurden, konnte die Drohnendetektion aufgeschaltet werden.»

Der Einfluss der Flora und Fauna auf die Technik zeigte sich auch vor acht Jahren beim Betrieb der Laserüberwachung im Bereich der Peripherie. Da war das spezifische Problem die Nussbäume an der Wilstrasse. Konkret im Herbst, wenn die Baumnüsse reif sind. Dort haben die Krähen ihr eigenes System entwickelt, wie sie die Nüsse öffnen können. Sie picken die Nuss vom Baum, fliegen mit ihr über die Anstalt und lassen sie dort auf das Flachdach der JVA fallen.

Durch den Aufprall öffnet sich die Nussschale und legt den Nusskern frei. Die Krähe, die nun zu einem senkrechten Landeanflug ansetzte und somit einen entsprechenden grossen Schattenriss produzierte, löste die Laserüberwachung aus. Auch hier mussten entsprechende Softwareanpassungen vorgenommen werden.

Interesse an «Lenzburger Modell»

Die JVA setzte bereits vor Jahren auf eine technische Innovation. Seit 2007 ist eine flächendeckende Handy-Störanlage bzw. seit 2011 eine Mobilfunkdetektionsanlage in Betrieb. Die Anlage misst, ob innerhalb der JVA eine Verbindung aufgebaut werden soll – und alarmiert das Personal mit der entsprechenden Raumbezeichnung. Die Drohnenabwehr in der JVA Lenzburg macht Schlagzeilen bis ins Ausland. Laut Marcel Ruf gibt es regelmässige Anfragen aus dem Ausland, welche sich für das «Lenzburger System» interessieren. (www.aargauerzeitung.ch)

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4 Kommentare
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Angelo C.
16.12.2017 20:06registriert Oktober 2014
Kreatives Denken an jeglichen Orten 😅 !
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