Es ist mehr als die Wahl eines Waadtländers: Als Guy Parmelin am 9. Dezember 2015 seine Konkurrenten Thomas Aeschi und Norman Gobbi aussticht und in den Bundesrat gewählt wird, freut sich die gesamte Westschweizer SVP.
Der Neuenburger Parteipräsident Yvan Perrin jubelt vor dem TV im Berner Hotel Ambassador mit Vertretern der Waadtländer Sektion, später trinkt man an der Fraktionssitzung im «Kornhauskeller» Petite Arvine aus dem Wallis.
Als Parmelin einige Tage später zur Wahlfeier in seine Heimat reist, stoppt der Sonderzug für einen Zwischenhalt in Freiburg. SVPler überall in der Romandie hoffen, der Aufstieg des Weinbauern in die Landesregierung stelle eine Zeitenwende dar:
Die SVP, die in der Romandie bei den Nationalratswahlen einen um zwölf Prozentpunkte geringeren Wähleranteil erreicht hat als in der Deutschschweiz (21 statt 32,9 Prozent), soll nun endlich auch im französischsprachigen Landesteil den endgültigen Durchbruch schaffen.
Der damalige Parteipräsident Toni Brunner prognostiziert: Landesvater Parmelin werde der Volkspartei ennet der Saane einen Wählerzuwachs von vier Prozent bringen.
Auch SVP-Vordenker Christoph Blocher jubelt: «Unsere Strategie ist aufgegangen: Endlich haben wir einen Romand im Bundesrat!»
Seit diesen Szenen und Zitaten sind anderthalb Jahre vergangen. Und längst sind die euphorischen Töne Katzenjammer gewichen.
Ob in Freiburg, im Wallis oder am vergangenen Sonntag in Neuenburg – wo immer zuletzt in der Westschweiz gewählt wurde, verfehlte die SVP ihre Ziele: Im Freiburger Grossen Rat konnte sie ihre 21 Sitze immerhin halten, blieb aber drittstärkste Kraft hinter der SP und der CVP und schaffte den Einzug in die Exekutive nicht; im Wallis gewann sie zwar zwei Parlamentssitze hinzu, verlor aber Staatsrat Oskar Freysinger; und nun in Neuenburg büsste sie sage und schreibe 11 ihrer 20 Parlamentssitze ein und verpasste den Sprung in die Regierung klar.
In der nationalen Parteileitung ist man alarmiert. «Die Verluste sind nicht schönzureden: Sie sind dramatisch», sagt Generalsekretär Gabriel Lüchinger.
Dass dieser Landesteil der SVP Schweiz alles andere als egal ist, sieht man nur schon im Organigramm. In der Parteileitung gibt es eigens einen Vertreter für die französischsprachige Schweiz. Es ist dies der perfekt zweisprachige Jurassier Didier Spies.
Spies weiss, wie die Romandie tickt. Doch primär will er sich als Generalsekretär der SVP Jura äussern. «Westschweizer und Deutschschweizer, das sind zwei verschiedene Persönlichkeiten», sagt er. Romands seien viel sensibler. «Brüskieren geht gar nicht.»
Spies denkt etwa an die Burka-Kampagne vor der Abstimmung zur Drittgenerations-Einbürgerung im Februar. «In der Romandie kommen solche Plakate nicht gut an», sagt er.
Vertreter der Westschweiz hätten die Parteileitung deshalb schon vor einiger Zeit gebeten, vor jeder nationalen Abstimmungskampagne die Sujets mit ihnen auf «kulturelle Vereinbarkeit» zu prüfen.
Ohnehin würden Westschweizer alles, was von ennet des Röstigrabens kommt, «zuerst mal hinterfragen», so Spies. Die SVP werde noch immer als Partei wahrgenommen, in der Deutschschweizer den Ton angeben. Dies zu ändern, brauche Zeit.
Ähnlich äussert sich die Waadtländer Nationalrätin Céline Amaudruz: «Der Anti-SVP-Reflex ist in der Romandie nach wie vor stark. Als Vertreterin dieser Partei wird man richtiggehend stigmatisiert.»
Der definitive Lackmustest steht der Westschweizer SVP noch bevor: Ende Monat wählt die Waadt Parlament und Regierung neu. In Ersterem hat die SVP derzeit 27 von 150 Sitzen, doch das ist ihr nicht genug. «Unser Ziel sind 30», sagt Jacques Nicolet, Präsident der Kantonalpartei.
Er zählt dabei nicht zuletzt auf die Zugkraft der «Persönlichkeit unseres Bundesrats». Wenigstens im Heimatkanton, hofft die ganze Partei, soll der Parmelin-Effekt spielen.
"Wer unterstützt die Vorlage? Die SVP? Dann nein!" ;)