Es hätte ein grosser Tag für Roman Burger werden sollen. Tausende schwenkten gestern die Fahne, die auch er so oft getragen hat: das rot-weisse Banner der Gewerkschaft Unia. Dem Aufruf zur Demonstration «Rentenabbau stoppen – AHV stärken» folgten gestern 20'000 Menschen.
Burger aber war nirgends zu sehen. Seit Donnerstag ist er auf Tauchstation. Er ist von seiner Funktion als Regionenleiter der Sektion Zürich-Schaffhausen zurückgetreten. Zum Rücktritt bewogen hat ihn das Ergebnis einer externen Untersuchung. Die Beratungsstelle «BeTrieb» sieht es als erwiesen an, dass er eine Mitarbeiterin verbal sexuell belästigt hat. Es ging um SMS-Nachrichten.
Die Gewerkschaft kommunizierte widersprüchlich. Intern und extern informierte sie unterschiedlich:
Intern also war es objektiver Missbrauch einer Mitarbeiterin («Vorliegen einer verbalen sexuellen Belästigung»), extern aber subjektives Empfinden («als sexuelle Belästigung empfunden»).
Das Communiqué sei ungeschickt formuliert gewesen, räumt Lorenz Keller ein, Mediensprecher und interimistischer Nachfolger von Burger. Er bestreitet, dass in der externen Kommunikation Burger hätte geschont werden sollen. Tatsache aber ist: Gemäss Informationen der «Schweiz am Sonntag» hat Burger selber das Communiqué mitverfasst.
Klar ist: Der Rücktritt Burgers ist ein herber Schlag für die Gewerkschaftsbewegung. Von einem grossen Verlust sprach seine Sektion, als sie seinen Rücktritt bekannt gab. Tatsächlich machte Burger die Region Zürich-Schaffhausen zur grössten der 14 Unia-Sektion mit 27 000 Mitarbeitern. Sein Ansehen ist auch nach seinem Rücktritt bei vielen Unia-Kämpfern hoch.
Burger steht für historische Erfolge der Gewerkschaft: Etwa den Landesmantelvertrag im Baugewerbe, dank dem sich Bauarbeiter mit 60 pensionieren lassen können.
Streiken und demonstrieren können viele in der Unia, Burger kann auch glänzen. Noch vor vier Wochen trat er bestens gelaunt und lächelnd in der Sendung «Sonn-Talk» von Tele Züri auf und erzählte als «Lust der Woche» von seinen Velo-Ferien. Er war Stammgast in der Sendung, um die sich Politiker reissen und die als Sprungbrett gilt. Burger, noch keine 40, hatte Potenzial, ihm wurde eine grosse Zukunft vorausgesagt.
Ein Cover der «Weltwoche» muss er als Adelung empfunden haben: Die SVP-nahe Zeitung zeigte ihn im Mai 2015 als Bösewicht in Matrix-Pose. An die Brust malte ihm der Illustrator einen «Blick»-Pin. Burger wusste seine Arbeit auch medial zu inszenieren – gern über die Boulevardpresse.
Nun ist er dort selber als «Grüsel-Burger» in die Schlagzeilen geraten. Was die Hintergründe der Affäre sind, ist schwer zu erfahren. Intern gibt es Stimmen, die der Unia vorwerfen, ihn zu lange gedeckt zu haben: Er sei so wichtig für die Gewerkschaft, dass man ihn bis zum Letzten habe halten wollen. Andere wiederum wittern einen Putsch gegen den Ausnahmegewerkschafter.
Wie es weitergeht, lässt die Gewerkschaft offen. Burger ist von seinen Funktionen zurückgetreten, gekündigt hat er nicht.