Schweiz
SVP

Arena zur Selbstbestimmungs-Initiative: SVP-Vogt verliert

SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt hat es mit vier starken Gegnern zu tun – und wirkt je länger desto zerknirschter. 
SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt hat es mit vier starken Gegnern zu tun – und wirkt je länger desto zerknirschter. bild: screenshot «arena»

«Die Zeit der Cowboy-Spiele ist vorbei!» – SVP-Vogt wird in der «Arena» nichts geschenkt

Das Gepolter beginnt: Die «Arena» hat – laut Moderator Projer «sicher nicht zum letzten Mal» – zu einer Sendung über die «Selbstbestimmungsinitiative» der SVP eingeladen. Die Hauptfrage: Zielt die Initiative auf die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention? Die Debatte bringt SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt an den Rand der Verzweiflung. Kein Wunder: Er steht allein in der Schusslinie vier eifriger Gegner.
08.04.2017, 01:1909.04.2017, 01:14
Daria Wild
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Nicht mal ganz am Ende der Sendung kann es sich Kurt Fluri verkneifen: Bei der eigentlich gänzlich unpolitischen Abschlussfrage von Moderator Jonas Projer, ob die Gäste in ihrer Kindheit jemals ein Osternest nicht gefunden hätten, schiesst der FDP-Nationalrat noch einmal mit Verve gegen die Selbstbestimmungsinitiative der SVP: «Diese Initiative kommt mir vor wie ein Osternest! Man weiss jeweils nicht, ob irgendwo noch ein Osternest versteckt ist und genauso wenig weiss man bei dieser Initiative, um was es eigentlich geht.»

Die Selbstbestimmungsinitiative
Die SVP will das Verhältnis zwischen Schweizerrecht und Völkerrecht klären. Die Verfassung soll über dem Völkerrecht stehen. Gibt es einen Widerspruch, muss dieser Vertrag angepasst werden. Gelingt das nicht, muss die Schweiz ihn kündigen. Diese Regelung betrifft auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Wird die Initiative angenommen, müsste die Schweiz also die EMRK womöglich bald kündigen. Bis zur Abstimmung wird es noch mindestens eineinhalb Jahre dauern, die Gegner wappnen sich aber bereits jetzt: Economiesuisse warnte diese Woche vor den wirtschaftlichen Konsequenzen.
quelle: «arena», srf

Es ist das Kernargument der Gegner der Selbstbestimmungsinitiative, und SVP-Nationalrat Hans Ueli Vogt hat in dieser Sendung alle Mühe, dagegen anzukommen. Kein Wunder, Vogt kämpft auch praktisch allein für das Anliegen aus dem Hause SVP: Seinen Gast zur linken, Ex-Botschafter Paul Widmer, versteht man weder akustisch noch inhaltlich, er bringt zwar Fallbeispiel um Fallbeispiel, aber nichts auf den Punkt. Moderator Projers Urteil nach einer guten halben Stunde: «Ich fürchte, Herr Widmer, Sie hängen das Publikum ab.»

SRF-Arena
AbonnierenAbonnieren

So viel zur Ausgangslage Vogts. Dafür, dass sie so miserabel ist, bleibt der Zürcher erstaunlich standhaft, doch die immerhin vier Gegner, die von allen Seiten an Vogts Rednerpult sägen, sind am Ende dann doch zu viel für den SVP-Nationalrat.

Geht es um Rechtsfragen lässt Maya Hertig, Professorin für Verfassungsrecht der Universität Genf, im Prüfstand kaum eine Aussage Vogts unwiderlegt. Economiesuisse-Geschäftsführerin Monika Rühl warnt eindringlich vor den wirtschaftlichen Konsequenzen, Kurt Fluri wird nicht müde zu betonen, die Initiative sei genauso «schludrig» und problematisch wie die MEI und Schriftsteller Lukas Bärfuss bringt nicht nur einen Unterhaltungsfaktor in die teilweise sehr technische Diskussion, sondern auch Vogt Stück für Stück an den Rand der Verzweiflung:

Bärfuss vs. Vogt: «Das ist Hasardeurentum!»

Video: streamable

Die SVP verhalte sich wie ein querulantischer Mieter, der sich nicht an die Hausordnung halten wolle, sagt Bärfuss. Das gebe wieder «ein Riesenpuff wie bei der MEI». Der Schriftsteller bringt mit seinem Votum den Kern der Debatte auf den Punkt: Für die Gegner von Vogt ist klar, dass die Selbstbestimmungsinitiative darauf abzielt, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu kündigen, ohne dass das im Initiativtext explizit formuliert wird. Die SVP ihrerseits stellt es in Abrede, dass die EMRK bei einer Annahme der Initiative gekündigt werden müsse.

Vogt bleibt auf Bärfuss' Anekdote nicht viel mehr, als zu sagen, die Initiative sei «klarer geschrieben als jedes Buch, dass der Herr Bärfuss schon geschrieben hat.» Das bleibt nicht der einzige eher verzweifelt wirkende Seitenhieb von Vogt. Nachdem Economiesuisse-Geschäftsführerin Rühl die Selbstbestimmungsinitiative für «einfach unnötig» erklärt hat, spielt Vogt wieder auf Bärfuss' Schriftstellertum an. Er solle ihm jetzt mal zuhören, sagt Vogt, auch wenn das ein Schriftsteller, «der den ganzen Tag allein vor sich hinschreiben kann», sonst nicht müsse. Bärfuss kontert unbeeindruckt Vogts Argumente, Fluri unterstützt gewohnt souverän:

Bärfuss/Fluri vs. Vogt: «Ihr macht eine Suppe!»

Video: streamable

Auch die beiden Gäste im Expertenstand bringen Vogt in Bedrängnis. Rühl fordert von den Befürwortern der Selbstbestimmungsinitiative, sie sollen sagen, dass sie die Konvention kündigen wollten. Rühl: «Sagt doch klar, was eure Haltung ist.» Rechtsprofessorin Hertig doppelt nach: Sowohl im Extrablatt der SVP als auch im Argumentarium von Vogt werde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte thematisiert. Der Initiativtext sei «massgeschneidert auf die EMRK.» Wenig später nimmt Hertig erneut Vogt in den Schwitzkasten – der wiederum mit einem anschaulichen Vergleich von Bärfuss mundtot gemacht wird. Vogt käme ihm vor wie ein schick angezogener Verkäufer, der ihm etwas unterjubeln wolle. 

Hertig/Bärfuss vs. Vogt: «Sie verstehen das ja selber nicht!»

Video: streamable

Es ist wieder Hertig, die, nachdem sich Fluri und Widmer in eine Diskussion um die MEI verwickelt haben, die Diskussion auf den Kern zurückführt: Der Stimmbürger, so Hertig, würde bei der Annahme der Initiative schon jetzt zustimmen, dass Verträge einfach gekündigt würden. Das sei nicht annehmbar. Rühl leistet Hertig Schützenhilfe und bohrt nach: Es sei ehrlicher, wenn man sage, man sei mit einem internationalen Vertrag nicht einverstanden. Dann könne das Volk konkret entscheiden. 

Hertig/Rühl vs. Vogt: «Warum geht man nicht den klaren Weg?»

Video: streamable

Das Netz um Vogt zieht sich zu, doch der gibt nicht nach. Wiederholt betont er, die Initiative ziele nicht auf die EMRK. Man wolle auch den EGMR nicht aufheben. Trotzdem wirft Vogt erneut die Frage auf, warum es ein ausländisches Gericht brauche. Warum die fremden Richter den Einzelfall besser entscheiden könnten. Doch kurz darauf wird der SVP-Nationalrat auch noch von einem Studenten aus dem Publikum in Bedrängnis gebracht. 

Fabian vs. Vogt: «Ich halte gar nichts von dieser Initiative»

Video: streamable

Vogt verzweifelt zunehmend. Es brauche eine rote Karte, die die Schweiz gegen den EGMR zücken könne. Dieser befasse sich längst nicht mehr nur mit Fällen, bei denen es um Menschenrechte ginge. Vogt: «Dieses Gericht ist out of control!». Als Rühl wenig später auch noch eindringlich davor warnt, die Schweiz würde wirtschaftliche Beziehungen gefährden, scheint Vogt langsam aber sicher die Fassung zu verlieren.

Mit Vehemenz fordert er Klarheit bei Volksabstimmungen, die internationale Verträge gefährden könnten. Ausgerechnet. Schliesslich haben das seine Gegner während der ganzen Sendung von ihm ein Zugeständnis verlangt, dass die Selbstbestimmungsinitiative genau das tun würde. Darauf geht Bärfuss nicht ein, doch der Schriftsteller holt nach diesem Votum zu seinem letzten und wohl härtesten Schlag aus.

Und bringt Vogt damit endgültig zum schweigen.

Bärfuss vs. Vogt: «Sie sind langsam isoliert»

Video: streamable

Unsere «Arena»-Berichterstattung

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
111 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Linus Luchs
08.04.2017 08:07registriert Juli 2014
Die Forderung der SVP nach einer Unabhängigkeit von internationalem Recht deckt sich mit den Bestrebungen von Erdogan, Putin, Orban, Trump und vielen weiteren Autokraten. Internationales Recht soll die Menschen vor Totalitarismus schützen. Die SVP versucht, diesen Schutz abzubauen. Hoffentlich gibt es dafür an der Urne ein wuchtiges Nein.
18753
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zarzis
08.04.2017 09:12registriert Dezember 2014
Ist das wieder so eine Kinderüberaschungs Initiative?

Bei der man nicht weiss was drinnen ist.
Und SVP-Like wird im Wahlkampf betont, dass das sicher nicht das Ziel ist um dann nach der Annahme zu sagen, ganz klar war dass das Ziel!
Und jetzt muss genau das gemacht werden, was man immer abgestritten hat! Musterbeispiel MEI!!!
Wenn ich einmal auf dieses Spiel reinfalle, ist es schmerzlich, zweimal nur noch dumm!

Wie habe ich kürzlich zur MEI gelesen. Ein Problem, dass die SVP geschaffen hat und bei Lösung nur bremst, das ohne SVP gar nie gäbe! Bei diese Initiative schein es das selbe zu sein.
13734
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P. D.
08.04.2017 06:24registriert Oktober 2015
Die Selbstbestimmungsinitiative ist genau so unausgegoren wie die MEI. Geht man inhaltlich in die Tiefe, bricht das Kartenhaus (siehe Vogt) auseinander.

Diese Initiativen dienen in erster Linie dazu, die eigene Anhängerschaft bei Laune zu halten. Um die Tiefsteuerstrategie für Firmen immer perverser (siehe Luzern) voranzutreiben, ist nunmal eine gewisse Grösse im Parlament (auch in den Kantonen) nötig.
Deshalb bringt die SVP solche sinnfreien Initiativen um ihre Wählerbasis zu halten oder auszubauen.
Rezept gegen die SVP :
Inhalt thematisieren !
11231
Melden
Zum Kommentar
111
watson gewinnt Podcast-Preis – das sind alle Gewinner der Suisse Podcast Awards 2024

Zum zweiten Mal wurden am Mittwoch, 27. März 2024, die besten Schweizer Podcasts ausgezeichnet. Auf der Shortlist standen 36 Formate, die in 11 verschiedenen Kategorien ausgezeichnet wurden.

Zur Story