Natalie K., die in der Silvesternacht 2015 ihre beiden Kinder tötete und sich Monate danach in ihrer Gefängniszelle selbst strangulierte, hat Memoiren hinterlassen, Memoiren, die erstmals, und gegebenermassen einseitig, die Sicht der Mutter auf ihre eigene Geschichte wiedergaben, und Memoiren, die den KESB-Kritikern als Vehikel im Kampf gegen die Behörde gerade gelegen kommen könnte. Ihre Initiative «Stopp der KESB» wartet auf den Startschuss für die Unterschriftensammlung.
Nun hat Roger Schawinski die berühmteste KESB-Kritikerin und Herausgeberin der Memoiren von Natalie K., Zoë Jenny, in seine Sendung eingeladen. Dabei platzierte Jenny bereits in den ersten Minuten ihre KESB-Kritik, die sie fortan gebetsmühlenartig wiederholen sollte. Die zentrale Frage in diesem Fall, so Jenny, sei, warum die Kinder von Natalie K. nicht bei den Grosseltern platziert wurden. Ihr wäre es lieber, das Buch würde nicht existieren. «Aber es existiert, weil massive Fehler gemacht wurden», sagte Jenny.
Das Buch sei eine einseitige Darstellung, entgegnete Schawinski, ohne zunächst auf die Behördenkritik einzugehen. Natalie K. gebe vor allem ihrem Ex-Mann die Schuld, sie habe niemand anderen zu Wort kommen lassen. Jennys Antwort darauf: Natalie K. sei ja im Gefängnis gesessen, wie hätte sie jemand anderen zu Wort kommen lassen wollen. «Er kann ja auch ein Buch schreiben.» Das sei die Geschichte von Natalie K., ihr Nachlass. Das Dokument einer Frau, die etwas Unglaubliches getan habe, das durch nichts zu entschuldigen sei. Dabei gab sich Jenny überraschenderweise relativ differenziert: Dass es das Buch gebe heisse nicht, «dass das die letzte Wahrheit ist.»
Schawinskis Versuche, die Tat aus einer psychologischen Sicht aufzurollen, wirkten hilflos. Es handle sich bei der Tat um einen Filizid, Schawinski solle das doch auf Wikipedia nachschauen, sagte Jenny. Schawinski versuchte es weiter: «Ist das eine altruistische Haltung oder eine narzisstische Haltung?» Jenny antwortete: «Das ist egal, es ist eine katastrophale Haltung. Eine tödliche.» Mehr wisse sie auch nicht, sie sei kein Psychologe. Aber er solle doch bitte nicht den Gutachter Frank Urbaniok fragen, der tippe irgendwas in seinen Computer und raus komme eine narzisstische Störung. Und mit Narzissmus kenne sich Schawinski ja wohl aus.
In diesem Stil ging es weiter, die beiden schenkten sich nichts und brachten nichts Erhellendes zustande. Als Schawinski Jenny in eine Erziehungsdiskussion verwickelte (ob jetzt ihr Partner als der Vater ihres Kindes gelten könne oder nicht) disqualifizierte sich der Talkmaster eher, als dass er Jennys Behördenwut entlarven hätte können. Sein «Tsunami falscher Anschuldigungen» (O-Ton Jenny) klatschte an eine Felswand. (dwi)