Ignazio Cassis (55), Arzt, Nationalrat, FDP-Fraktionschef. Der charmante Tessiner gilt als Hoffnungsträger des Südkantons für einen Bundesratssitz.
Aber die letzten Wochen, die Debatte zur Altersreform, könnten alles verändert haben. Vorab hat Cassis, der auch Präsident der für die Reform zuständigen Sozialkommission SGK ist, «viele Sympathien verloren», wie sich SP-Sprecher Michael Sorg ausdrückt: «Er hat knallharte Partei- und Machtpolitik über das Gemeinwohl gestellt.»
Geht es nach Cassis, hat ihm SP-Chef Christian Levrat sogar bereits Konsequenzen in Aussicht gestellt: «Am Dienstagmorgen hat er mir in der Wandelhalle gedroht. Wenn die Altersreform zum strategischen Geschäft in der FDP werde, habe das für mich schwere personelle Konsequenzen. Ich habe so etwas noch nie erlebt, das ist eine Schweinerei.»
Hintergrund war der erbitterte Kampf um jede Stimme im Nationalrat. Levrat warf der FDP öffentlich vor, sie erkläre die Reform zum strategischen Geschäft und zwinge so die Fraktionsmitglieder, Nein zu stimmen. Das sei verfassungswidrig.
Cassis wehrt sich, er mache nur seinen Job als Fraktionschef. Und überhaupt: «Es gibt bei uns keinen Fraktionszwang.» Vielmehr: «Wir erklären gewisse Geschäfte zu zentralen Anliegen, wie alle anderen Partei auch.» Jeder könne von der Fraktionsmeinung abweichen. «Er muss es nur vorher sagen, wie das Ständerat Raphaël Comte getan hat.»
Frage an Levrat: Haben Sie Ignazio Cassis mit Konsequenzen gedroht? «Zutreffend ist, dass Cassis eine miserable Leistung als Kommissionspräsident, als Fraktionschef und als Präsident eines Versicherungsverbands abgeliefert hat», sagt der SP-Ständerat.
Als SGK-Präsident hätte Cassis «dafür sorgen müssen, dass ein Kompromiss möglich wird – stattdessen hat er den Konflikt angeheizt», so Christian Levrat. Als Präsident des Versicherungsverbands Curafutura habe «er willentlich die Vorlage im Rücken der Versicherungen in zwei für sie entscheidenden Punkten verschlechtert», um die Versicherer ins Nein-Lager zu treiben.
«Und als Fraktionschef einer staatstragenden Partei hat er diese Rolle, die seit je der FDP zukam, der GLP überlassen. Das ist eine schlechte Leistung, und das habe ich ihm gesagt», erklärt Levrat.
Nicht nur Levrat wirft Cassis vor, er politisiere unter zu vielen Hüten. Der Tessiner kontert: «Das sind nur Vorwände, mich anzugreifen». Hier trügen alle mehrere Hüte, nur Tessinern werfe man das vor. «Fulvio Pelli hat mir einst gesagt: Als Tessiner musst du dreimal so gut sein wie andere, wenn du etwas erreichen willst.»
Zum Thema Bundesrat sagt Cassis: «Ob ich Bundesrat werde, spielt jetzt keine Rolle. Ich bin Fraktionschef, das bin ich sehr gerne, und darauf bin ich stolz.» Im Übrigen will er die Wogen nun wieder glätten. «Die Altersreform hat die Flora und Fauna im Bundeshaus auf eine noch nie gesehene Emotionsstufe gehoben. Wir sollten uns jetzt bemühen, wieder vernünftig miteinander zu reden. Ich werde meinen Teil beitragen.»
Von Levrat sei er «enttäuscht», verlange aber keine Entschuldigung, so der FDP-Nationalrat. «Er kann mich aber ruhig zum Kaffee einladen.»
Levrat gibt zurück: «Ich trinke mit allen Kaffee. Ich gehöre zu den Leuten, die hart kämpfen und trotzdem umgänglich sind.»