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Millionen-Erben-Gebrüder Meili: «Reiche haben aus Angst vor der Steuer sogar Häuser an Babys überschrieben. Das erschien uns absurd»

Daniel (l.) und Marcel Meili sowie ihr Bruder Martin stecken eine halbe Million Franken in den Abstimmungskampf zur Einführung einer Erbschaftssteuer.
Daniel (l.) und Marcel Meili sowie ihr Bruder Martin stecken eine halbe Million Franken in den Abstimmungskampf zur Einführung einer Erbschaftssteuer.Bild: watson/Petar Marjanovic

Millionen-Erben-Gebrüder Meili: «Reiche haben aus Angst vor der Steuer sogar Häuser an Babys überschrieben. Das erschien uns absurd»

Drei Zürcher Millionäre wollen eine halbe Million Franken im Abstimmungskampf um die Erbschaftssteuer einsetzen. Nicht etwa dagegen, sondern dafür. 
30.04.2015, 11:5404.05.2015, 10:09
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Die Gebrüder Meili, drei Millionäre aus Zürich, wollen mit einer halben Million Franken aus ihrem privaten Vermögen der Erbschaftssteuer-Initiative zum Sieg verhelfen. Dem Vermögen, das sie durch eine Erbschaft erhalten haben. Der Betrag soll jedoch nicht direkt dem Pro-Komitee gespendet werden, vielmehr wollen die Gebrüder eine eigene Kampagne starten. Sie möchten die Diskussion über die Erbschaftssteuer in den Sozialen Medien ankurbeln und für ein Ja werben. 

Erbschaftssteuer-Initiative
Die Volksinitiative will Erbschaften und Schenkungen von über zwei Millionen Franken neu mit einer Steuer von 20 Prozent belasten. Die Initiative, getragen von EVP und linken Organisationen, wird von bürgerlicher Seite bekämpft und kommt im Juni 2015 zur Abstimmung.
sda

Wieso unterstützen Sie als Millionäre die Erbschaftssteuer?
Marcel Meili: Aus einem Vermögen ergibt sich auch eine Verantwortung. Wenn man viele Mittel zur Verfügung hat, dann ist man der Gesellschaft auch etwas schuldig. Und deshalb machen wir das. Eine Erbschaftssteuer betrachten wir als eine der Möglichkeiten, diese Verantwortung wahrzunehmen.

Daniel Meili: Die Entwicklung unserer Gesellschaft macht uns grosse Sorgen. In der Schweiz geht die Schere der Vermögen auseinander wie fast nirgends auf der Welt! Von Jahr zu Jahr wird das extremer. Und eine Gesellschaft, die so auseinander driftet, ist mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Unter anderem schotten sich die Reichen mehr und mehr ab und gehen auf Distanz zum Staat.  

Was sind das für Gefahren? 
Daniel Meili: Die in der Schweiz in der Geschichte gewachsenen Institutionen wie das Bildungs-, das Gesundheitswesen und soziale Sicherungssysteme werden durch Privatisierungen bedroht. Demokratische Werte erodieren. Die, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder lieber in private als öffentliche Schulen, im Gesundheitswesen nehmen Leistungen ab und Privatspitäler expandieren. Solch ungleiche Startchancen sind gefährlich für das Gemeinwohl. Und dagegen setzen wir uns mit unserem Vermögen ein. 

«Reiche haben aus Angst vor der Steuer sogar Häuser an Babys überschrieben. Das erschien uns absurd.»
Marcel Meili

Die Meldung, dass Sie sich als Trio mit einer halben Million Franken in einen Abstimmungskampf einbringen wollen, kam überraschend. 
Marcel Meili: Für Aussenstehende mag das überraschend kommen. Für uns ist es kein plötzliches Engagement. Wir haben unser Vermögen nie dafür eingesetzt, dass wir in Saus und Braus leben können. Wir investieren es seit Jahren in Projekte, die aus unserer Sicht sozial nachhaltig oder kulturell wichtig erscheinen – unseren Lebensunterhalt bestreiten wir über unsere Erwerbstätigkeiten. Ausschlaggebend für unser Engagement für die Erbschaftssteuer war die Panik der Reichen bei der Lancierung der Initiative, als sie begannen, Häuser teilweise sogar an Babys zu überschreiben aus Angst vor einer Steuer. Das erschien uns absurd. 

Marcel und David Meili waren am Mittwochabend bei der Kampagnenagentur vor Ort, der sie die halbe Million anvertrauen. Sie schworen die professionellen Politwerber darauf ein, einen Kampf für die Gerechtigkeit zu führen. Das sei auch im Sinne ihres Vaters, der als Erfinder des Feuermelders Millionen verdiente. 

«Er sagte immer: Man kann nicht zwei Koteletts aufs Mal essen.»
Daniel Meili
Marcel, Daniel und Martin Meili.
Marcel, Daniel und Martin Meili.Bild: Pascal Gertschen

Hat Ihr Engagement damit zu tun, dass die Befürworter der Initiative mit ihrer Kampagne bisher praktisch unsichtbar waren? 
Marcel Meili: Wir fanden die Initiative schon von Anfang an unterstützungswürdig. Uns war jedoch klar, dass die Initiative einen schweren Stand haben wird, wenn sie nur von Linken unterstützt wird – das ist eine historische Tatsache. Wenn die Initiative eine Chance haben will, dann muss sie auch im bürgerlichen Lager punkten. Und da wollten wir ansetzen: Wir investieren nicht nur unser Geld, sondern auch unsere Glaubwürdigkeit. Wir sind selbst Erben, wir reden über unser eigenes Schicksal, weil wir unser Vermögen auch irgendwann weitervererben werden. 

Deshalb die eigene Kampagne – und nicht etwa eine Spende an eine Partei? 
Daniel Meili: Genau. Wir sind unabhängig im Denken und im Handeln und zudem ausserhalb des Parteigefüges angesiedelt. Das soll auch so bleiben. Wir stecken nicht im Wahlkampf, weil wir kein politisches Amt anstreben. Dennoch sehen wir uns selbstverständlich auch als Ergänzung zu den Bemühungen des Initiativkomitees. Uns geht es darum, das Thema ungleicher Startchancen aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfassen und den Diskurs darüber öffentlich zu führen. Wenn Linke mit solchen Vorstössen kommen, riecht es immer schnell nach einer «Neidsteuer». Und ich glaube wirklich, dass wir so tatsächlich eine Chance haben, Bewegung in die Angelegenheit zu bringen. 

«Die urliberalen Strömungen der Schweiz waren ja nicht staatsfeindlich, sondern haben die heutige Schweiz aufgebaut.»
Marcel Meili

Sie begründen Ihr Engagement aus liberaler Sicht. Andere Liberale kämpfen an vorderster Front gegen die Initiative. 
Daniel Meili: Der Begriff des Liberalismus hat sich extrem gewandelt. Das, was früher als liberal gegolten hat, hat nichts mehr mit dem heutigen Verständnis zu tun. Liberalismus hat viel mit Balance und Chancengleichheit zu tun. Die Erbschaftssteuer entstammt ja auch urliberalem Gedankengut. Mit der Abschaffung von Privilegien für die Aristokratie entfaltete sie schon im 20. Jahrhundert einmal eine ausgleichende Wirkung und führte zu besseren Chancen für weniger Privilegierte – ein zentrales Fundament einer funktionierenden Gesellschaft. Vielleicht wiederholt sich die Geschichte ja.

Marcel Meili: Die urliberalen Strömungen der Schweiz waren ja nicht staatsfeindlich, sondern haben die heutige Schweiz aufgebaut. Sie sahen im Steuerzahlen einen Sinn, weil man dafür auch etwas zurückerhält! 

Mit Ihrer Spende bringen … 
Marcel Meili: … mit unserer Investition … 

Bist du für die Einführung einer Erbschaftssteuer?

… bringen Sie den Abstimmungskampf auf Augenhöhe, der bisher mehr einem Kampf «David gegen Goliath» glich. 
Marcel Meili: Ökonomisch betrachtet nicht. Wir arbeiten wahrscheinlich immer noch mit weniger als einem Zehntel von dem, was die Gegner der Initiative finanziell zur Verfügung haben. Der Hauseigentümerverband lässt sich seine Kampagne ja alleine schon zwei Millionen Franken kosten. Und auch Economiesuisse fährt eine millionenschwere Kampagne. Unser Engagement soll aber durchaus als Vorbild dienen. Wir fördern die Diskussion und zeigen auf, dass sich auch vermögende Personen für soziale Anliegen engagieren können. 

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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Markus86
30.04.2015 13:06registriert Oktober 2014
Hut ab vor den Brüdern Meili. Echte Liberale wie sie muss man heute mit der Lupe suchen.
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Lutz Pfannenstiel
30.04.2015 16:24registriert Februar 2015
Bezahlt die Economosuisse eigentlich wieder Studenten für Online-Kommentare, wie schon bei der Abzocker-Initiative?
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stadtzuercher
30.04.2015 20:58registriert Dezember 2014
Es braucht schon einen gewissen Intellekt, um über den eigenen Vorteil hinaus Vorstellungen pflegen, wie eine Gesellschaft ideal funktionieren sollte. Chapeau. Und: Schon im 18. und 19 Jh. wandte sich der Liberalismus gegen die Pfründe des Adels, heute gegen jenen des globalen Geldadels. Eigentlich peinlich, dass 'Laien' unterdessen den Liberalismus mehr pflegen als diese unsäglichen Plapperis bei der NZZ und den Wirtschaftslobbyistenvereinen, welche ja bloss noch Neo-feudalen Geldadel hofieren.
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