Verknorzte Jungs und Computerkram sind ja von einem überaus lieben Gott füreinander erfunden worden. Anders kann man das nach Filmen wie «Social Network» und «Her» jedenfalls nicht sehen. Es werden da ja andauernd Plattformen, Apps, Spiele und Betriebssysteme erfunden, die den Jungs eine gesellschaftlich sanktionierte und möglichst sublime Triebabfuhr gestatten.
Dass es auch mit Mädchen geht, ist in Hollywood noch nicht angekommen, aber immerhin in der amerikanischen Literatur: Dave Eggers hat 2013 mit «The Circle» einen Roman über eine junge Frau geschrieben, die von einem Google ähnlichen Konzern zur gewissenlosen Netzkampf-Amazone hochgetunt wird. Ein Buch, das blendend unterhält und vollkommen paranoid macht, denn es geht darin um nichts anderes als um die Abschaffung der Demokratie mit Hilfe der sozialen Medien.
Diese Mischung aus Unterhaltung und Systemkritik ist erfreulicherweise auch im neusten HBO-Baby anzutreffen, in der Serie «Silicon Valley» nämlich, die am Sonntag Premiere hatte. Sie war ja in allen Vorankündigungen als reine Komödie beworben worden, als «Entourage» mit Nerds, und das wäre nun herausgeworfenes Geld gewesen, denn «Entourage» dreht sich um hübsche, simple Buben, die versuchen, als Schauspieler Hollywoodkarriere zu machen, und ist definitiv nur bis 18 geniessbar. Weshalb «Entourage» auch die Lieblingsserie von Obamas Töchtern ist. (Apropos Obamas: Michelle schaut am liebsten «Downton Abbey», Barack kann sich nicht zwischen «Breaking Bad» und «House of Cards» entscheiden).
«Silicon Valley» ist definitiv reifer. Und klüger. Und lustiger. Jedenfalls war die Pilotfolge ziemlich gut. Auch wenn Frauen darin nur als Abwesende anwesend sind. Ausser in einer kleinen Nebenrolle. Und das soll sich im Lauf der ersten Staffel auch nicht ändern, war von amerikanischen Kritikerinnen schon zu erfahren. Aber wahrscheinlich dachte sich HBO, dass sie mit «Girls» die Frauenquote derart übererfüllt hätten, dass jetzt mal wieder ein Rückfall in spätpatriarchale Zeiten erlaubt sei.
Mike Judge und John Altenschuler, zwei der Köpfe hinter der Trickfilmserie «Beavis and Butt-Head», sind für «Silicon Valley» verantwortlich. Sie wissen, was Kindsköpfe mit Kaputzenpullis gerne mögen und gehören schon lang zum Heldenkanon von Amerikas Nerdisten. Judge hat selbst ein paar Monate als Software-Entwickler im Valley verbracht, die Serie baut auf seinen zugespitzten Erinnerungen auf.
Natürlich beginnt alles mit einer Party: Auf dem Campus-Party eines IT-Giganten spielt Kid Rock, kein Mensch hört ihm zu, denn erstens ist er vergleichsweise arm, zweitens sind Spermawitze einfach lustiger. Am nächsten Tag schlurfen die Zukunftsträger der Programmierzunft in der völlig überteuerten WG in T-Shirts mit der Aufschrift «H.T.M.L. – How to Meet Ladies» herum, erfinden den NipAlert, eine App, die Frauen mit erigierten Nippeln entdeckt, oder die BitSoup, eine Buchstabensuppe, die nur aus Nullen und Einsen besteht.
Natürlich ist einer (Thomas Middleditch) von ihnen ein Genie. Er gleicht selbstverständlich Mark Zuckerberg und erfindet irgendeinen Kompressions-Algorithmus, der sich zu unendlich viel Geld machen liesse. Und da sind die beiden Gurus Gavin Belson (Matt Ross, der böse Mormonen-Bruder von Chloë Sevigny aus «Big Love») und Peter Gregory (Christopher Evan Welch aus «The Master»), von denen der eine sehr viel über Meditation löst und Zehensocken liebt, während der andere College-Abbrecher bevorzugt, weil diese besser in die Firmenabhängigkeit zu führen sind.
Es ist eine Welt der sanft aber unnachgiebig operierenden Meta-Sekten, die sich mit Palästen aus schicken Gadgets und süffigen Slogans verhüllen, das wurde jetzt in der ersten Folge alles sehr schön präsentiert. Und dass die ganzen Jungs-Witze sehr organisch aus den Dialogen herauswachsen und manchmal sogar einen intellektuellen Mehrwert ergeben, spricht für das sensible Geschick der Drehbuchautoren. HBO ist halt nicht dumm. Mehr lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Mehr schauen schon.