Ende war für ihn der Anfang. Nicht das Ende, sondern Michael Ende, Autor von «Jim Knopf und der Lokomotivführer». Es war der erste Berufswunsch von Peter René Baumann, damals Peterli genannt. Lukas der Lokiführer war stark, hatte für alle Probleme eine Lösung, erlebte Abenteuer. «So wollte ich auch sein», schreibt der Peterli von damals in seiner neuen Autobiografie: «DJ Bobo: Popstar – Der ganz normale Wahnsinn».
Der beginnt dort, wo Peterli noch gar nicht auf der Welt ist. 1966 in Davos. Ruth, 22, Floristin aus Kölliken, dekoriert die Tische in einem Hotel. Ruth ist schlank, mit ihrem Lächeln betört sie Luigi, Rezeptionist aus Guardia Lombardi bei Napoli. Er macht ihr Komplimente wegen ihrer schlanken Beine und ihres roten Mundes. Amore brach sich Bahn, schreibt Bobo über die Love Story der zwei Menschen, die ihn bald zeugen würden.
Doch die Saison in Davos ist irgendwann finito, aus Ruth und Luigi werden Brieffreunde. 1967, neue Saison, neuer Ort: Ascona. Amore, solo una ultima volta, nur ein letztes Treffen, bitte, bitte! In einer Zimmerstunde kommt es zum Wiedersehen. Luigi und meine Mama ruhten sich auch aus, nur, na ja, sagen wir – aktiver als andere das taten.
Nach der Saison fuhr man nach Hause. Ruths Bauch wurde rund. Luigi bot ihr via Briefpost die Ehe an, aber Ruth wollte nicht nach Napoli ziehen, und ihre Eltern sagten: Wir helfen dir, dein Kind grosszuziehen, gemeinsam. Das war nicht selbstverständlich, Ende der Sechzigerjahre. So kam Peter René Baumann am 5. Januar 1968 in Kölliken zur Welt.
«Popstar» ist nicht die erste Autobiografie von DJ Bobo. 2000 war im Zytglogge-Verlag ein Büchlein mit dem Titel «Gestatten, René Baumann» erschienen. Eine deutsche Autorin half ihm beim Schreiben. In der AZ-Rezension hiess es: «Die Ausführungen sind häufig sehr trivial.» Beides ist beim neuen Werk gleich geblieben: deutsche Co-Autorin, simpler Erzählstil. Das Resultat sind Sätze wie: Jetzt hatte es in meinem Herzchen soeben «pzooinggg» gemacht.
Das Buch wurde nicht in erster Linie für die Schweizer, sondern für die deutschen Fans geschrieben. So ist die Rede vom «Schweizer Kartenspiel Jass». Wenn «Gipfeli» geknabbert werden, gibt es dazu ein Glossar in Klammern: Bei euch sagt man eher Croissants.
«Deutschland ist für mich viel wichtiger», sagte Bobo schon 2010 im Interview mit unserer Zeitung. Die Tour zum soeben erschienenen Album «Mystorial» macht 201'724-mal in Deutschland, zweimal in der Schweiz und einmal in Österreich Halt.
Blendet man die hölzernen Formulierungen und unnötigen Floskeln aus, ist das Buch eine köstliche Lektüre. Es lebt von Anekdoten, Fotos und Aargauer Lokalgeschichte. Die beginnt in einem Bauernhaus in der Kölliker Grossmatt. Mama sitzt weinend am Küchentisch: Nach dem frühen Tod der Gross- und Hilfseltern ist sie wieder auf sich alleine gestellt. Peterli fragt, ob er schuld sei. «Nein, Peterli, es ist doch alles gut», antwortete sie mit fester Stimme. Aber ihr Körper zitterte.
Noch schlimmer als die Tränen wird für die beiden der Mann, den ihnen das Schicksal schickt: Peter, ein Witwer, Vater von Regula und Peter. Da wurden es ein bisschen viele Peters auf einmal. Aus Peterli wird René, nach dem Zweitnamen, und aus dem Stiefvater ein böser Mann. Die Familie hatte Angst vor dem Abend, wenn der Alkohol wieder zuschlug. Die Kinder werden verschont, Ruth nicht. Bis heute trinkt Bobo keinen Alkohol. Nicht einmal Hustensirup mit Alkohol, und Weisswein im Fondue muss gut eingekocht sein.
René verkriecht sich im Wald, sammelt – Gratistipp von Floristin Ruth – Moos für den Gärtner. Pro Kiste gibt's sieben Franken, und vom ersten Ersparten ein Occasion-Schlagzeug. Doch die Moos-Sammlerei ist ihm zu witterungsabhängig. Neuen Unterschlupf findet er beim FC Kölliken, wo er Captain und Platzwart wird. 400 Franken im Monat! Das gibt ein Töffli, der Weg von Kölliken nach Aarau ins Jugendhaus Tuchlaube wird einiges kürzer.
Dann, 1984: «Beat Street», ein Tanzfilm im Kino. Kostüme, Drehungen, Akrobatikfiguren – Tanzen, Rappen, Sprayen. Ich war elektrisiert. Und im Fernsehen hat ein Typ namens Eisi Gulp eine Sendung namens «Breakdance – mach mit, bleib fit». René turnt im Zimmer nach. Übt vor dem Spiegel. An schulfreien Nachmittagen in der Tuchlaube. Nach dem Rasenmähen auf dem Sportplatz. Er wird der beste Breakdancer – von ganz Kölliken.
Zum Hip-Hop gehört auch das Sprayen von Graffiti. René braucht ein «Tag», ein Erkennungskürzel. Ihm fällt ein belgisches Comicheft in die Hände: Bobo, die Abenteuer des Ausbrecherkönigs. Da stand: «Bobo gibt nicht auf.» Das passte zu mir. Die Tanzclique will in Aarau einen explodierenden Ghettoblaster auf einen Bahnwaggon sprayen. Nur blöd: Gleisarbeiter sind auch grad in der Nähe, und Sprayen ist genauso cool wie verboten. So mussten wir alles von dem Waggon wieder herunterwaschen. Die Farben waren nicht nur teuer, sie lassen sich auch schlecht entfernen. Die Sprayerkarriere ist vorbei, bevor sie begonnen hat. Aber der Name Bobo bleibt.
1984 wird aus René ein Lehrling. Bäckermeister Gerber im Kölliker Oberdorf gibt ihm einen Vertrag. Aber weil der junge Mann in der Nacht lieber tanzt und Platten auflegt, statt schläft, kommt die Müdigkeit in der Backstube, mit jedem Teigklumpen ein bisschen mehr, bis ... fllllaaatschsch! Meister Gerber hatte tatsächlich mit Teig nach mir geworfen. Torten liegen dem Stift nicht. «Baumann, mach den Guss!», ruft der Chef.
Kreativ ist Bobo dafür im nächtlichen Doppelleben. Bis er an den DJ-Schweizer-Meisterschaften auf dem zweiten Platz und auf dem «Blick»-Titelblatt landet. Er fährt, wie üblich, vom Club direkt in die Backstube. Und die wütende Frau Gerber hält ihm das Blatt hin.
Bobo wird immer besser an den Plattentellern. In der Tuchlaube stehen sie an für ihn. Ich rief probehalber: «Say hoo-oo!» Die Tuchlaube antwortete: «hooo-ooo!» – und das im braven Aarau. Ich war völlig von den Socken. Beim üblichen Samstagabend-DJ rief keiner «hooo-ooo». Das spricht sich rum, bis nach Wohlen. Im Club «Don Paco» erhält er nach der Lehre eine Festanstellung. Sechs Auftritte die Woche, immer ist die Disco voll. Beck Bobo wäre sowieso eine unmögliche Vorstellung, DJ Bobo tönt viel besser.
1989 heiratet er seine Strandliebe Daniela. Die Deutsche kommt in den Aargau, sie finden eine Wohnung in Rohr und heiraten – weil Daniela sonst das Land wieder verlassen müsste. Seinen DJ-Job in Wohlen gibt Bobo bald auf. Er will mehr Zeit, um an eigenen Soundideen zu arbeiten.
Nach einigen Flops erscheint 1992 «Somebody Dance With Me». 16 Jahre nach Pepe Lienhards «Swiss Lady» ist wieder ein Schweizer auf Platz 1 der Single-Charts. Stabübergabe unter Aargauern. Und Beginn einer Weltkarriere.
Peterli wollte Lokiführer werden, Abenteuer erleben. René hat Peterlis Traum erfüllt. DJ Bobo, 48, führt seinen Musikzug um die Welt. Und muss doch immer wieder in Aarau Halt machen, um im «Falken» seinen Lieblingshotdog von früher zu holen.
Als die Backstreet Boys noch seine Vorgruppe waren :D
Obwohl mir seine Musik schon seit langem nicht mehr gefällt, die Bühnenshow war immer unbeschreiblich.
Mein Bobo-Trauma bleibt einfach, als ich in den 90ern lieber mit einer jungen Dame ans Bobo-Konzert ging statt mit den Kollegen zu Florian Ast (ja, der war mal gut, zumindest damals für pubertierende Teens). Mit der Dame lief dann doch nichts (wegen Bobo??) während die anderen es zünftig krachen liessen. Ich hör die Storys heute noch 😃 Danke Bobo...