Sie lebte in New York und in einem Indianer-Reservat. Sie war die Vertraute von Sitting Bull und erhielt von ihm sogar einen Heiratsantrag. Von den Indianern wurde sie bewundert und von vielen Weissen gehasst. Sie starb einsam und verarmt bei einem Zimmerbrand. Stoff für einen Roman – jetzt ist ihr Leben verfilmt worden: Caroline Weldon, geboren am 4. Dezember 1844. Geburtsname: Susanna Carolina Faesch.
Bei einigen hat es längst geklingelt. Faesch, das ist doch ein Basler Geschlecht! Und in der Tat, Sitting Bulls rechte Hand wurde im Kleinbasel geboren. Sie war das jüngste Kind des Wiesenbannwarts Johann Lukas Faesch und seiner Frau Anna Maria Barbara Marti.
Dass Weldon Schweizerin war, ging vergessen. Der Reinacher Autor Thomas Brunnschweiler hat ihre Biografie aufgearbeitet. Den entscheidenden Tipp hatte er von einem Auslandschweizer erhalten. Er recherchierte ihre Herkunft 2011 und ergänzte den Wikipedia-Eintrag zu Weldon – jedoch wurde diese Fährte danach nicht mehr weiter verfolgt.
Es ist die Mutter, die Carolina Faesch in die USA mitnimmt. Anna Marti lernt um 1848, da war die Tochter 4-jährig, Karl Heinrich Valentiny kennen, einen jüngeren deutschen Revolutionär. Die Affäre führt 1849 zur Scheidung. Im Jahr darauf emigriert Valentiny nach New York. 1852 folgt ihm Anna Maria Barbara, mit der Tochter im Schlepptau.
In Brooklyn hat die kleine Carolina ein Schlüsselerlebnis. Sie sieht einen armen Irokesen an ihrem Fenster vorbeigehen. Ihn will sie beherbergen, doch der Stiefvater verhindert das. «Sie begann, über die mitleiderregende Geschichte der Indianer nachzudenken», heisst es in einem Zeitungsbericht.
Ihr Interesse am Schicksal der «Redmen», der indigenen Bevölkerung, wird nie erlöschen. Nach dem Tod ihrer Mutter erblickt Carolina die Chance, ihrem Bohème-Dasein zu entkommen. Nach einer unglücklichen Ehe und einer Liaison mit einem verheirateten Mann, der sie mit einem Kind sitzen liess, hatte sie sich als Witwe ausgegeben und sich mit der Arbeit in einem Stickereien-Geschäft über Wasser gehalten. Nun kann sie mit dem geerbten Geld unter dem Künstlernamen Caroline Weldon erstmals ins Dakota-Territorium reisen, das ist wohl im Jahr 1888.
Sie tritt der National Indian Defense Association bei, um das Lakota-Volk in seinem Kampf gegen die US-Regierung zu unterstützen. Die ist gerade im Begriff, Teile des sogenannten Grossen Sioux-Reservates zu enteignen, um es von Kolonisten besiedeln zu lassen. Weldon freundet sich mit Sitting Bull an, Schamane und Chief der Lakota-Traditionalisten, den die US-Regierung in der Standing Rock Reservation zu neutralisieren versucht. Beim dritten Besuch nimmt Weldon ihren Sohn Christie mit, lebt ab August 1890 in der Hütte von Sitting Bull und wird dessen Beraterin. Aus dieser Zeit sind vier Porträts von Sitting Bull erhalten, die Weldon anfertigte.
Als ruchbar wird, dass Weldon bei den Indianern lebt, schlagen ihr Misstrauen und Feindseligkeit der Weissen entgegen. In einer Pressekampagne wird sie als «White Squaw of Sitting Bull», als Mätresse, bezeichnet. Die Verleumdungen lassen die Frau verbittern. Von den Lakota selbst wird sie «Tokaheya mani win» genannt, was «Woman Walking Ahead» bedeutet, «Die Frau, die vorangeht». Sie sieht sich auf Augenhöhe mit dem Häuptling. Er macht ihr einen Heiratsantrag, doch sie lehnt entrüstet ab.
Um 1890 verbreitet sich die Geistertanz-Bewegung mit messianischen und endzeitlichen Elementen. Weldon erkennt den Ernst der Lage, warnt Sitting Bull, die US-Regierung könne die Tänze zum Vorwand nehmen, gegen ihn vorzugehen – doch er folgt ihrem Rat nicht. Weldon wird es zu gefährlich, sie entscheidet sich abzureisen.
Auf dem Weg nach Kansas stirbt ihr Sohn Christie an einer Blutvergiftung. Im Dezember 1890 wird Sitting Bull von der Indianer-Polizei ermordet. Dies, der Tod ihres Sohnes und das Massaker von Wounded Knee stürzen Caroline Weldon in grosse Verzweiflung. Nach einem Aufenthalt in Kansas City zieht sie zurück nach Brooklyn. In einem Pressebericht vom 22.
Januar 1891 stellt sie ihre Sicht der Dinge nochmals dar. «Niemand in der Welt war so glücklich wie ich», wird sie zitiert, «und ich wünschte, alle könnten mit mir dieses Glück geteilt haben. Eine Stadt scheint mir ein Gefängnis zu sein. Man muss hart arbeiten, um in der Stadt sein Auskommen zu finden, und ich genoss die Freiheit der Wildnis.» Sie schliesst mit dem niederschmetternden Satz: «Sicher ist, dass die Indianer vernichtet werden.»
Am 15. März 1921 erleidet Caroline Weldon bei einem Zimmerbrand in Brooklyn so schwere Verbrennungen, dass sie stirbt. Das Leben einer unkonventionellen, mutigen und für ihre Zeit ausserordentlich emanzipieren Frau endet tragisch.
Weldon findet Eingang in zahlreiche Bücher und in ein Theaterstück. Doch selbst in der Biografie von Eileen Pollack aus dem Jahr 2002 wird ihre wahre Herkunft nur angedeutet – und auch im nun erschienenen Film spielt es keine Rolle, dass sie Schweizerin ist: In «Woman Walks Ahead» ist Caroline Weldon schlicht eine Porträtmalerin aus New York.
Mitarbeit: Thomas Brunnschweiler (aargauerzeitung.ch)