Aller Anfang ist schwer und zweifelsohne hat jede und jeder das Recht darauf, Erfahrungen zu sammeln. Dass Lernen mit Fehlern verbunden ist, steht ebenso ausser Frage.
In gewissen Situationen jedoch wird dieser Status des Lernenden gepaart mit dem süssen Gift der Selbstüberschätzung. Daraus resultieren dann schnell Beinahe-Unfälle, rote Köpfe und schwitzende Neulenker-Rücken.
Alterstechnisch komplett diametral zum Neulenker, entpuppt sich der Altlenker in seiner automobilen Wesensart als beinahe kongruent mit dem Neulenker. Er interpretiert Geschwindigkeitsangaben, Strassenschilder und grundlegende Regeln des Strassenverkehrs äusserst lax. Aber Hauptsache der Stumpen mundet und die Dauerwelle sitzt.
Eine allgemeine Fehlannahme ist es, Insassen hupender Fahrzeuge in die Schein-Kategorie der Choleriker abzutun. Denn wild gestikulierende, frivol hupende, grantig wirkende Strassen-Matadoren sind ganz tief innen lediglich sensible, gerechtigkeitssüchtige, sich in einer Opferrolle wähnende Geschöpfe, die versuchen, sich in der Wildnis der Strassen zu behaupten.
Nerven tun sie trotzdem.
Beliebtes Werkzeug im Repertoire des Zögerlichen ist der Blinker. Dieser wird als Statement gerne mal betätigt. Problematisch hierbei erweist sich jedoch, dass der effektive Akt des Abbiegens oder Überholens dann sehr, sehr stark verzögert – wenn überhaupt! – erfolgt.
Auch beliebt ist das Andeuten von Manövern, wobei dieses möglichst in vorletzter Sekunde doch noch annulliert wird. Und in allerletzter Sekunde überraschenderweise dennoch ausgeführt wird. Surprise!
Ihm kann sowieso niemand etwas anhaben. Denn er fährt genau diese Strecke jeden Tag, kennt die Kreuzungen besser als seine Westentasche und ist quasi per Du mit jeder Ampel auf dem Weg.
Deshalb erübrigen sich für ihn natürlich jegliche Seiten- und Kontrollblicke, wobei ebenfalls klar ist, dass daraus resultierende brenzlige Situationen zweifelsfrei den Grünschnäbeln ausserhalb seines Autos zuzuschreiben sind. Der Platzhirsch hat immer recht.
Von einer ähnlichen Unsicherheit geprägt, ist der sogenannte Parkierphobiker. Mit Engelsgeduld sucht er in strapazierend langsamen Tempo einen Parkplatz, ehe er sich mit selbiger Geduld daran macht, diesen zu besetzen.
Es wird gezirkelt, gewendet, justiert – und zwar à gogo. Die Anwesenheit eines dahinter wartenden Autos scheint den Schwierigkeitsgrad zusätzlich immens zu erhören. Stress, Schweiss, Tränen, Verzweiflung. Alles easy.
Obwohl der Ansatz, es allen recht machen zu wollen, prinzipiell gut nachvollziehbar ist, so kommt es auf der Strasse einfach auch ein wenig auf den Kontext an.
Schön, wenn du an der Kreuzung allen den Vortritt lässt, gutmütig ganze Kolonnen durchwinkst und auf gar keinen Fall jemandem den Weg abschneiden willst, lieber Gutmensch. Aber ungeschriebene Gesetze, wie das legendäre Reissverschluss-Prinzip, sind dazu da, dass es vorwärts geht. Zum Beispiel auch für das Auto hinter dir.
Mr. und Mrs. Nonchalant. Kommt schon alles gut – ob es nun der Schwertransport mit Sicherheitsstufe Null, die kecke Ausfahrt über den beschneiten Pass mit Sommerreifen oder die Einfahrt in die Autobahn mit schätzungsweise 1000 Kilogramm Schnee und Eis auf Dach und Scheibe ist.
Während sich der Lockere aufgrund seiner Unbekümmertheit in Sicherheit wähnt, bricht um ihn herum Chaos, Hysterie und Panik aus. Wieso? Weil's verdammt nochmals saugefährlich ist.
Streng zu verurteilen gilt es natürlich auch das Gegenteil des Gutmenschen. Eiskalt besteht er auf jede Form eines Vortritts seinerseits, wobei die Sinnhaftigkeit hierbei keine Rolle spielt. Ebenso klar ist für ihn, dass nach dem fakultativen Hereinlassen eines Fahrzeugs, die Lücke sofort geschlossen wird.
Und koste es, dass er dann wie der letzte Depp unsinnig auf dem Fussgängerstreifen steht. Oder dass er Beinahe-Herzinfarkte verursacht, weil er im Schneetreiben mit 120 km/h waghalsig über die Autobahn brettert. Er darf es. Also tut er es. Der Sinn ist dabei lediglich Zaungast.
Der Auffahrer scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, immer möglichst dicht am Vordermann dran zu bleiben. Wie das schlechte Gewissen eines jeden Studenten in der Prüfungsphase, verfolgt er dich möglichst dicht, ohne dich effektiv je ganz zu erreichen. Und wie beim schlechten Gewissen denkst du dir: Verreis, verreis!
Er ist der geilste aller geilen Siechen. Den Akt des Autofahrens als audiovisuelles Spektakel verstehend, setzt er alles daran, den Zuschauern ein fertiges Spektakel abzuliefern.
Dazu gehört das Aufpolieren des Autos, eine Soundanlage, die mindestens «dope» ist, möglichst schnelles Beschleunigen, sobald die Ampel auf Grün stellt (gerne auch mit seichtem Reifenquietschen) und – nur für wahre Könner – die Königsdisziplin des Motor-Aufhäulen-Lassens. Mega sympathisch.