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Ich war neun. Ein Kind. Und süchtig nach einer deutschen Band. Sie trug glitzrige Kostüme, verherrlichte Russland, hiess Dschinghis Khan und hatte sich gerade am Grand Prix Eurovision de la chanson auf den vierten Platz gesungen. Vor mir stand ein Kiosk. Mit der «Bravo». Und in der «Bravo»: Eine Story über Dschinghis Khan!
Ich war fassungslos vor Glück. Denn neben mir standen nicht meine Eltern, die gegen «Bravo» und gegen Barbie-Puppen waren. Neben mir stand meine Gotte. Und wie bei meinem Grosi war bei meiner Gotte alles möglich. Sogar die «Bravo».
Sie fragte nicht, sie bezahlte. Und: Es war ihr egal, was ich in der «Bravo» alles las. Also jeden verdammten Buchstaben. Über Bands und andere Menschen mit schlechten Frisuren und über dieses eine Wort, mit dem ich damals noch fast nichts anfangen konnte, das aber verboten interessant klang: Sex.
Ich war damals nicht nur ein Kind, sondern ein Kind vom Land. Meine Gotte lebte in der Grossstadt. An einer breiten Strasse mit enorm vielen Läden, Restaurants und Bussen. Meine Gotte ass häufig in Restaurants zu Mittag. Ihre Grossstadt hiess Wettingen.
Es blieb meine einzige eigene «Bravo». Aber später, als Teenie, war die allwöchentliche Grundversorgung auch kein Problem mehr. Die zwei Frühreifsten in der Klasse kauften sie, dann machte sie die Runde unter kichernden, kreischenden Mädchen.
Wir taten dies am liebsten an Orten, die auffallend körperbetont waren. In Turnhallen-Garderoben und Schwimmbädern. Ziemlich sicher war «Bravo»-Lesen sowas wie sublimierter Sex. Mit Jungs, die oft blond und grässlich geföhnt waren und George Michael, Limahl oder Morten Harket hiessen und weisse Socken trugen. Mortens Wangenknochen und Georges Frisur waren ungefähr alles, was wir von einem Mann wollten.
Uns selbst sahen wir als Madonna, Nena, Sandra, Cyndi Lauper, Kim Wilde, Kate Bush, Frauen mit Haaren halt. Natürlich lasen wir Dr. Sommer vorwärts, rückwärts und spiegelverkehrt und fragten uns: Kennst du das? Hast du schon mal? Wir glaubten alles.
Irgendwann war die «Bravo» klebrig und mit Flecken übersät, die unweigerlich rosa waren. Von ausgelaufenem Lipgloss, von geschmolzenem Eis. Erst dann entsorgten wir sie bei denen, die fast so sehnsüchtig darauf warteten wie wir: bei den Jungs.